Steuervollzug im Prostitutionsbereich

Bundesweit bitten die deutschen Finanzämter Sex-Dienstleister stärker zur Kasse. Vor dem Hintergrund, dass im Milieu dem Staat unter Umständen Steuereinnahmen in Millionenhöhe entgehen dürften, setzen immer mehr Finanzpolitiker in Bund und Ländern insbesondere verstärkt auf einheitliche Pauschalen für eine Steuervorauszahlung (sogenanntes Düsseldorfer Verfahren).

Ich frage den Senat:

1. Von welchen aktuellen realen Steuereinnahmen im Bereich Prostitution gehen Senat und/oder zuständige Behörde auf Basis welcher Annahmen in Hamburg aus? (Bitte für die letzten zwei Jahre angeben.)

2. Von welchen potenziellen Steuereinnahmen im Bereich Prostitution gehen Senat und/oder zuständige Behörde auf Basis welcher Annahmen in Hamburg aus? (Bitte für die letzten zwei Jahre angeben.)

Beim Steueraufkommen und bei der Steuerschätzung wird lediglich nach Steuerarten, jedoch nicht nach einzelnen Branchen oder Gewerbezweigen differenziert. Tatsächliche und potenzielle Steuerzahlungen einer Branche oder eines Gewerbezweiges lassen sich deshalb nicht zuverlässig ermitteln. Erschwert wird dieser Umstand dadurch, dass die Anmeldung der Sexdienstleistenden unter sehr unterschiedlichen Bezeichnungen erfolgt. Zwar sieht der bundeseinheitliche Katalog seit Ende 2008 eine eigene Gewerbekennziffer für Prostituierte vor. Die Erscheinungsformen im Prostitutionsbereich werden dadurch jedoch nicht umfassend und zuverlässig abgebildet. Außerdem vermeiden viele Betroffene den stigmatisierenden Begriff der Prostitution.

3. Wie gestaltet sich aktuell in Hamburg der Steuervollzug im Prostitutionsbereich? Wie bewerten Senat beziehungsweise zuständige Behörde die aktuelle Praxis?

Für die Besteuerung der Prostituierten, Bordelle und bordellartigen Betriebe gelten ­ wie für alle Steuerpflichtigen auch ­ die allgemeinen steuerlichen Vorschriften.

Die zutreffende Besteuerung der erzielten Umsätze und Einkünfte sowie insbesondere die Beitreibung dieser Steueransprüche gestaltet sich schwierig. Die Schwierigkeiten tatsächlicher Art (Verschleierung der Tätigkeit, Einsatz von Strohmännern und -frauen, Wechsel der Lokalitäten et cetera) potenzieren sich durch den zum großen Teil ­ oft auch organisierten ­ kriminellen Hintergrund in diesem Milieu.

Hinzu kommt, dass weder nach dem Prostitutionsgesetz noch nach dem Gewerberecht eine gesetzliche Regelung existiert, die eine Meldepflicht für Prostituierte oder eine Erlaubnispflicht für Stätten der Prostitution vorsieht. Vielmehr sind die Finanzäm ter auf eine ordnungsgemäße steuerliche Anmeldung angewiesen. Damit liegen den Finanzämtern vielfach keine Erkenntnisse über die steuerpflichtigen Sachverhalte vor.

Seit September 2008 ist die Steuerfahndung Hamburg im Rahmen der Steueraufsicht nach § 208 Absatz 1 Ziffer 3 Abgabenordnung in Zusammenarbeit mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (Zoll) im Bereich Prostitution verstärkt vor Ort durch steuerliche Prüfungen tätig. Dabei werden Feststellungen zu steuerlich relevanten Sachverhalten getroffen, sowie die Bordellbetreiber und die Prostituierten über ihre steuerlichen Verpflichtungen aufgeklärt. Bis Ende 2008 wurden insgesamt 69 Objekte überprüft und 573 Prostituierte zu ihren steuerlichen Verhältnissen befragt. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden für den Veranlagungszeitraum 2008 als Kontrollmaterial ausgewertet.

In 2009 wurden bislang weitere 54 Objekte und 387 Prostituierte überprüft. Diese Maßnahmen werden fortgeführt.

4. Wie hoch schätzen Senat und/oder zuständige Behörde die aufgrund eventuell nicht vollumfänglichen Steuervollzugs entgangenen Steuereinnahmen im Prostitutionsbereich ein? (Bitte für die letzten zwei Jahre angeben.)

Der Umfang eventueller Steuerausfälle lässt sich nicht zuverlässig schätzen, im Übrigen siehe Antwort zu 1. und 2.

5. Hat Hamburg ebenfalls die Verwendung einheitlicher Pauschalen für die Steuervorauszahlung, das sogenannte Düsseldorfer Verfahren, geprüft?

6. Wenn ja,

a. wann, warum, mit welchem Ergebnis und mit welchen Konsequenzen?

Hamburg hat sich Ende 2006 gegen die Anwendung von Tagespauschalen nach dem sogenannten Düsseldorfer Verfahren ausgesprochen. Zum einen, weil zu erwarten war, dass die deutliche Mehrzahl der Prostituierten an einem solchen Verfahren nicht teilnehmen wird und so eine Teilnahme allenfalls für die in Laufhäusern und Clubs Beschäftigten erwartet werden konnte.

Darüber hinaus fehlt für dieses Verfahren eine Rechtsgrundlage, sodass die Beteiligung der Bordellbetreiber nur auf freiwilliger Basis erfolgen kann. Auf freiwilliger Basis werden Betroffene aber nur dann Steuerzahlungen vornehmen, wenn sie hierin Vorteile für sich erkennen. Darüber hinaus könnten die Prostituierten in einer als Vorauszahlung geltenden Pauschalsteuer eine Steuerzahlung mit Abgeltungswirkung sehen.

Damit besteht die Gefahr, dass auch diejenigen, die bisher Steuererklärungen abgegeben haben, dies zukünftig nicht mehr tun werden. Letztlich könnte eine Pauschalsteuer auf die persönliche Steuerschuld der Prostituierten nur aufgrund einer Steuerbescheinigung des Bordellbetreibers angerechnet werden. Die Richtigkeit solcher Bescheinigungen kann aber im Steuerveranlagungsverfahren nicht überprüft werden.

Auch eine (nachträgliche) Überprüfung im Rahmen einer Außenprüfung erscheint schwierig, zumal keine gesetzlichen Aufzeichnungspflichten ­ wie etwa beim Lohnsteuerabzug ­ bestehen.

b. Welche Höhe könnte in Hamburg der Pauschalbetrag aus Sicht von Senat beziehungsweise zuständiger Behörde haben?

7. Wenn nein,

a. warum nicht?

b. Inwieweit ist eine Prüfung geplant?

Entfällt.

8. Wie sind der Sachstand und die Senats- beziehungsweise Behördenauffassung zu einer bundeseinheitlichen Praxis bezüglich der pauschalen Vorauszahlung? Wie hat sich Hamburg bei Umfragen des Bundesfinanzministeriums hierzu jeweils wann, wie und warum eingelassen?

Auf Vorschlag des Bundesrechnungshofs hat der Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages in seiner Sitzung vom 19. Januar 2007 einen schriftlichen Bericht des Bundesfinanzministeriums zur Kenntnis genommen, sodass die Thematik im Rechnungsprüfungsausschuss einvernehmlich abgeschlossen werden konnte und auch für den Bundesrechnungshof erledigt ist.

Hamburg hat sich bei einer am 7. Dezember 2006 erfolgten Tendenzabfrage auf steuerfachlicher Ebene dagegen ausgesprochen, den Finanzämtern die Einführung des „Düsseldorfer Verfahrens" oder eines diesem ähnlichen Verfahrens zu gestatten. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. und 6. a.

9. Welche anderen Möglichkeiten sieht beziehungsweise prüft der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde, um den Steuervollzug im Prostitutionsbereich zu verbessern?

Unter Federführung der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz hat der Runde Tisch zum Thema „Sexuelle Dienstleistungen" seine Arbeit aufgenommen.

Aufgabe des Runden Tisches ist es, ein Konzept zur Umsetzung des Prostitutionsgesetzes zu erarbeiten, niedrigschwellige Ausstiegshilfen zu diskutieren und Vorschläge für eine Unabhängigkeit von Zuhältern beziehungsweise selbstständiges Arbeiten zu entwickeln. Hierzu gehört auch die Erfüllung von steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten.