Einsatz von Ersatzbaustoffen im öffentlichen Straßen- und Wegebau

„Die Schlacke aus Hamburger Müllverbrennungsanlagen ist als Baustoff für den Unterbau von Plätzen und Wegen zugelassen. Sie hat sehr gute Einbaueigenschaften, ist kostengünstig und spart mineralische Rohstoffe", schreibt die Stadtreinigung Hamburg auf ihrer Homepage. Der Einbau von in Müllverbrennungsanlagen entstehender Schlacke (MV-Schlacke) als Tragschicht im Straßenbau gilt nicht nur als Ressourcen schonendes und relativ preiswertes Verfahren, sondern verschont auch die Müllgebührenzahler vor Kosten. Ihre Verwendung als Straßenbaustoff ist deshalb unter bestimmten Rahmenbedingungen erwünscht; durch die Hanseatische Schlackenkontor GmbH, an der mittelbar auch die Stadt beteiligt ist, werden nur güteüberwachte Schlacken in den Vertrieb gebracht (vergleiche Drs. 18/6674). Würde die Schlacke nicht als Baustoff eingesetzt, müsste sie teuer auf Deponien gelagert werden. So erklärte denn auch der Staatsrat der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Christian Maaß, in einem Rundschreiben vom 2. Dezember 2008, ein Ziel der Abfallwirtschaft sei es, „Ersatzbaustoffe an Stelle von Naturmaterialien im öffentlichen Straßenbau einzusetzen und diese Stoffe bei Ausschreibung und Vergabe von Straßenbauarbeiten zu bevorzugen, wenn sie als Baustoff geeignet sind." Auf die Gebührenzahler der Stadtreinigung kämen erhebliche Kosten zu, „falls Müllverbrennungsschlacken nicht mehr in ausreichendem Umfang im Straßenbau eingesetzt würden." Gleichwohl schöpft die Stadt ihre Einbaukapazitäten im Straßenbau nicht aus, im Durchschnitt der Jahre 2004 bis 2007 wurden jährlich nur 18.625 Tonnen im öffentlichen Straßenbau verwendet (vergleiche Drucksache 19/1481), obwohl jährlich rund 180.000 Tonnen Schlacke aus den vier Hamburger Müllverbrennungsanlagen als Baustoff aufbereitet werden. Damit werden Ersatzbaustoffe ohne Not in die Beseitigung (Deponierung) gedrängt, der Bedarf an neuen Deponiekapazitäten steigt.

Der Einbau von Ersatzbaustoffen ist aus Gründen des Grundwasserschutzes nach den einschlägigen Regelwerken dort zulässig, wo ein Mindestabstand zwischen der Schüttkörperbasis und dem „höchsten zu erwartenden Grundwasserstand" eingehalten wird. In Trinkwasserschutzgebieten ist er ausgeschlossen. Am 19. Dezember 2008 hat die zuständige Behörde das „Merkblatt zur Ermittlung des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes beim Einsatz von Ersatzbaustoffen in Hamburg, in dem der Begriff „höchster zu erwartender Grundwasserstand" definiert und präzisiert wird, veröffentlicht. In einer sogenannten Ampelkarte wurde das Stadtgebiet in Gebiete eingeteilt, die für den Einbau von Ersatzbaustoffen entweder geeignet (19 Prozent) oder ungeeignet (29 Prozent) sind oder deren Geeignetheit im Einzelfall geprüft werden muss (52 Prozent) (vergleiche Drs. 19/1985). Allerdings hat es die zuständige Behörde versäumt, die Betroffenen vor Veröffentlichung des Merkblattes anzuhören.

Der geltende Vorrang für die Verwendung von Ersatzbaustoffen wird nach Auffassung der Recyclingwirtschaft nun dadurch erschwert, dass bei Flächen, deren Eignung für den Einbau von Ersatzbaustoffen erst geprüft werden muss, wegen des damit verbundenen Zeitaufwands auf die Prüfung verzichtet wird und nur Naturbaustoffe zum Einsatz kommen. Dabei wäre nach positivem Ausgang der Prüfung auch hier ein Ein bau von Ersatzbaustoffen möglich. Würde im Rahmen von Straßenbauvergabeverfahren die Frist für die Angebotsabgabe verlängert, bliebe genügend Zeit für die erforderliche Prüfung. Oder der Bauvorhabensträger nimmt die erforderlichen Prüfungen selbst vor und legt deren Ergebnisse dann den Straßenbauausschreibungen zugrunde. Dies hätte den Vorteil, dass von der Stadt selbst verbindlich ermittelt wird, wo Ersatzbaustoffe im Einzelfall eingebaut werden können und wo nicht. So zeigte sich beispielsweise im Fall „Ohlstedter Platz" (vergleiche Drs. 18/6674), dass Schlacke unzulässigerweise auch an Stellen eingebaut wurde, wo der erforderliche Mindestabstand zum Grundwasser nicht eingehalten wurde. Derartigen Fehlentscheidungen könnte dadurch vorgebeugt werden, dass die Stadt derartige Prüfungen nicht den Privaten überlässt, sondern sie selbst in Auftrag gibt und in den Straßenbauaufträgen ausdrücklich bestimmt, wo Ersatzbaustoffe eingebaut werden sollen und wo nicht.

Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. folgende Verfahren zu prüfen:

a) Bei Straßenbaumaßnahmen im Falle von Flächen mit Prüfungsbedarf lässt der Straßenbaulastträger grundsätzlich selbst die Ermittlung des Baugrundes und der Grundwasserverhältnisse vornehmen und legt das Ergebnis der Prüfung der anschließenden Straßenbauausschreibung zugrunde.

b) Anderenfalls wird bei Straßenbaumaßnahmen im Falle von Flächen mit Prüfungsbedarf die Angebotsfrist im Rahmen der Ausschreibung so bemessen, dass es den Bewerbern möglich ist, selbst die Ermittlung des Baugrundes und der Grundwasserverhältnisse vornehmen zu lassen. Die zuständige Behörde benennt hierfür anerkannte Gutachter.

c) Der Einbau von Ersatzbaustoffen wird grundsätzlich zum Gegenstand städtischer Straßenbauvergaben gemacht, soweit es sich um Gebiete handelt, die für den Einbau von Ersatzbaustoffen laut „Merkblatt zur Ermittlung des höchsten zu erwartenden Grundwasserstandes beim Einsatz von Ersatzbaustoffen in Hamburg" geeignet sind oder deren Geeignetheit nach erfolgter Einzelfallprüfung festgestellt wurde.

2. vor einer abschließenden Entscheidung über das endgültige Verfahren die betroffene Recycling- und Bauwirtschaft anzuhören und

3. der Bürgerschaft hierüber bis zum 15. Juli 2009 zu berichten.