Kriminelle Banden in Billstedt?

Kriminelle Banden in Billstedt?

Offenbar gibt es seit einiger Zeit im Sonnenland in Hamburg-Billstedt verschärfte Probleme mit Banden, die Körperverletzungen, Drogendelikte und andere schwerwiegende Straftaten verüben und Zeugen und Polizeibeamte bedrohen. Die Polizei soll eine Sonderkommission eingerichtet haben.

Wir fragen den Senat:

1. Wie stellt sich der Sachstand im Einzelnen dar? Seit wann treten verstärkt Probleme mit Banden(-angehörigen) im Sonnenland/Billstedt auf, welche Probleme und Phänomene treten auf und wie hat sich die Situation seit dem vergangenen Jahr entwickelt?

2. Wie viele und welche kriminelle Banden gibt es nach den Feststellungen der Polizei im Bereich Sonnenland/Billstedt?

a) Wie viele Personen gehören den Gruppen jeweils an und welcher ethnischen Herkunft sind sie und welche Staatsangehörigkeit haben sie?

b) Welchen Altersgruppen sind die Banden jeweils zuzuordnen, handelt es sich um Jugendliche, um Heranwachsende oder um Erwachsene?

c) Was ist über die schulische Bildung und eine Berufstätigkeit der Bandenmitglieder bekannt?

d) Wegen welcher Straftaten sind die Gruppen jeweils auffällig geworden und seit wann?

e) Trifft es zu, dass es sich bei Personen, die den Banden zugerechnet werden, um Intensivtäter handelt? Wie viele sind als Intensivtäter bekannt, welches Alter haben sie und im Zusammenhang mit welchen Delikten sind sie wann auffällig geworden?

Im Bereich der Straßenzüge Sonnenland, Steinbeker Hauptstraße und der Siedlung Mümmelmannsberg begehen Personen verschiedener ethnischer Herkunft Gewaltdelikte, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie Verkehrsstraftaten. Dabei treten sie seit Monaten zunehmend gemeinsam in wechselnder Tatbeteiligung in Erscheinung. Im März 2009 versuchten tatverdächtige Personen in Zusammenhang mit unterschiedlichen Straftaten, Zeugen und einschreitende Polizeibeamte einzuschüchtern. Der Kern dieser Gruppierung, gegen den sich die aktuellen Ermittlungen richten, besteht nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei aus zehn männlichen Personen (zwei Heranwachsenden, acht Erwachsenen). Fünf Personen haben die deut sche, vier Personen die türkische und eine Person die afghanische Staatsangehörigkeit. Vier Personen werden als Intensivtäter (20, 21, 22 und 23 Jahre alt) geführt. Von einem Intensivtäter ist bekannt, dass er die Hauptschule besucht hat und zurzeit arbeitslos ist, ein weiterer soll als Gelegenheitsarbeiter tätig sein.

Wegen weiterer Einzelheiten sind die laufenden Ermittlungsverfahren abzuwarten.

3. Welche Maßnahmen haben die Strafverfolgungsbehörden ergriffen, um die Straftaten zu ahnden und die Situation vor Ort zu beruhigen?

Am 21. April 2009 wurde die Besondere Aufbauorganisation (BAO) Sonnenland eingerichtet. Die BAO bearbeitet deliktsübergreifend Ermittlungsverfahren gegen ortsansässige Tatverdächtige. Die Bündelung der Ermittlungen soll den Erkenntnisstand der eingesetzten Polizeibeamten bezogen auf die Taten und die Täterstrukturen verbessern und somit die Ermittlungen optimieren.

Darüber hinaus berührt die Frage die Einsatztaktik der Polizei, über die der Senat grundsätzlich keine Auskunft gibt.

Gegen vier der derzeit im Fokus der Ermittlungen stehenden Personen wurden zuvor bereits durch zwei Dienststellen der Zentraldirektion (Fachkommissariat Straßendeal/Konsumentendelikte und Zentrales Ermittlungskommissariat/Intensivtäter) Ermittlungen geführt.

a) Welche Ermittlungsverfahren, Verurteilungen und Inhaftierungen hat es in der Vergangenheit und insbesondere im vergangenen Jahr im Einzelnen gegen Personen gegeben, die den Banden zugerechnet werden?

b) Inwieweit liegen Strafanzeigen und Strafanträge vor, von wem stammen diese (Polizei und andere Behörden, Opfer von Straftaten oder Dritte?), um welche Vorwürfe geht es und inwieweit werden darin Beschuldigte namentlich benannt?

c) Wegen welcher Delikte wird derzeit im Einzelnen ermittelt? Inwieweit und seit wann gibt es insbesondere Vorwürfe im Zusammenhang mit der Bildung krimineller Vereinigungen und der Bedrohung potenzieller Zeuginnen und Zeugen?

Im Hinblick auf die Vorschriften des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) und das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen wird davon abgesehen, etwaige Strafverfahren mitzuteilen, die durch einen Freispruch oder eine Einstellung beendet worden sind oder nach Maßgabe des BZRG nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen sind. Im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht der Heranwachsenden wird darüber hinaus davon abgesehen, Angaben über laufende Ermittlungsverfahren und noch nicht abgeschlossene Strafverfahren zu tätigen.

Soweit bezüglich einzelner noch offener Ermittlungsverfahren gegen Erwachsene ermittlungstaktische Erwägungen einer Auskunftserteilung entgegenstehen, wird ebenfalls von einer Mitteilung abgesehen.

Gegen drei erwachsene Personen laufen Ermittlungsverfahren; gegen eine Person wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, gegen eine weitere Person wegen Leistungserschleichung und gegen eine andere Person wegen Körperverletzung.

Hinsichtlich fünf weiterer erwachsener Personen existieren folgende Verfahren:

· für eine Person zwei abgeschlossene Verfahren:

- Urteil des Landgerichts Hamburg vom 28. April 2008 wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung (Datum der (letzten) Tat: 14. Mai 2007) über eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen,

- Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 13. Januar 2009 wegen Beihilfe zum unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln (Datum der (letzten) Tat: 6. März 2007) über eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen.

· für eine weitere Person vier abgeschlossene Verfahren:

- Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 16. Mai 2006 wegen Betruges und Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwei Fällen (Datum der (letzten) Tat: 3. November 2005) über eine Geldstrafe von 70

Tagessätzen,

- Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 18. Februar 2008 wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwei Fällen (Datum der (letzten) Tat: 24. November 2005) über eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen,

- Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 8. April 2008 wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung (Datum der (letzten) Tat: 15. Oktober 2007) über eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen.

Die beiden letztgenannten Verurteilungen wurden durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 4. Juni 2008 nachträglich zu einer Gesamtgeldstrafe von 130

Tagessätzen zurückgeführt.

- Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 21. Januar 2009 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Datum der (letzten) Tat: 4. November 2008) über eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen.

Gegen diese Person ist zudem ein laufendes Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen § 21 StVG anhängig.

· für eine weitere Person zwei abgeschlossene Verfahren:

- Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 10. Januar 2008 wegen gefährlicher Körperverletzung (Datum der (letzten) Tat: 6. Oktober 2007) über ein Jahr Freiheitsstrafe, Bewährungszeit bis 17. Januar 2011,

- Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 27. Oktober 2008 wegen Missbrauchs von Notrufen (Datum der (letzten) Tat: 21. September 2008) über eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen.

Gegen diese Person ist ein laufendes Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung anhängig; am 20. März 2009 ist zudem Anklage vor dem Amtsgericht Hamburg wegen des Vorwurfes der Beleidigung und Bedrohung erhoben worden.

· für eine weitere Person sechs abgeschlossene Verfahren:

- Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 11. Juni 1998 wegen räuberischer Erpressung sowie gemeinschaftlichen Raubes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung und gemeinschaftlicher Körperverletzung (Datum der (letzten) Tat: 20. Februar 1998) über zwei Jahre Freiheitsstrafe, Bewährungszeit fünf Jahre, Strafaussetzung widerrufen, Strafvollstreckung erledigt am 10. Mai 2003, Führungsaufsicht bis 7. August 2006,

- Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18. November 1999 wegen zweifacher vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und Bedrohung (Datum der (letzten) Tat: 21. Februar 1999) über sechs Monate Freiheitsstrafe, Bewährungszeit bis zum 5. April 2004, Strafaussetzung widerrufen, Strafvollstreckung erledigt am 2. Juli 2002,

- Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 5. Juli 2001 wegen gefährlicher Körperverletzung (Datum der (letzten) Tat: 13. November 2000) über neun Monate Freiheitsstrafe, Strafvollstreckung erledigt am 7. August 2003,

- Urteil des Amtsgerichts Pinneberg vom 21. Februar 2008 wegen Beleidigung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (Datum der (letzten) Tat: 24. Juni 2007) über eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen,

- Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 28. April 2008 wegen vorsätzlicher Körperverletzung (Datum der (letzten) Tat: 13. Oktober 2007) unter Einbeziehung der Entscheidung des Amtsgerichts Pinneberg vom 21. Februar 2008 über eine Geldstrafe von 160 Tagessätzen,

- Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 17. November 2008 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen (Datum der (letzten) Tat: 10. Juli 2008) über eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen.

Gegen diese Person wird wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ermittelt; am 30. Januar 2009 wurde gegen diese Person Anklage vor dem Amtsgericht Hamburg wegen Körperverletzung erhoben; am 26. November 2008 war bereits Anklage vor dem Amtsgericht Hamburg wegen Bedrohung und am 23. Oktober 2008 vor dem Amtsgericht Hamburg wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung erhoben worden.

· sowie für eine weitere Person fünf abgeschlossene Verfahren:

- Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 18. April 1994 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in vier Fällen mit Waffen (Datum der (letzten) Tat:

8. Oktober 1993) über eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, Bewährungszeit drei Jahre, Strafaussetzung widerrufen, Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis zum 20. März 2005, Bewährungszeit verlängert bis zum 20. März 2006, Strafrest erlassen mit Wirkung vom 17. März 2006,

- Urteil des Landgerichts Hamburg vom 25. Juli 1995 wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes in vier Fällen und schwerer räuberischer Erpressung in acht Fällen (Datum der (letzten) Tat: 11. November 1994) über acht Jahre Freiheitsstrafe, Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis zum 20. März 2005, Bewährungszeit verlängert bis zum 20. März 2006, Strafrest erlassen mit Wirkung vom 17. März 2006,

- Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 8. November 2000 wegen vorsätzlicher Körperverletzung (Datum der (letzten) Tat: 22. April 2000) über fünf Monate Freiheitsstrafe, Strafvollstreckung erledigt am 8. Juni 2001,

- Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 13. Juni 2008 wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz (Datum der (letzten) Tat: 27. Juni 2007) über eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen,

- Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 28. Juli 2008 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln (Datum der (letzten) Tat: 14. März 2008) über eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, Bewährungszeit bis zum 26. Januar 2012.

Die übrigen zur Beantwortung benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst. Eine Einzelfallauszählung ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich.

d) Wie ist die Strafverfolgung auf polizeilicher Seite organisiert? Seit wann gibt es die Sonderkommission, welchen Auftrag hat sie und wie setzt sie sich zusammen? Wie viele und welche Stellen haben die polizeilichen Ermittlungen vorher geführt?

Siehe Antwort zu 3.

4. Gibt es vergleichbare Entwicklungen in anderen Stadtteilen?

a) Gab es entsprechende Entwicklungen im vergangenen Jahr und wie wurde darauf reagiert?

b) Gibt es (oder gab es im vergangenen Jahr) weitere regionale Gebiete in Hamburg, um die sich vorübergehend besondere organisatorische Einheiten der Polizei kümmern? Um welche Stadtteile und um welche Deliktsarten geht oder ging es dabei?

Nein.