Kunstflugshow beim Hafengeburtstag
Eine Kunstflugstaffel aus der Schweiz beim diesjährigen Hamburger Hafengeburtstag hat Unmut und Besorgnisse bei manchen Besuchern und Anwohnern ausgelöst. Nach Beschwerden etwa wegen der Lärmbelästigung und der Flughöhe zogen die Veranstalter Konsequenzen.
Kunstflugshows sind in Deutschland wegen der Unfallgefahr umstritten. 1988 waren 70 Menschen im rheinland-pfälzischen Ramstein ums Leben gekommen, als drei Militärjets einer italienischen Kunstflugstaffel kollidierten und eine brennende Maschine in die Zuschauermenge stürzte. Kurz darauf wurden Kunstflugvorführungen in Deutschland verboten. Inzwischen sind sie offenbar unter bestimmten Auflagen wieder erlaubt.
Wir fragen den Senat:
1. Wer hat wann und warum die Entscheidung getroffen, die Kunstflugstaffel aus der Schweiz in das Programm des Hafengeburtstages aufzunehmen?
Im Jahr 2007 sprach der Präses der Behörde für Wirtschaft und Arbeit (BWA) eine Einladung an das Generalkonsulat der Schweiz aus, im Rahmen der Partnerschaft der Schweiz beim 820. Hafengeburtstag Hamburg die Patrouille Suisse innerhalb des Luftprogramms zu präsentieren. Da die Kunstflugstaffel der Schweizer Luftwaffe zu den begehrtesten Flugstaffeln der Welt gehört, erschien dem Einladenden ihre Einbindung in die Programmpunkte als Bereicherung für den Hafengeburtstag.
2. Inwieweit wurde die zuständige Behördenleitung (Senator/Staatsrat) und/oder der Senat wann und in welcher Weise hiermit befasst? Mit welchem Ergebnis?
Zum Zeitpunkt der Einladung vertrat der Präses der BWA die Freie und Hansestadt Hamburg als Veranstalterin des Hafengeburtstags. Im Übrigen siehe Antwort zu 1.
3. Inwieweit wurden welche anderen Behörden in Vorbereitung des Besuchs der Kunstflugstaffel um Stellungnahme gebeten? Mit welchem Ergebnis?
Die Einholung von Stellungnahmen anderer Behörden für eine Einladung der Patrouille Suisse ist seitens des Veranstalters nicht erforderlich. Im Vorfeld der Flugzeugvorführung waren die BWA, die Behörde für Inneres (BfI), die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU), die Behörde für Kultur, Sport und Medien (BKSM) und die Senatskanzlei mit dem Vorgang befasst.
4. Wie stellt sich die Rechtslage für die Genehmigungsfähigkeit von Kunstflugshows nach der Katastrophe von Ramstein im Einzelnen dar?
Auf der Grundlage von § 24 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) ist in den Nachrichten für Luftfahrer (NfL) I 68/96 geregelt, dass Kunstflug mit strahlgetriebenen Flugzeugen verboten ist.
5. Welche (Ausnahme-)Genehmigungen wurden für die Hamburger Flugshow wann, von wem, an wen, warum und auf welcher Rechtsgrundlage erteilt?
Die Luftfahrtveranstaltung anlässlich des 820. Hafengeburtstags Hamburg wurde am 28. April 2009 aufgrund des Antrags des Veranstalters vom 2. April 2009 auf der Rechtsgrundlage des § 24 LuftVG i.V.m. §§ 73 bis 75 der Luftverkehrs-ZulassungsOrdnung (LuftVZO) vom Referat Luftverkehr genehmigt. Die Vorführungen der Patrouille Suisse beinhalteten keine Kunstflugelemente, sondern ausschließlich Formationsflüge.
6. Welche genauen Auflagen hinsichtlich Lärm, Flughöhe, Flugroute und gegebenenfalls weiterer sicherheitsrelevanter Gesichtspunkte wurden dafür wann, von wem, warum und auf welcher Rechtsgrundlage verfügt?
Auf der Grundlage des § 75 LuftVZO wurde eine Flugbetriebsanweisung an alle Teilnehmer der Luftfahrtveranstaltung übermittelt. In den für die Patrouille Suisse relevanten Teil flossen die Bestimmungen der NfL 68/96 sowie die Empfehlungen einer von der Deutschen Flugsicherung (DFS) erstellten gutachterlichen Stellungnahme unmittelbar ein. Die allgemeinen Regelungen lauten: „Als allgemeine Bedingung gilt, dass nur Flugmanöver zugelassen sind, die von dem Luftfahrzeug im Rahmen seines eigentlichen Verwendungszweckes durchgeführt werden dürfen (siehe Musterzulassung und das genehmigte Flughandbuch). Kunstflug ist nicht zulässig! Die Durchführung von Kunstflugfiguren führt zum sofortigen Ausschluss von der Luftfahrtveranstaltung. Alle Flugbewegungen der Patrouille Suisse werden einzeln von der genehmigenden Stelle (Referat Luftverkehr Hamburg) nach beratender Beurteilung eines Sachverständigen auf ihre Durchführbarkeit, insbesondere hinsichtlich ihres Gefährdungspotentials, theoretisch sowie im Rahmen eines Abnahmefluges praktisch überprüft. Grundsätzlich gilt: Das Überfliegen des Zuschauerbereiches ist ebenso wie der direkte stabilisierte Anflug dieses Bereiches verboten."
Als Flugbetriebsverfahren im Vorführraum wurden angeordnet: „Die Flugvorführungen der Patrouille Suisse sind unter Beachtung der Bestimmungen der LuftVO und der NfL I 68/96 ausschließlich bei Sichtwetterbedingungen durchzuführen. Es dürfen nur von der Genehmigungsbehörde freigegebene Flugmanöver/ Fluglagen geflogen werden.
Diese müssen dem Normalflugbetrieb entsprechen, wie er von zivilen für den Personen- und/oder Materialtransport zugelassenen strahlgetriebenen Flugzeugen vorgeführt werden darf. Normalflugbetrieb bedeutet: Start, Steigflug, Geradeausflug, Vorbeiflug, Kurvenflug, Sinkflug ohne abrupte Fluglagen. Der räumliche Vorführbereich wurde (...) bereits beschrieben. Die Flüge sind nur zulässig, wenn folgende Rahmenbedingungen erfüllt sind:
· Es stehen alle Start-/ Landebahnen am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel zur Verfügung.
· An- und Abflüge am Sonderlandeplatz Finkenwerder werden während der Vorführungen nicht zugelassen.
· Sämtliche Vorführflüge werden ohne Transponder Mode C durchgeführt.
· Die ASR Hamburg ist in Betrieb.
Nach § 25 LuftVO besteht eine Flugplanpflicht. Die Displays sind spätestens 30 Minuten vor dem geplanten Beginn unter Angabe des geplanten Zeitfensters (ca. 25 Minuten) beim Kontrollturm Hamburg unter der Telefonnummer 507 117 200 anzumelden.
Bei der Anmeldung teilt der Kontroller die für den Flug einzuhaltende Funkfrequenz mit. Der Kontrollturm Hamburg koordiniert die Zeiträume mit dem Supervisor Center Bremen. Ein Verlassen der Gebiete ohne vorherige Genehmigung durch die Flugsicherungsstelle führt zum sofortigen Abbruch des Displays. Aus Sicherheitsgründen kann einer unmittelbaren Wiederholung des Vorführprogramms nicht zugestimmt werden. Ausgenommen hiervon sind einfache Vorbeiflüge. Luftfahrzeuge im gewerblichen Luftverkehr sowie insbesondere alle Luftfahrzeuge in Not- und Gefahrenlagen und im Such- und Rettungsdienst haben Vorrang. Es erfolgt eine Einweisung/ mündliches Briefing des Staffelführers durch die DFS Hamburg im Beisein eines Sachverständigen und des Leiters des Luftfahrtprogramms vor Beginn des Abnahmefluges. Südlich an das Vorführgebiet schließen sich Lufträume der Klassen E und G an. In diesem Bereich ist mit erhöhtem Flugverkehrsaufkommen nach Sichtflugregeln zu rechnen (Plane Spotter). Es ist damit zu rechnen, dass diese Luftfahrzeuge keinen Abstand zum Vorführraum einhalten. Im Gefährdungsfall bricht der Supervisor Kontrollturm die Vorführung ab. Seinen Anweisungen ist unbedingt unverzüglich Folge zu leisten. Ein Verfahren hierzu ist abzustimmen.
Sicherheitsabstand zum Zuschauerbereich: strahlgetriebene Flugzeuge: taktische Verfahren 350 m sonstige Vorführungen 230 m Mindestflughöhen über Grund oder Wasser: strahlgetriebene Flugzeuge: 450 ft."
Darüber hinaus wurde auf Antrag des Referates Luftverkehr vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ein Verfahrensluftraum in Form eines „Gebietes mit besonderen Beschränkungen" festgelegt, in den während der Vorführungen der Patrouille Suisse ausschließlich die Flugzeuge dieser Staffel einfliegen durften.
Alle weiteren Flugbewegungen der Staffel (Transferflüge vom und zum Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel, Bereitstellungsflüge zur Sammlung und Wiedervereinigung der Staffel) wurden seitens der DFS, Kontrollturm Hamburg, unter der Maßgabe der Sicherheit des Luftverkehrs geleitet. Aus Lärmschutzgründen erfolgten die Transferflüge sowie der Bereitstellungsflüge in einer Höhe von mindestens 2.500 Fuß über Grund. Dies entspricht einer Flughöhe von 500 Fuß (circa 170 m) oberhalb der luftrechtlich vorgegebenen sogenannten Sicherheitsmindestflughöhe.
7. Welche Sicherheitsvorkehrungen haben die städtischen Stellen ihrerseits im Hinblick auf die Flugshow getroffen?
Während der gesamten für Flugvorführungen vorgesehenen Zeit standen folgende Hilfs- und Unterstützungseinrichtungen bereit: Unmittelbar bei der Flugkoordination in der Einsatzzentrale des Hafengeburtstags war eine Rettungs- und Einsatzleitstelle der Feuerwehr (Hafen) eingerichtet. Die Leitstelle der Wasserschutzpolizei sowie die Ansprechstelle der Schutzpolizei befanden sich im selben Gebäude, in dem auch die Flugkoordination untergebracht war. Sie waren zusätzlich über das „Feldtelefon Moderation" zu erreichen. Die Einsatzleitung der Feuerwehr (Land) sowie die Leitstelle des beauftragten Rettungsdienstes befanden sich vor den St. Pauli Landungsbrücken. Die zu ergreifenden Maßnahmen bei einem Flugunfall waren in einem Notfallplan dargelegt. Im Übrigen siehe Antwort zu 6.
8. Inwieweit haben die Verantwortlichen der Kunstflugstaffel vollständig genehmigungs- und auflagenkonform ihre Flugshow absolviert (bitte Verstöße detailliert darstellen)? Im Falle von Verstößen: Welche Konsequenzen wird dies haben?
Nach Aussage der Deutschen Flugsicherung wurde die Flughöhe bei den Transferflügen sowie während der Bereitstellungsflüge eingehalten. Auch während der Vorführungen wurde eine Verletzung der vorgegebenen Mindestflughöhe sowie des Abstandes zu den Zuschauern nicht beobachtet. Auch alle weiteren in der Flugbetriebsanweisung enthaltenen Auflagen wurden eingehalten.
9. Wer hat behördlicherseits wann, wie, warum und welche Veränderungen am Flugshow-Programm verfügt beziehungsweise angeregt? Inwieweit wurde welche Behördenleitung darin eingebunden?
Von der Veranstalterin waren insgesamt sechs Vorführungen der Patrouille Suisse vorgesehen. Nach eingehender Erörterung im Referat Luftverkehr am 7. Mai 2009 sind drei dieser Termine ersatzlos gestrichen worden, um eine Reduzierung der Lärmbelastung zu erzielen. Im Weiteren wurden am 8. Mai 2009 eine Vergrößerung des Abstandes zu den Zuschauern sowie die Erhöhung der Mindestflughöhe von 450
Fuß auf 800 Fuß durch den Leiter der Luftfahrtveranstaltung verfügt. Dies geschah nach den ersten Berichten der Medien, um auf das subjektive Sicherheits- und Lärmempfinden der Zuschauer zu reagieren. Über diese Entscheidung wurden die Veranstalterin sowie die Genehmigungsbehörde informiert.
10. Wie viele Beschwerden, Hinweise, Notrufe und dergleichen von Bürgerinnen und Bürgern haben öffentliche Stellen in den Tagen des Hafengeburtstags wegen des Einsatzes der Kunstflugstaffel erreicht?
Bei den Behörden gingen mit Stand vom 13. Mai 2009 (14 Uhr) 183 Beschwerden in Form von E-Mails und Anrufen ein. Die Anzahl der bei den Polizeidienststellen eingegangenen Beschwerden wurde statistisch nicht erfasst. Weiterhin wurden zwei Strafanzeigen wegen fahrlässiger Körperverletzung und eine Ordnungswidrigkeitenanzeige wegen Lärmbelästigung durch die Polizei aufgenommen.
11. Welche Kosten sind bei wem für die Kunstflugshow entstanden?
Die Flugvorführung war ein Geschenk der Schweiz an die Freie und Hansestadt Hamburg. Für die Unterbringung, Verpflegung und den Transport der Crew der Patrouille Suisse sind dem Veranstalter des Hafengeburtstags Kosten in Höhe von circa 10. Euro entstanden.
12. Welche Konsequenzen ziehen Senat beziehungsweise zuständige Behörde aus der Diskussion um die Flugshow?
13. Wie verträgt sich die auch mit erheblichem Energieverbrauch verbundene Flugshow im Übrigen mit Hamburgs Anspruch, Europäische Umwelthauptstadt 2011 zu sein?
Derzeit bestehen keine Planungen, Luftfahrtprogramme erneut in das Programm des Hafengeburtstages einzubeziehen.