Akupunktur bei Alkohol- und Drogenproblemen und Schließung der „Palette 4"

Akupunktur wird seit Jahren erfolgreich bei der Behandlung auch von Alkohol-, Opiat- und Kokainabhängigkeit sowohl stationär als auch ambulant eingesetzt.

Trotz der wiederholten Erklärungen des Senates und der BAGS, sich ­ neben einer generellen Anerkennung von Akupunktur durch den Bundesausschuß Ärzte und Krankenkassen ­ nachdrücklich für zwischenzeitliche Einzelfallentscheidungen seitens der Krankenkassen einzusetzen und dies im eigenen Zuständigkeitsbereich als Sozialhilfeträger auch zu finanzieren, ist immer wieder von erheblichen Schwierigkeiten und Nichtbewilligungen auch durch Sozialämter zu hören.

Ich frage deshalb den Senat.

An der im Regierungsprogramm formulierten Absicht, Ohr-Akupunktur in der Suchttherapie in verstärktem Maße erproben zu lassen, wird unverändert festgehalten. Durch zwischenzeitlich ergangene verwaltungsinterne Regelungen wurden die notwendigen Schritte eingeleitet, um eine einheitliche und bedarfsgerechte Finanzierungspraxis für nichtkrankenversicherte Akupunkturpatienten zu gewährleisten. Auch die Einrichtung Palette 4 wird hierdurch bei der Refinanzierung erbrachter Einzelleistungen deutlich bessergestellt als bisher. Eine Schließung der Einrichtung Palette 4 ist im übrigen bisher nicht erfolgt.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. In welcher Weise hat sich der Senat bemüht, den einstimmigen Beschluß der Bezirksversammlung Eimsbüttel vom 25. Februar 1999, Drucksache 582/XV, umzusetzen, sich für die Fortführung und die Anschlußfinanzierung der Einrichtung „Palette 4" einzusetzen und gleichzeitig die Verhandlungen mit den Krankenkassen zur Kostenübernahme der Akupunkturtherapie wieder aufzunehmen?

Die zuständige Fachbehörde hat unabhängig vom Beschluß der Bezirksversammlung Eimsbüttel die Möglichkeiten einer zweckgebundenen Mittelgewährung geprüft und entsprechende Gespräche mit dem Trägerverein geführt. Palette e.V. hatte Ende des vergangenen Jahres die Schließung des Projektes angekündigt, ohne zum damaligen Zeitpunkt einen Fehlbedarf näher zu beziffern oder einen hierauf gerichteten Antrag an die Fachbehörde zu richten. Qualitative und quantitative Angaben für eine projektbezogene Kostenkalkulation wurden erstmals am 9. Februar 1999 vorgelegt.

Angesichts der bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Deckungslücke war offenkundig, dass es sich weder um eine „Anschlußfinanzierung" noch um eine „Anschubfinanzierung" handeln würde; selbst bei vollständiger Refinanzierung der Einzelleistungen durch die vorrangigen Kostenträger hätte der Träger nach eigener Einschätzung infolge hoher Abbrecherquoten keine vollständige Kostendeckung erreichen können. Da es dem Trägerverein somit nicht gelang, ein schlüssiges und tragfähiges Finanzierungskonzept vorzulegen, konnten die beantragten Mittel nicht bewilligt werden.

Im übrigen wird dem Anliegen der Bezirksversammlung durch die bestehenden Kontakte zwischen Fachbehörde und Krankenkassenverbänden entsprochen, ohne dass es hierzu gesonderter Verhandlungen bedürfte.

2. Trifft es zu, dass das Akupunktur-Projekt „Palette 4" eine wissenschaftliche Begleitforschung seiner Arbeit hat vornehmen lassen? Wenn ja, liegen dem Senat die Untersuchungsergebnisse vor, wie bewertet er sie ggf. und welche konkreten Konsequenzen zieht er daraus?

Ja. Der Fachbehörde ist die Studie am 14. April 1999 durch die in Hamburg ansässige deutsche Sektion der „National Acupuncture Detoxification Association (NADA) e.V." zur Verfügung gestellt worden.

Eine Bewertung der hierin enthaltenen Befunde wird derzeit vorgenommen; zu eventuellen Konsequenzen sind noch keine Aussagen möglich.

3. Seit wie vielen Jahren jeweils wird in welchen hamburgischen Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe regelmäßig Akupunkturbehandlung vorgenommen?

Im stationären Bereich setzt die unter der Trägerschaft von Therapiehilfe e.V. geführte Fachklinik Bokholt (vormals „Reha-Klinik Agethorst") seit Frühjahr 1991 in der Entzugsbehandlung gezielt Ohr-Akupunktur ein.

Palette e.V. hat in seinem ambulanten Projekt Palette 4 ab September 1997 mit einem solchen Behandlungsangebot begonnen, seit Sommer 1998 behandeln die Drogenambulanzen GmbH sowie das in der Trägerschaft der Martha-Stiftung stehende Sozialtherapeutische Zentrum Hummelsbüttel Suchtpatienten regelmäßig mit Akupunktur.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Projekte der ambulanten Drogenhilfe, die Akupunktur als methodische Ergänzung ihrer sonstigen Angebote vorhalten.

4. a) In wie vielen Fällen wurden jeweils in den vergangenen drei Jahren bis heute Akupunkturbehandlungen auf der Grundlage von § 37 BSHG seitens der Stadt bewilligt?

b) Welche entsprechenden Zahlen hinsichtlich Einzelfallgenehmigungen liegen dem Senat aus dem Bereich der hamburgischen Krankenkassen vor?

Entsprechende Daten für Akupunkturbehandlungen werden bisher weder bei den Krankenkassenverbänden noch beim Sozialhilfeträger erhoben. Die erfragten Angaben wären deshalb nur durch eine Auswertung aller Einzelfälle zu ermitteln. Dieses ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

5. a) Mit welchen Projekten welcherTräger im Drogen- und Suchtkrankenhilfebereich hat der Senat jeweils in 1997, 1998 und für das laufende Jahr im Rahmen von Zuwendungsverträgen bzw. -bescheiden, Leistungsbeschreibungen o.ä. bei Zuwendungen die Einbeziehung von Akupunktur vereinbart bzw. genehmigt?

b) Aus jeweils welchem Haushaltstitel und in jeweils welchem Umfang erfolgte die Finanzierung bzw., wenn nicht aus Haushaltsmitteln, aus welchen Mitteln dann?

Es gibt keine Projekte, bei denen in Zuwendungsbescheiden, -verträgen oder Leistungsbeschreibungen eine Mittelverwendung für die Durchführung der Ohr-Akupunktur vorgesehen ist. Die Drogenambulanzen GmbH ist angesichts ihrer besonderen Stellung, im Rahmen einer Institutsermächtigung an der vertragsärztlichenVersorgung teilnehmen zu können, durch den Zuwendungsvertrag gehalten, Einnahmen insbesondere über die vorrangigen Kostenträger zu erzielen. Dies gilt auch für Akupunkturmaßnahmen.

Eine Zuwendungsgewährung für die Durchführung der Ohr-Akupunktur wird von der zuständigen Fachbehörde insbesondere vor dem Hintergrund der geltenden allgemeinen Förderungsgrundsätze und der für die Akupunktur in der Suchttherapie zwischenzeitlich erlassenen einheitlichen Verfahrensvorgaben auch künftig nicht in Betracht gezogen.

6. a) Liegen dem Senat Anträge weiterer Zuwendungsempfänger bzw.Träger auf Finanzierung von Akupunkturbehandlung vor? Wenn ja, von wann seitens welcher Träger für welche Projekte in jeweils welchem finanziellen Umfang?

Nein.

6. b) Über welche dieser Anträge hat der Senat bzw. welches Amt wann mit jeweils welcher Begründung negativ entschieden?

Entfällt.

7. Hält der Senat auch heute noch seine vor längerer Zeit ­ bei Vorlage eines Konzeptes zur Drogenbekämpfung ­ geäußerte Auffassung aufrecht, es werde ­ neben dem Bemühen, Drogentherapie an das Regelwerk der gesundheitlichen Versorgung im gegliederten System zu koppeln und Sucht als Krankheit anzuerkennen ­ „der staatlichen Initiative vorbehalten bleiben müssen, neue und noch nicht im Rechtsrahmen der Gesundheitsversorgung verankerte Wege zu eröffnen, ungewöhnliche oder neue Wege modellhaft zu erproben oder auch defizitausgleichend in sozialpolitisch bedeutsamen Bereichen zu wirken"? Wenn nein, warum nicht mehr? Wenn ja, gilt die Aussage bezüglich eines Defizitausgleichs auch hinsichtlich der Akupunktur bzw. warum dort ggf. nicht?

Die zitierte Aussage bezieht sich auf Maßnahmen, bei denen rechtliche Grundlagen nicht oder noch nicht hinreichend spezifiziert sind. Dies betrifft sowohl den Betrieb von Gesundheitsräumen als auch die nähere Ausgestaltung der wissenschaftlichen Erprobung ärztlich kontrollierter Heroinvergabe. Eine analoge Anwendung dieser Erwägungen auf die Akupunktur kommt angesichts des bereits vorhandenen rechtlichen Rahmens im SGB V nicht in Betracht.

8. Gibt es in Hamburg einen Arbeitskreis o.ä., in dem sich die im Drogen- und Suchtbereich Akupunktur anbietenden Einrichtungen und Träger zum Informations- und Erfahrungsaustausch sowie zur Entwicklung von Qualitätsstandards regelmäßig treffen?Wenn ja, seit wann, wo ist er angesiedelt und wer organisiert ihn? Wenn nein, hält der Senat einen solchen Arbeitskreis für sinnvoll und was wird er ggf. konkret für dessen Einrichtung tun?

Ja. Soweit der zuständigen Behörde bekannt ist, besteht seit 1998 ein regelmäßiger Erfahrungs- und Informationsaustausch freierTräger, der von der Landesstelle gegen die Suchtgefahren organisiert wird.

9. Gibt es in Hamburg Qualitätsstandards zur Akupunkturbehandlung von Suchtkranken?

Wenn ja, wer hat diese erarbeitet und wann ggf.mit wem wurden diese abgestimmt? Wenn nein, hält der Senat die Entwicklung derartiger Standards für sinnvoll und was wird er ggf. in dieser Hinsicht konkret unternehmen?

Nein.Qualitätsentwicklung und -sicherung wird künftig Aufgabe der die Akupunktur durchführenden Einrichtungen sowie der Selbstverwaltung der Heilberufe werden müssen. Hierzu wird auch die Fachbehörde die aus ihrer Sicht notwendigen Impulse geben.

10. a) Warum hat der Senat ­ wie in Drucksache 16/1712 erklärt ­ nicht vor, Maßnahmen der externen wissenschaftlichen Begleitforschung bei Akupunkturbehandlung in Hamburg durchführen zu lassen, obwohl er in seinem „Suchtbericht" erklärt, dass hierzu Reichweite und Wirksamkeit geprüft werden sollten?

Der Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit dieser Methode erfordert zunächst eine sorgfältige Dokumentation

­ des jeweiligen Patientenstatus bei Behandlungsbeginn,

­ der Umsetzung der Behandlungsplanung und

­ der Entwicklung im Therapieverlauf.

Sobald eine entsprechend systematisierte einheitliche Dokumentation etabliert ist, kann auf dieser Grundlage der jeweilige Zielerreichungsgrad und damit die Wirksamkeit der Methode extern evaluiert werden. Über eine externe wissenschaftliche Begleitforschung ist somit erst zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden.

10. b) Liegen nach Auffassung des Senats ausreichend Untersuchungen vor, um Akupunkturbehandlung in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen?

Die Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung fällt in die Zuständigkeit des Bundesausschusses Ärzte und Krankenkassen und unterliegt nicht der Beurteilung durch den Senat.

11. a) Plant der Senat ­ abgesehen vom Akupunktur-Projekt im Strafvollzug ­ weitere konkrete Projekte zur Akupunkturbehandlung bei Abhängigkeitserkrankungen in Hamburg? Wenn ja, welche Maßnahmen, Projekte, Einrichtungen o.ä. konkret mit welchen Trägern und mit jeweils welcher Finanzierung aus welchen Haushaltstiteln?

b) Ist ggf.beabsichtigt, diese neuen Projekte allgemein auszuschreiben? Wenn nein, warum nicht bzw. welche Träger kämen in diesem Fall nach Ansicht des Senats dafür in Frage?

Nein. Mit der Einzelfallfinanzierung durch Krankenkassen und Sozialhilfeträger kann eine bedarfsgerechte Versorgung sichergestellt werden.