Heilbehandlung

Selbstverständlich war es für die Aufsichtskommission bei dem beinahe ein Jahr zurückliegenden Ereignis nicht möglich zu entscheiden, ob zum Zeitpunkt der Aufnahme objektiv die Gefahr der Selbsttötung bestanden hatte. Auf Grund der Gespräche und der Eintragungen in den Akten war für die Aufsichtskommission aber sehr wohl nachvollziehbar, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Klinik den Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt als hoch suizidal einschätzen mußten und nicht von der Freiwilligkeit einer stationären Behandlung ausgehen konnten. Die Aufsichtskommission konnte daher keinen Verstoß gegen § 9 HmbPsychKG erkennen. Auch die übrigen Vorwürfe (Verstöße gegen §§ 7, 14 (1), 15 und 32 (1) HmbPsychKG) waren nach Einschätzung der Aufsichtskommission unbegründet.

Darüber hinaus hatte der Beschwerdeführer geklagt, dass der Nichtraucherschutz sowohl in der Tagesklinik, als auch auf der geschlossenen Station nicht gewahrt war und die hygienischen Verhältnisse im Toilettenbereich der Station unzureichend seien. Wenn auch ein vollständiges Rauchverbot auf einer geschlossenen psychiatrischen Station sicher nicht durchsetzbar ist und die räumliche Situation in Eilbek eine strikte Trennung von Aufenthaltsräumen nach Rauchern und Nichtrauchern nicht zuläßt, so muss es um so mehr ­ und hier konnte die Aufsichtskommission dem Beschwerdeführer nur recht geben ­ Aufgabe der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sein, soweit als eben möglich, für den Schutz der Nichtraucher zu sorgen. Die Ausstattung der geschlossenen Station der psychiatrischen Abteilung mit Sanitärräumen ist in der Tat unzureichend, und in diesem Punkt konnte die Beschwerde nur als begründet angesehen werden.

Einzelfälle

1. Bei einem turnusmäßigen Besuch in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie Eilbek wurde die Aufsichtskommission auf den Fall einer Patientin aufmerksam, die seit vier Tagen ohne Unterbringungsbeschluß geschlossen untergebracht war, ohne dass bis dahin eine richterliche Anhörung stattgefunden hatte. Die Patientin war von ihrer Betreuerin ins AK Eilbek gebracht worden mit der Maßgabe, sie dort wegen Gefahr im Verzug gemäß § 1906 Absatz 2 Satz 2 BGB festzuhalten. Hierzu war die Betreuerin u. a. mit dem Wirkungskreis Aufenthaltsbestimmungsrecht auch berechtigt. Noch am gleichen Tag waren von der Betreuerin der Antrag auf Unterbringung und vom zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienst ein Attest an das zuständige Amtsgericht gefaxt worden. Vier Tage später war es noch zu keiner richterlichen Anhörung gekommen, und dies war nach Ansicht der Aufsichtskommission mit der im Gesetz vorgeschriebenen Unverzüglichkeit der richterlichen Anhörung nicht vereinbar. Die Aufsichtskommission nahm daher Kontakt mit dem zuständigen Amtsgericht auf. Von dort wurde die Verzögerung ­ die Anhörung fand tatsächlich am siebten Tag nach Aufnahme statt ­ mit dem Eintreffen des Antrages auf Unterbringung an einem späten Freitag nachmittag und mit Unzulänglichkeiten auf Grund der Reorganisation des Amtsgerichtes begründet. Die Aufsichtskommission ist dennoch der Ansicht, dass die richterliche Anhörung spätestens am ersten Werktag nach Eintreffen des Unterbringungsantrages hätte erfolgen müssen.

2. Bei einem turnusmäßigen Besuch der Aufsichtskommission im Klinikum Nord ­ Betriebsteil Ochsenzoll, wurde die Aufsichtskommission von einer Mitarbeiterin darauf hingewiesen, dass wenige Tage zuvor ein nach § 12 HmbPsychKG eingewiesener Patient von einem freigemeinnützigen Krankentransportunternehmen mit Handschellen gefesselt ohne Polizeibegleitung zur Aufnahme gebracht worden war. Da für die Zuführung zwangseingewiesener Patientinnen und Patienten unzweifelhaft der Zuführdienst des Wirtschaftsund Ordnungsamtes zuständig ist und keinesfalls ein privater oder freigemeinnütziger Krankentransport allein, d. h. ohne Begleitung der in Amtshilfe zuständigen Polizei, diese hoheitliche Aufgabe wahrnehmen darf, hat sich die Aufsichtskommission umgehend beim Wirtschafts- und Ordnungsamt Altona nach dem Sachverhalt erkundigt.

Das Wirtschafts- und Ordnungsamt hatte mit der zuständigen Polizeirevierwache in diesem konkreten Fall abgesprochen, dass wegen Eilbedürftigkeit der Patient in Amtshilfe von der zuständigen Polizeirevierwache in Zusammenarbeit mit einem Krankentransportauto in das Klinikum Nord gefahren werden sollte. Entgegen den eindeutigen Regelungen hatten, nach Auskunft des Revierführers der zuständigen Polizeiwache, die Mitarbeiter auf die erforderliche Begleitung des Transportes durch mindestens einen Polizeivollzugsbeamten verzichtet. Dies ist vom zuständigen Revierführer gegenüber den Mitarbeitern beanstandet und in einem Konfliktgespräch gerügt worden.

3. Bei einem Routinebesuch in der Evangelischen Stiftung Alsterdorf stieß die Aufsichtskommission auf einen Untergebrachten im Behindertenbereich mit einem Beschluß nach § 9 Absatz 2 HmbPsychKG. Hierzu ist anzumerken, dass der Behindertenbereich der Ev. Stiftung Alsterdorf keine Beschlüsse nach dem HmbPsychKG vollziehen darf. Lediglich die Psychiatrische Abteilung des Ev. Krankenhauses Alsterdorf ist nach § 13 HmbPsychKG unter gewissen Voraussetzungen berechtigt, Unterbringungsbeschlüsse nach HmbPsychKG zu vollziehen. Alle am Verfahren Beteiligten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wohngruppe waren sich darin einig, dass der Behinderte in einer Wohngruppe (und nicht in einem psychiatrischen Krankenhaus) richtig aufgehoben war und dass es gerechtfertigt war, ihn stundenweise am Verlassen der Wohngruppe zu hindern.

Die zuständige Richterin vertrat allerdings die Auffassung, daß die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 1906 BGB, die in der Stiftung hätte vollzogen werden können, nicht vorlagen. Eine Unterbringung nach § 1906 BGB ist nur zulässig bei Eigengefährdung oder zum Zweck der Heilbehandlung. Es gelang dann aber doch, einen Beschluß nach § 1906 BGB zu erwirken, der auch vor dem Landgericht Hamburg Bestand hatte, so dass der Behinderte in der für ihn geeigneten Wohngruppe verbleiben konnte.

4. Die Aufsichtskommission wurde von einer Amtsrichterin darauf hingewiesen, dass sich in der Medizinischen Abteilung des Evangelischen Krankenhauses Alsterdorf ein Patient aufhielt, bei dem ein Unterbringungsbeschluß nach dem HmbPsychKG bestünde. Da sich die Ermächtigung zum Vollzug von Unterbringungsbeschlüssen nach HmbPsychKG ausschließlich auf die Psychiatrische Abteilung des Ev.

Krankenhauses Alsterdorf bezieht, setzte sich die Aufsichtskommission umgehend mit dem Krankenhaus in Verbindung. Der Patient war körperlich schwer krank auf die Intensivstation der medizinischen Abteilung verlegt worden.

Schwerst körperlich erkrankt und gleichzeitig durch ein Delir verwirrt, mußte der Patient nicht nur zu seinem eigenen Schutz fixiert, sondern auch ohne seine Einwilligung behandelt werden. Von der medizinischen Abteilung war daher zur diagnostischen Beurteilung und zur Einleitung weiterer rechtlicher Schritte die Psychiatrische Abteilung eingeschaltet worden. Von dort wurde dann ein Unterbringungsbeschluß nach HmbPsychKG beantragt, obwohl der Betroffene wegen seines körperlichen Zustandes gar nicht auf die Psychiatrische Abteilung übernommen werden konnte. Dieser Beschluß wurde am folgenden Tag von der Richterin, die dann die Aufsichtskommission informierte, bestätigt. Nach Intervention der Aufsichtskommission wurde noch am gleichen Tag der rechtliche korrekte Weg eingeschlagen und beim zuständigen Amtsgericht eine Betreuung mit dem Wirkungskreis Aufenthaltsbestimmungsrecht und Heilbehandlung beantragt.

5. Ein Schriftwechsel zwischen dem Amtsgericht Mitte und der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie Bergedorf wurde der Aufsichtskommission vom Amtsgericht Mitte zur Kenntnis gegeben. Bei der Anhörung im Rahmen des HmbPsychKG hatte der zuständige Richter den Eindruck, daß die Fixierung eines Patienten unbegründet und zumindest zu lange gedauert hatte. In einem Antwortschreiben hat der Leiter der psychiatrischen Abteilung ausführlich die Notwendigkeit der Fixierung begründet und sicher auch zu recht darauf hingewiesen, dass insbesondere bei sehr schwer kranken Patienten durch die oftmals sehr rasche Aufhebung von Unterbringungsbeschlüssen, verbunden mit der dann oft folgenden raschen Entlassung auf Wunsch des betroffenen Patienten, eine Behandlungskontinuität nicht erreicht werden kann mit der Folge häufiger stationärer Krankenhausaufenthalte. Auch dieser Fall wurde von der Aufsichtskommission bei ihrem turnusmäßigen Besuch in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie Bergedorf grundsätzlich erörtert (siehe auch II. 4.).

6. In einem weiteren Fall wurde die Aufsichtskommission von Vertretern der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie Bergedorf eingeschaltet, mit der Bitte um Unterstützung bei der Unterbringung eines schwierigen Patienten in eine andere klinische Einrichtung. Es handelte sich auch in diesem Fall um einen schwer erkrankten jungen Mann mit unleugbar erheblichen aggressiven Impulsdurchbrüchen, der in diesem Fall zusätzlich in der Vergangenheit straffällig geworden war. Diese Straftaten waren nach Einschätzung des gesetzlichen Betreuers allerdings nicht gravierend gewesen.

Im Laufe mehrerer kurzer stationärer Behandlungen in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie Bergedorf war es zu bedrohlichen Situationen gekommen und in einem Fall zu einer Verletzung eines Mitarbeiters. Der Leiter der Einrichtung schrieb damals an die Aufsichtskommission: „... Zusammenfassend kann man sagen, dass immer wieder nur kurze stationäre Aufnahmen nach gravierenden Vorfällen im Umfeld des Patienten erfolgten, wobei es zu einer längeren Behandlung einerseits wegen der fehlenden Krankheitseinsicht und fehlender Behandlungsbereitschaft des Patienten nie kam, andererseits aber auch wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten des Patienten in unserem Rahmen sowie der Tatsache, dass die Mitarbeiter sich hier vor dem Patienten fürchten.... Ständig vom Patienten ausgestoßene verbale Drohungen verängstigen die Mitarbeiter so, dass die Schaffung eines therapeutischen Milieus hier nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass die sehr knappe Personaldecke in unserer Abteilung es nicht ermöglicht, durch ständige 1:1-Betreuung den Patienten entsprechend einzugrenzen und zu strukturieren. Die Folge ist, dass der Patient überwiegend fixiert wegen akuter Eigen- und Fremdgefährdung behandelt werden muß... Unsere Versuche, Herrn X. in eine besser geeignete Behandlung, etwa ins AK Ochsenzoll oder nach Bargfeld-Stegen oder in das Krankenhaus in Rickling zu verlegen, sind, obwohl mehrfach versucht, gescheitert. Auch das Ansinnen an die zuständigen Juristen, die Frage einer stationären Begutachtung in der forensischen Abteilung des AK Ochsenzoll zu überprüfen, sind fehlgeschlagen..."

Für die Aufsichtskommission entstand die ungewöhnliche Situation, dass sie, die sonst die Verlegungspraxis von Krankenhäusern in auswärtige Einrichtungen immer wieder kritisch hinterfragt, nun darüber nachdenken mußte, die Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie Bergedorf gerade bei einem derartigen Vorhaben zu unterstützen. Dabei war für die Aufsichtskommission unstrittig, dass es sich bei dem Patienten um einen schwierigen und offensichtlich für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Abteilung Angst auslösenden Patienten handelte, dem in der psychiatrischen Abteilung Bergedorf nicht die ausreichende Struktur und notwendige Eingrenzung geboten werden konnte. Letztendlich haben die Mitglieder der Aufsichtskommission ­ nach ausführlicher Abwägung aller Vor- und Nachteile ­ in erster Linie zur Vermeidung einer Eskalation, die den Patienten wahrscheinlich zwangsläufig in eine Maßregel geführt hätte und zur Vermeidung weiterer Aktivitäten, eine Unterbringung in der Forensik auf anderer Rechtsgrundlage anzustreben, sich entschlossen, vorhandene Kontakte zu auswärtigen Einrichtungen zu nutzen. Der Patient konnte mit seinem Einverständnis im Heinrich-Sengelmann-Krankenhaus in Bargfeld-Stegen aufgenommen werden. Bei einem turnusmäßigen Besuch dort erkundigte sich die Aufsichtskommission nach dem Patienten. Er war zu diesem Zeitpunkt nach mehrmonatiger stationärer Behandlung entlassen und zufriedenstellend im komplementären Versorgungssystem eingegliedert. gez. Ralf Bostelmann gez. August Bronnmann gez. Hildegard Esser gez. Herta Gramm gez. Oda Herms gez. Inge Klug gez. Astrid Radüge gez. Charlotte Köttgen (Für die Besuche im Universitäts-Krankenhaus Eppendorf)