Altenpflege

Dieses Spiel zu sagen, die Einrichtungen bekommen einen bestimmten Satz, damit sollen sie einmal die Probleme lösen, und am Ende hoffen wir, dass es aufgeht, wird nicht funktionieren. Wenn die Gesellschaft immer älter wird, müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, wie wir auch im pflegerischen Bereich die Kapazitäten und die Kompetenzen weiterentwickeln und wie wir dazu beitragen, dass die Menschen entsprechend gut gepflegt werden können.

Ich glaube, dass wir über einen weiteren Punkt sprechen müssen, nämlich darüber, dass der ganze Anteil des ehrenamtlichen Engagements auch in der Pflege gestärkt werden muss. Es geht also nicht nur darum, den professionellen Teil zu stärken, sondern es geht auch darum, deutlich zu machen, dass viele Menschen einfach das Bedürfnis haben, dass jemand sie besucht, ihnen vorliest, mit ihnen redet oder einmal mit ihnen in den Park geht, dass auch solche Punkte wichtig sind. Wer Interesse daran hat, kann sich bei der Kollegin Frau Marken auch darüber informieren.

Ich weiß, dass es einen hohen Bedarf und einen Wunsch bei den Wohlfahrtsverbänden gibt, insbesondere Menschen einzubinden, die bereit sind, ehrenamtlich in der Begleitung von alten, pflegebedürftigen Menschen tätig zu werden. Insofern kann ich nur alle auffordern, auch sich stärker dort einzubringen.

Ich glaube, dass die Senatorin mit der nun doch schon seit etwas längerer Zeit geplanten Novellierung des Heimgesetzes den richtigen Schritt geht. Ich glaube, dass es dabei aber ebenfalls wichtig ist, dass die Wohlfahrtsverbände und Träger der Einrichtungen in die Planung eng eingebunden werden, weil wir uns auch gegenseitig befruchten können in der Diskussion, die notwendig ist.

Ich will abschließend feststellen, dass die Kontrollmechanismen funktionieren, dass sie durchaus aber noch intensiviert werden können. Ich will auf das zurückkommen, was ich am Anfang gesagt habe, dass am Anfang und am Ende des Lebens Menschen eines besonderen Schutzes bedürfen. Daraus leitet sich auch, Herr Imhoff, wenn Sie zuhören würden, die Aktualität her. Das muss uns nämlich leiten, und dafür müssen wir täglich arbeiten. ­ Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Vizepräsident Ravens: Nächster Redner ist Herr Kollege Müller.

Abg. Müller (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die dramatischen Zustände in dem Pflegezentrum Bremerhaven haben wir nun einmal wieder den Medien entnommen. Da kommen wir wieder zu unseren Fragen: Wie kann es angehen, dass wir die prekären Zustände nur den Medien entnehmen können und nicht einer Senatsmitteilung? Oder: Wo waren der Senat und dessen Aufsicht führende Stellen? Wir haben gehört, es seien elf Überprüfungen durchgeführt worden, und es ist nichts gesehen worden. Wo waren die Rückmeldungen der städtischen Gesellschaft BEAN in Bremerhaven, dessen Vorsitzender Lüneburg auch gleichzeitig eine einflussreiche Position gegenüber der Hansa-Gruppe einnimmt? Warum hat der Bremerhavener Magistrat nicht über die Zustände informiert? Fragen über Fragen, Antworten stehen bis heute aus!

Meine Damen und Herren, wir sprechen hier über die Spätfolgen der in Bremerhaven noch regierenden und in Bremen ehemaligen Großen Koalition.

Diese haben uns verschiedene Erbschaften hinterlassen, die nun über die Zeit Stück für Stück sichtbar werden. Um sich der Verantwortung und den daraus entstehenden Kosten entziehen zu können, wurde als Hilfsmittel die Privatisierung gesehen. So wurde auch 2002 dieses städtische Pflegezentrum privatisiert. Um diese Privatisierung durchsetzbar gestalten zu können, wurden in den Kaufvertrag Versprechungen aufgenommen. So wurde zum Beispiel vereinbart, dass bis 2012 sämtliche erworbenen Rechte der Beschäftigten weiter fortbestehen und keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden dürfen. Die Gewerkschaft ver.di erklärte in der Nordsee-Zeitung am 15. Januar dieses Jahres, dass Bremerhaven aufgrund der Vereinbarungen im Kaufvertrag sogar weiterhin Einfluss auf die Bezahlung und Pflegequalität hätte.

Im Sonntagsjournal am 18. Januar 2009 erklärte dagegen der Bremerhavener Bürgermeister Jörg Schulz, dass in dem Vertrag mit der Hansa-Gruppe die Regelung, wie zum Beispiel der Umgang mit dem Personal, auf Treu und Glauben getroffen wurde.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten daraus also keine direkten Rechtsansprüche geltend machen.

Meine Damen und Herren, somit kann festgestellt werden, dass die Probleme wissentlich entstanden.

Nun komme ich zu den aus diesen Entscheidungen entstandenen Folgen. Bremerhaven erhielt 2002 einen Geldsegen und entlastete den Haushalt nachhaltig. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ereilten Arbeitsplatzabbau und Lohndumping. Denn, wie schon vorhin angeschnitten, erklärte der Geschäftsführer der Hansa-Gruppe, Matthias Winiarski, er könne für sein Haus keine tarifgebundenen Mitarbeiter bezahlen, da diese über die Pflegesätze nicht refinanzierbar wären. Eine Mischkalkulation ist ihm anscheinend unbekannt. Die Seniorinnen und Senioren erleiden daraus folgend eine mangelhafte Pflegequalität, wie wir es schon mehrmals gehört haben. So wurden laut Aussagen von Mitarbeitern des Pflegeheims morgens mit nur dreieinhalb Pflegekräften 42 Bewohner gepflegt und von diesen 16 Seniorinnen und Senioren das Essen gereicht. Dies hat wiederum zur Folge, dass für die Seniorinnen und Senioren so wenig

Zeit übrig bleibt, dass ein angenehmer Lebensabend eigentlich kaum zu gestalten wäre. Das wiederum geht dann vollständig zulasten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil sie eben für die Pflege der Seniorinnen und Senioren einstehen.

Meine Damen und Herren, ist das wirklich noch menschenwürdig? Ist das noch verantwortbar? Wir, die LINKEN, sagen nein! Denn wir sprechen hier über die öffentliche Daseinsvorsorge, über ein öffentliches Gut. In diesem Fall kann man sehen, dass die Privatisierung Qualitätsverlust und höhere Preise bedeutet. Diese Preise begründen sich aus den legitimen Gewinnabsichten der Hansa-Gruppe. Hier müssen nun Bremerhaven und das Land Bremen umgehend für Abhilfe sorgen. Die Privatisierung von öffentlichen umgehend aufhören. Bisherige Privatisierungen sind wieder rückgängig zu machen, wie zum Beispiel der Verkauf von Krankenhäusern, Pflegeheimen und den Stadtwerken in Bremen und Bremerhaven. Meine Damen und Herren, öffentliche Daseinsfürsorge gehört in öffentliche Hand! ­ Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Ravens: Nächster Redner ist der Abgeordnete Bartels.

Abg. Bartels (CDU): Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Berichterstattung über die Vorkommnisse im Pflegezentrum in Bremerhaven hat auch meine Fraktion betroffen gemacht.

Wir fordern von dieser Stelle aus eine lückenlose und schnelle Aufklärung dieser Vorkommnisse.

Ich habe deshalb namens meiner Fraktion bereits in der vergangenen Woche Frau Senatorin Rosenkötter um einen umfassenden Bericht in der Sozialdeputation gebeten, um das, was wir aus der Öffentlichkeit erfahren haben, auch tatsächlich nachprüfen zu können. Es sind schlimme Vorfälle, mutmaßliche Vorfälle muss man noch sagen, die anscheinend auch ein Stück der personellen Situation in dieser Pflegeeinrichtung geschuldet sind. Es muss ein unheimlicher Druck auf den Mitarbeitern lasten. Es gibt ein massives Führungsproblem und das über Jahre, und selbst die Kontrollen, von denen hier schon die Rede war, sind scheinbar ohne Ergebnis verlaufen.

Kontrolle ist das eine, aber wenn man einen Missstand erkennt, dann muss es auch eine gewisse Konsequenz haben und eine Sanktion folgen.

(Beifall bei der CDU und bei der LINKEN)

Das haben wir so bisher nicht sehen können. Wir warten sicherlich den Bericht ab, aber man kann nicht allein nur auf Kontrollen hoffen, sondern dann muss auch eine konsequente Antwort her, wenn solche Zustände, wie sie offenkundig da sind, auftreten.

Meine Damen und Herren, bereits aus dem Jahr 2002 sind gewisse Mängel bekannt, wenn man den Leserbriefen Glauben schenken kann. Da fragt man sich schon: Wie kann das über die Jahre in dieser Einrichtung zu solchen Zuständen kommen? Es gibt auch, wie wir im Sonntagsjournal lesen konnten, Vorwürfe gegen einen Geschäftsführer einer städtischen Gesellschaft Bremerhavens. Diese Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt und gegebenenfalls auch ausgeräumt werden. So, wie sie aber im Raum sind, muss denen nachgegangen werden.

(Beifall bei der CDU)

Es stellt sich schon die Frage, ob dort sachfremde Einflüsse oder fremde Interessen auf die Heimleitung eingewirkt haben und ob diese die personellen Probleme bevorteilt haben. Wir haben dann zur Kenntnis genommen, dass am vergangenen Montag Frau Senatorin Rosenkötter vor die Presse getreten ist und angekündigt hat, sie wolle das Heimgesetz novellieren. Nun gut, wir haben im Sommer des vergangenen Jahres bereits einen ersten Entwurf vorgestellt bekommen, der auch vielversprechend ist. Der soll in der Frage des Verbraucherschutzes viel mehr Transparenz schaffen. Aber wir fragen uns: Warum soll dieses Heimgesetz erst in diesem Herbst hier die parlamentarische Befassung erreichen? Wir haben eigentlich fest damit gerechnet, dass man das auch schon im Herbst letzten Jahres hätte machen können.

Wenn Sie also jetzt die Antwort auf die konkreten Zustände in diesem Heim finden, wir novellieren das Heimgesetz, dann fragen wir uns schon: Muss immer erst etwas passieren, bevor die Senatorin reagiert?

(Beifall bei der CDU)

Wir fordern eine Senatorin, die proaktiver die Aufgaben angeht und proaktiver auch solche Gesetzesvorhaben, die ja hier ein Stück weit unstrittig sind, vorantreibt. Transparenz ist wichtig, damit nicht nur die Angehörigen wissen, wie sich die einzelnen Einrichtungen aufgestellt haben, sondern damit auch der Wettbewerbsdruck, den wir hier unter den Einrichtungen in Bremerhaven und in Bremen haben, nicht nur ein Kostendruck ist, meine Damen und Herren, sondern auch ein Qualitätsdruck. Das ist, glaube ich, das Wichtige!

Derzeit haben wir in vielen Einrichtungen einen Wettbewerbsdruck, der sich dann darin äußert, dass man versucht, Kosten herunterzufahren, um möglichst günstige Angebote zu machen. Das soll keine Pauschalierung sein. Ich möchte noch einmal darauf eingehen und sagen: Uns ist wichtig, ein Großteil der Einrichtungen in unseren beiden Städten macht eine hervorragende Arbeit.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen keinen Generalverdacht, aber es ist immer ein negativer Nebeneffekt, wenn ein solcher Pflegeskandal aufgedeckt wird, dass die gesamte Branche gleich in Mitleidenschaft gezogen wird. Wir brauchen also Wettbewerb, einen transparenten Wettbewerb, der dann eben auch zu Qualitätsverbesserungen kommt. Da glauben wir tatsächlich, Frau Senatorin, und wir begleiten Sie dabei auch positiv, dass das neue Heimgesetz dazu einen guten Beitrag leisten kann. Tragen Sie dann aber auch dazu bei, dass die Abstimmungen zwischen den beteiligten Verbänden der Wohlfahrtspflege, des Bundesverbandes der privaten Anbieter für soziale Dienste und der Seniorenvertretung vorangetrieben werden!

Meine Damen und Herren, die Heimaufsicht hat die Prüfung in dem Heim durchgeführt und auch der Medizinische Dienst der Krankenkassen. Die Frage ist aber, ob bei der Heimaufsicht tatsächlich immer qualifiziertes Personal vorhanden ist. Wie wir heute in einem Interview in der Nordsee-Zeitung lesen mussten, sagt ein Mitarbeiter der Heimaufsicht: Nein, so richtig fachlich können wir das gar nicht beurteilen, was in den Heimen geschieht. Dann müssen wir auch darüber nachdenken, wie die Heimaufsicht zukünftig häufiger Kontrollen macht, dass sie dann auch fachlich in der Lage ist, das alles zu bewerten und nicht nur der Medizinische Dienst der Krankenkassen, (Beifall bei der CDU) der im Übrigen seltener die Kontrollen macht und durch diese seltenen Kontrollen auch höhere Kosten verursacht. Wir sollten darüber nachdenken, qualifiziertes Personal an dieser Stelle einzusetzen.

Es geht also alles in allem um Qualität und, wo keine Qualität ist, auch um konsequentes Nachhaken, um gegebenenfalls Sanktionen zu erteilen, nicht nur Ordnungsgeld, sondern bis hin zum Entzug der Betriebserlaubnis, wenn es gar nicht anders geht. Wir brauchen ein Handlungskonzept des Senats, denn das fehlt ein Stück weit. Ich wüsste nicht, dass der Senat sich in den letzten Monaten dazu geäußert hat, wie es in der Altenpflege weitergeht, wie wir die Überkapazitäten, die es in diesem Bereich in Bremen und Bremerhaven gibt, abbauen können und wie wir den Trägern und Betreibern von Altenpflegeeinrichtungen dort helfen können. Das fehlt!

Die Frau Senatorin hat gleich die Gelegenheit, dazu etwas zu sagen und ihr Heimgesetz vorzustellen. Wir sind da sehr gespannt! Ich kann nur sagen, es ist hier schon mehrmals angeklungen, der Wert einer Gesellschaft macht sich immer daran deutlich, wie sie mit den jungen Menschen, mit unseren Kindern, und mit den alten Menschen umgeht. Das sollte uns bei der gesamten Diskussion um Pflege und Qualität von Pflege sehr mahnen.

Meine Damen und Herren, wir als CDU-Bürgerschaftsfraktion werden diesen Fall sehr eng in der Sozialdeputation begleiten, und Sie können gewiss sein, dass wir bei der Novellierung des Heimgesetzes unseren Beitrag leisten werden. ­ Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU) Vizepräsident Ravens: Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Abg. Tittmann (parteilos): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute in der Aktuellen Stunde mit dem schon längst überfälligen Thema Missstände bei der Betreuung der Heimbewohner im Pflegezentrum Bürgerpark Bremerhaven beseitigen. Ich hoffe ja nur, dass aus dieser wichtigen Aktuellen Stunde auch effektive politische Maßnahmen zum Wohle der Heimbewohner umgehend umgesetzt werden und dass hier nicht, wie so oft, nur über Menschenwürde und Missstände in den Pflegeheimen geredet und es zerredet wird, sondern dass auch schnellstens solche grausamen Missstände endlich beseitigt werden. Das ist doch das Gebot der Stunde, nicht ein endloses Gerede über Missstände in den Pflegeheimen, wobei am Ende wie gewöhnlich nichts Effektives und Gescheites dabei herauskommt und alles beim Alten bleibt nach altem bekannten Motto: Dieses Thema ist jetzt aktuell, und es ist schön, dass wir wieder einmal nur darüber geredet haben.

Das, meine Damen und Herren, mache ich nicht mit! Hier muss nicht nur über Missstände in den Heimen geredet werden, hier muss allerschnellstens zum Wohle und der Gesundheit der Heimbewohner gehandelt werden. Was heißt hier eigentlich, die Missstände im Pflegezentrum Bürgerpark Bremerhaven beseitigen? Das ist doch logisch, das muss sogar Ihnen einleuchten, dass vorher angekündigte Kontrollen sinnlos sind.