Fortbildung

1. Mit Drucksache 19/2450 vom 2. März 2009 ersuchte die Bürgerschaft den Senat, die Besuchsprogramme zur Pflege der Beziehungen zu verfolgten ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern Hamburgs sowie ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern entsprechend den Vorschlägen und Zielen des Bürgerschaftlichen Ersuchens weiterzuentwickeln und darüber zu berichten.

Die Bürgerschaft hat beschlossen, den Titel 1100.534. „Pflege der Beziehungen zu verfolgten ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern Hamburgs sowie für ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter" gegenüber dem Haushaltsplan-Entwurf 2009/2010 jeweils von 160 Tsd. Euro auf 210 Tsd. Euro zu erhöhen. Damit wird die im Haushaltsplan-Entwurf enthaltene Kürzung in Höhe von 50 Tsd. Euro jährlich rückgängig gemacht.

Gleichzeitig sind im Antrag Ziele für die Weiterentwicklung der beiden Hamburger Besuchsprogramme formuliert, über deren Umsetzung hiermit berichtet wird.

2. Das Besuchsprogramm für die verfolgten ehemaligen Bürgerinnen und Bürger Hamburgs umfasst derzeit zwei Gruppen im Jahr (jährlich ca. 10-15 Personen zuzüglich Begleitung). Auf der Warteliste sind noch 47 Personen für Besuche vorgesehen, die voraussichtlich in den kommenden Jahren weitgehend eingeladen werden können. Für dieses Programm werden ca. 60 Tsd. Euro im Jahr eingesetzt. Die Wahrnehmung der Einladungen hängt in erheblichem Umfang vom aktuellen Gesundheitszustand der Besucher ab. Während dieses Besuchsprogramm direkt von der Senatskanzlei betreut wird, erfolgte die Durchführung des Besuchsprogramms für ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter über einen Zuwendungsbescheid an den Freundeskreis der KZ-Gedenkstätte Neuengamme e. V.

3. Entsprechend dem Wunsch der Bürgerschaft, alle verfolgten ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern sowie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, die dieses wünschen, rasch nach Hamburg einzuladen, wird die Zuwendung an den Freundeskreis KZ-Gedenkstätte Neuengamme e. V. für die Jahre 2009 und 2010 in gleicher Höhe wie in den Vorjahren (105 Tsd. Euro) gewährt. Derzeit kommen in diesem Programm zwei Gruppen (ca. 35 Personen insgesamt) pro Jahr nach Hamburg. Von der Warteliste werden nach Auskunft des Freundeskreises in den kommenden Jahren ca. 80 Personen aus Weißrussland und Russland Hamburg besuchen. Seit Mai 2009 ist dem Freundeskreis ein neuer Adressenbestand von 1600 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern bei einer polnischen Stiftung bekannt. Der Umfang möglicher Besuchswünsche und deren Realisierbarkeit sind derzeit nicht abschätzbar.

4. Die gewünschte Finanzierung einer Begleitperson im Zwangsarbeiterprogramm kann im Einzelfall Berücksichtigung finden, dabei sollen aber Zeitverzögerungen bei der auch in diesem Programm existierenden Warteliste möglichst gering gehalten werden. Bei Bedarf (gesundheitlich erforderlich) wird bereits jetzt ­ wie auch schon in den vergangenen Jahren ­ über eine Begleitperson positiv entschieden.

5. Neben den Besuchsprogrammen wurden und werden verschiedene Einzelprojekte realisiert, bei denen Maßnahmen der historisch-politischen Bildungsarbeit und Dokumentation entsprechend der Anregung der Bürgerschaft im Vordergrund stehen. Hierfür werden jährlich rund 31 Tsd. Euro eingesetzt.

Es wird eine weitere Verlagerung des Programmschwerpunktes in Richtung von Dokumentation und Erinnerungsarbeit als zukunftsorientierte Auseinandersetzung mit der Geschichte geben. Für diese Schwerpunktsetzung wurde bereits entsprechend dem Wunsch der Bürgerschaft der Kontakt zur Forschungsstelle für Zeitgeschichte und der Behörde für Kultur, Sport und Medien intensiviert.

Die beiden Besuchsprogramme sollen dazu beitragen, bei Ausstellungen, Vortragsreihen, Veranstaltungen und Dokumentationen zur Geschichte des Nationalsozialismus, die in Hamburg erarbeitet und präsentiert werden, die Anschaulichkeit durch die Einbeziehung von Zeitzeugen zu stärken.

Die Dokumentation der Lebens- und Leidensgeschichten der Betroffenen ist wichtiger Bestandteil der Aktivitäten des Senats. Im Rahmen beider Besuchsprogramme werden Zeitzeugeninterviews aufgezeichnet, seit 1990/1991 in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle für Zeitgeschichte von ehemals verfolgten Hamburgerinnen und Hamburgern, seit 2001 in Zusammenarbeit mit der KZGedenkstätte Neuengamme e. V. von ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern.

Die Senatskanzlei unterstützt eine Magisterarbeit, die von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte begleitet wird, die eine erste wissenschaftliche Aufarbeitung des Senatsprogramms für die verfolgten ehemaligen Bürgerinnen und Bürger Hamburgs darstellt. Sie wird die Entwicklung des Besuchsprogramms seit Ende der 60er Jahre bis heute behandeln und dabei auch der Frage nachgehen, wie das Besuchsprogramm aus Sicht der Gäste wahrgenommen wurde und wird.

Gemeinsam mit der Behörde für Kultur, Sport und Medien konnte die Senatskanzlei im Jahre 2009 Zeitzeugen gewinnen, die sich am Projekt „In den Tod geschickt" beteiligten, das mit seiner Öffentlichkeitswirkung dazu beitrug, neue Impulse für die Erinnerungsarbeit zu geben.

Ein gutes Beispiel für die Einbindung Jugendlicher ist das Projekt „Steine des Anstoßes" mit Schülern aus der Hauptund Realschule Möllner Landstraße, die sich mit Unterstützung der Senatskanzlei in den letzten Jahren gemeinsam mit einer Partnerschule in Riga mit der Deportation aus Hamburg nach Riga auseinandergesetzt haben. Zu diesem Projekt soll auch eine Dokumentation erstellt werden.

6. Ziel des Senats ist es, diese bisher so wirkungsreiche Erinnerungsarbeit auch in Zukunft fortzusetzen, wenn auch in einem verändertem Rahmen. Besondere Bedeutung kommt dabei der Weiterentwicklung der Pflege der Beziehungen zu.

Eine Ausweitung der Einladungen auf die zweite und dritte Generation wurde bereits Mitte der 90er Jahre in Erwägung gezogen und intensiv geprüft. Grundsätzlich erscheint eine Wahrnehmung der Einladungen durch die betroffene Generation vorrangig. Gleichwohl sind auch Kinder oder Enkelkinder als Begleitpersonen in der Vergangenheit berücksichtigt worden. Dies soll auch künftig weiter erfolgen. In Richtung der gezielten Pflege der Kontakte zur jüngeren Generation kann das Programm weiter entwickelt werden.

Als ein zukunftsgerichteter und angemessener Rahmen für entsprechende Besuchswünsche der zweiten Generation käme eine sogenannte Teileinladung in Betracht. Diese würde beinhalten, dass die Reisekosten privat zu tragen wären und die Senatskanzlei Kosten für die Übernachtung und das angebotene Programm übernehmen würde. Auch die Unterstützung von Einzelaufenthalten z. B. zu Ausoder Fortbildungszwecken wäre möglich.

Im Rahmen der Kontaktpflege zu den verfolgten ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern Hamburgs (1341 Versandadressen) erhalten diese zum Jahreswechsel einen Kalender mit aktuellen Bildern aus Hamburg, der, wie aus den Rückmeldungen der Empfänger erkennbar ist, als positiver Erhalt der Verbindung zur ehemaligen Heimatstadt empfunden wird. Darüber hinaus wird diesem Personenkreis angeboten, aus einer Liste von Veröffentlichungen des einschlägigen Themenkreises ein Buch als Jahresgabe auszuwählen. Die jährlichen Kosten dieser Kontaktpflege belaufen sich auf ca. 14 Tsd. Euro.

Dass der durch das Programm wieder hergestellte Kontakt zu Hamburg von den verfolgten ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern als äußerst positiv empfunden wird, zeigt sich daran, dass viele nach dem ersten Besuch in den Folgejahren mit ihren Kindern und Enkeln Hamburg privat erneut besuchen und z. T. auch an den Programmangeboten teilnehmen.

Petitum:

Der Senat bittet die Bürgerschaft, die Mitteilung zur Kenntnis zu nehmen.