Bevorratung von Kaliumjodidtabletten für nukleare Katastrophenfälle

Die Strahlenschutzkommission und die Weltgesundheitsorganisation empfehlen, nach kerntechnischen Unfällen 130 mg Kaliumjodid zur Blockade der Schilddrüse einzunehmen (sogenannte Jodblockade). So könne das Risiko eines Schilddrüsenkarzinoms deutlich verringert werden. Denn kurz nach einem Reaktorunfall aufgenommenes nicht radioaktives Jod sättigt die Schilddrüse und verhindert dadurch die Speicherung von radioaktivem Jod, das in großer Menge bei einem Unfall freigesetzt und von der Bevölkerung über die Atemwege aufgenommen wird. Die für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden bevorraten deshalb Kaliumjodidtabletten mit hohem Jodgehalt, um diese bei Bedarf an die Bevölkerung auszugeben, sofern sie nicht schon unter bestimmten Voraussetzungen vorher an die Haushalte verteilt wurden.

Laut Senatsantwort in Drs. 19/4045 erfolgt eine Vorverteilung der Jodtabletten an die Haushalte im 0- bis 10-Kilometerradius. Laut Senatsantwort in Drs. 19/4032 wurden im Oktober 2005 an die Haushalte, die sich in dieser Gefahrenzone befinden, Berechtigungsscheine ausgegeben. Gleichwohl wird laut Senatsantwort in Drs. 19/4045 in der Zone von 5 ­ 25 Kilometern eine Vorhaltung der Jodtabletten bevölkerungsnah an mehreren Stellen gewährleistet. Die Senatsantworten werfen insoweit Nachfragen auf.

Wir fragen deshalb den Senat:

Gemäß der Rahmenempfehlung für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen ist die Umgebung der kerntechnischen Anlage zur Abgrenzung vorbereitender Maßnahmen (wie zum Beispiel die Vorverteilung beziehungsweise dezentrale Zwischenlagerung von Kaliumjodidtabletten) in Planungszonen zu unterteilen. Hierbei wird unterschieden zwischen der Zentral-, Mittel-, Außen- und Fernzone.

Die Zentralzone umschließt die kerntechnische Anlage mit einem Radius von 2 km, die Mittelzone mit einem Radius von 10 km, die Außenzone mit einem Radius von 25 km und die Fernzone mit einem Radius von 100 km.

Die in Anlehnung an die Drs. 19/4045 in Frage 1. erwähnten circa 60.000 Haushalte beziehen sich entsprechend der Planungszonen demnach auf die Außenzone (10 ­ 25 km). Bei der Beantwortung der Fragen wurde jedoch die Mittelzone (0 ­ 10 km) zugrunde gelegt.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Wie viele Menschen wohnen in den circa 60.000 Haushalten in der Gefahrenzone (0- bis 10-Kilometerradius)?

Die Mittelzone umfasst Gebiete in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.

Laut Melderegister wohnen in dem auf Hamburg fallenden Teil der Mittelzone 1.

Personen mit Haupt- und alleinigem Wohnsitz und 31 Personen mit Nebenwohnung.

2. Wie viele dieser Menschen sind jünger als 45 Jahre?

Insgesamt sind 791 Menschen (775 Personen mit Haupt- und alleinigem Wohnsitz, 16 Personen mit Nebenwohnung) jünger als 45 Jahre alt.

3. Welche Teile des Staatsgebiets der Freien und Hansestadt Hamburg befinden sich in der Gefahrenzone (0- bis 10-Kilometerradius)? (Bitte der Antwort Kartenausschnitt beifügen.)

In der Mittelzone (0 bis 10 km) befinden sich Teile von Altengamme und Borghorst. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Anlage.

4. Wie viele Berechtigungsscheine für Jodtabletten wurden ausgegeben?

Es wurden an 350 Haushalte die Berechtigungsscheine ausgegeben.

5. Wie viele dieser Berechtigungsscheine wurden tatsächlich eingelöst?

Bisher wurden 149 Berechtigungsscheine eingelöst.

6. Wie viele Menschen in Hamburg haben tatsächlich den erforderlichen Vorrat an Jodtabletten zu Hause zur Verfügung?

Der zuständigen Behörde ist nicht bekannt, wie viele Menschen in Hamburg tatsächlich den erforderlichen Vorrat an Kaliumjodidtabletten zu Hause zur Verfügung haben.

7. Wie erfolgt die Vorverteilung der Jodtabletten an solche Haushalte, die erst nach Ausgabe der Berechtigungsscheine im Oktober 2005 in die Gefahrenzone ziehen beziehungsweise gezogen sind?

8. Wer trägt die Kosten für die Ausgabe der Berechtigungsscheine beziehungsweise Jodtabletten für solche „Nachzügler"?

Für Menschen, die nach Oktober 2005 in das besagte Gebiet gezogen sind, erfolgt im Bedarfsfall eine Ausgabe der Kaliumjodidtabletten aus dem Lager innerhalb Hamburgs; die Kosten trägt die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH).

9. In welchem Umfang werden von der zuständigen Behörde für die Haushalte in der Gefahrenzone, an die die Jodtabletten bereits vorverteilt wurden, Jodtabletten zusätzlich vorgehalten?

In dem Kontingent, welches für die in der Außenzone (10 bis 25 km) lebende Bevölkerung vorgehalten wird, werden zusätzlich Kaliumjodidtabletten für die Haushalte in der Mittelzone vorgehalten.

10. Wer trägt für die Bevorratung und Vorverteilung der Kaliumjodidtabletten in Hamburg die Verantwortung?

Die Verantwortung für die Bevorratung und Vorverteilung der Kaliumjodidtabletten trägt die Behörde für Inneres.

11. Laut Senatsantwort sind Kaliumjodidtabletten ohne Vorlage einer ärztlichen Verschreibung in Apotheken erhältlich. Das dem Senat einzig bekannte Präparat Kaliumjodid „Lannacher" 65 mg Tabletten wird jedoch nicht über den Arzneimittelgroßhandel vertrieben, sondern muss von Apotheken aufwendig beim Hersteller in Österreich bestellt werden. Obwohl das Präparat nur 3,01 Euro kostet, kommen so noch rund 6,50 Euro Porto und Bearbeitungspauschale hinzu. Letztere entfällt bei der Abnahme von mindestens fünf Packungen. Die empfohlene freiwillige Eigenbevorratung wird so zu einer teuren Angelegenheit.

a) Warum werden Kaliumjodidtabletten für die freiwillige Eigenbevorratung nicht über den Arzneimittelgroßhandel vertrieben?

b) Wie beurteilt die zuständige Behörde diese Praxis?

c) Welche Möglichkeiten hat die zuständige Behörde, den Vertrieb von Kaliumjodidtabletten über den Arzneimittelgroßhandel sicherzustellen?

d) Wer trägt die Kosten für die „freiwillige" Bevorratung und warum?

Zurzeit befindet sich in der Bundesrepublik kein zugelassenes Arzneimittel mit den Stärken 65 mg oder 130 mg Kaliumjodid im Verkehr. Da der Großhandel ausschließlich zugelassene Arzneimittel vertreiben darf, verhält er sich rechtskonform. Ein Import von nicht in Deutschland zugelassenen Arzneimitteln ist nach den Bestimmungen des Arzneimittelrechts ausschließlich im Wege des Imports für einzelne Personen über Apotheken zulässig, die die Kosten aus diesem Grunde selbst zu tragen haben. Anlage