Horten

Individualisierter Unterricht Hortensie: Sehr geehrter Herr Rosenboom, wie wollen Sie sicherstellen, alle zukünftigen Primarschullehrer in die Lage zu versetzen, wirklich individualisiert zu unterrichten? Dieser geringe geplante Fortbildungsbedarf reicht m. E. nicht.

Norbert Rosenboom: Hallo Hortensie, bei Fortbildungen geht es nicht darum, jeden einzelnen Lehrer zu erreichen, sondern in jedes Kollegium das richtige Signal auf veränderten Unterricht zu bringen. Die fortgebildete Lehrkraft berät die Kolleginnen und Kollegen. Gleichzeitig ist Fortbildung nicht unabdingbare Voraussetzung jeder schulischen Erneuerung, denn das eigentliche Signal des veränderten Unterrichts ist die Veränderung der Schulstruktur durch die Schulreform.

Und glauben Sie mir, dieses Signal wird wirken. Mit besten Grüßen HLeo: Sehr geehrter Herr Rosenboom, ich glaube Ihnen, dass „das Signal wirken" wird. Nur hilft das weder den Schülern noch den Lehrer. Individualisierter Unterricht, noch dazu jahrgangsübergreifend, ist sehr anspruchsvoll und schon häufig gescheitert (siehe die aktuelle Diskussion in Berlin). Dafür muss die Behörde doch mehr tun als „Signale" setzen!

MfG, Hubertus Leo Hortensie: Vielen Dank für Ihre Antwort. Wie die Informationsverteilung nach Schneeballsystem tatsächlich funktioniert, ist an dem uralten Kinderspiel „Stille Post" zu sehen. Unsere Kinder werden vom einzelnen Lehrer unterrichtet und da ist es leider erst einmal unerheblich, ob der Pädagoge der Nachbarklasse die Fortbildung erhalten hat, oder nicht. So etwas funktioniert nur, wenn alle dies wirklich wollen, aber da wir ja alle Menschen und nicht alle gleich sind, sehe ich diesen Erfolg durch eine bloße Signalgebung leider nicht. Wir erleben derzeit Pädagogen, die schon jetzt nicht wissen, woher sie die Zeit stehlen sollen. Wie wollen Sie diese Menschen motivieren, aktivieren und angemessen entlohnen?

John: Hallo Herr Rosenboom, allein auf den Multiplikatoren-Effekt zu setzen reicht gerade bei Grundschullehrerinnen oft nicht aus.

Allzu oft ist die Präsenz in der Schule zu kurz um ein Gespräch mit Kollegen und damit die Verteilung des Erlernten zu ermöglichen. Sehr viele Grundschullehrerinnen müssen nach der Schule sofort nach hause, weil ja das eigene Kind aus der Schule kommt. Es wäre daher sehr sinnvoll in eine Präsenzzeit-Regelung zu Investieren. Das erfordert natürlich angemessen und daher teure Arbeitsplätze in den Schulen, ist aber Zielführender als ein Zubau von Klassen- und Fachräumen für eine sinnlose Primarschule.

Noch mal Begabung John: Hallo Herr Rosenboom, ich würde gerne noch mal auf das Thema von Rasmus zurück kommen. Nicht nur ist die derzeitige, und auch zu erwartende Förderung unzureichend ist, mit all den bekannten Folgen bis zu Suizid-Gedanken bei Zweitklässlern, sonder auch im Bereich der Diagnostik gibt es erhebliche Defizite.

Unverantwortlich wäre für diese Kinder der längere Verbleib in einer Primarschule. Selbst bei einer optimalen Förderung haben diese Kinder nach vier Schuljahren oft einen Lernvorsprung von 2 Jahren. Der Besuch des Gymnasiums nach meistens drei Schuljahren ist oft die einzige Möglichkeit für eine soziale (Re-)Integration. Besonders stark ist dies Problem bei Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern. Die Gelder, die in die wissenschaftlich nicht als sinnvoller belegte, Primarschule versenkt werden, könnte man bei einer äußeren Differenzierung sehr viel sinnvoller einsetzen. Hier würden nur mehr und bessere Lehrer benötigt werden, nicht aber Zubauten.

Norbert Rosenboom: Lieber John, genau bei dieser Frage sind wir in einem offenen Dissens.

Die Argumentation lohnt aber widerlegt zu werden. Eigentlich bräuchte man dafür längere Zeit als wir beim chatten haben, deshalb jetzt in kurzen Stichworten. Deine Bedingung, dass nur äußere Differenzierung der Hochbegabung genügen könne, wird schon durch die weltweite Schulstruktur widerlegt, auch Kinder im übrigen Europa sowie in den USA sind hochbegabt. 2. Das Leid der hochbegabten Kinder in der heutigen Schule entsteht durch fehlende Individualisierung des Unterrichts. Wenn es uns also gelingt, diese gemeinsam durchzusetzen, dann werden wir erleben, dass wir unreife Kinder nicht durch überzogenes Springen in Klassen versetzen müsse, wo sich nicht wohlfühlen können, sondern sie werden in ihrer Altersgruppe mit Schülern gleicher sozialer Reife intellektuell höherer gefördert. Diesem Ziel dient die Primarschule Durchlaufzeitverkürzung Hortensie: Sehr geehrter Herr Rosenboom, mit welcher Begründung verschwand die ursprünglich geplante Durchlaufzeitverkürzung für Primarschüler von 6 auf min. 4 Jahre für besonders begabte Schüler aus der Schulgesetznovelle?

Erfolgsquoten der Stadtteilschulen Hortensie: Sehr geehrter Herr Rosenboom, wie wollen Sie die Erfolgsquoten der Stadtteilschulen garantieren, wenn die Leistungsspitze zuvor auf das Gymnasium abgezogen wurde? Und im Gegenteil: Wie wollen Sie verhindern, dass die Stadtteilschule eine Resteschule wird?

Gerda: Liebe Hortensie, lieber Herr Rosenboom, sollte man nicht lieber der Beliebtheit des Gymnasiums Rechnung tragen (offenbar ist es ja eine beliebte und erfolgreiche Schulform), anstatt es ideologisch motiviert zu bekämpfen?

Norbert Rosenboom: Hallo, dies ist eine wirklich schwierige Frage, weil sich daran der Erfolg beider Schulformen entscheiden wird. Wir werden die Stadtteilschulen so konzipieren, dass sie die bestehenden Erfolge und Erfahrungen der heutigen Gesamtschulen fortsetzen kann, sie wird geringere Klassenfrequenzen als das Gymnasium aufweisen. Von der Berufsorientierung bis zum methodisch ausgewiesenen Fachunterricht wird auch die Stadtteilschule qualifiziert unterrichten, um die Studierfähigkeit zu erreichen. Hortensie: Liebe Gerda, wie kommen Sie darauf, ich sei ein Befürworter der Schulreform? Ich habe diese Frage bewusst aus dieser Richtung gestellt, um Herrn Rosenboom zu einer verwertbaren Aussage zu einer ggf. geänderten Quotifizierung zu bringen.

Vielen Dank!

Moderator: Sehr geehrter Herr Rosenboom! wir danken Ihnen herzlich, dass Sie heute im Bürgerhaushalt teilgenommen haben und die Fragen zum Thema Bildung so engagiert diskutiert haben.

Wir danken auch den Bürgerinnen und Bürgern, die sich für dieses Thema interessiert und engagiert mitdiskutiert haben. Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Tag! Viele Grüße, Maren Lübcke (Moderation) John: ich möchte ebenfalls Herrn Rosenboom danken. Er hatte auch die undankbare Aufgabe politische Entscheidungen vertreten zu müssen, die er nicht selbst getätigt hat.

Norbert Rosenboom: Liebe Chat-Teilnehmerinnen und Teilnehmer, vielen Dank für die interessanten Fragen. Ich hoffe unsere Antworten trugen zur Klärung bei. Mit freundlichen Grüßen, Norbert Rosenboom

Livediskussion mit Wolfgang Rose, Landesbezirksleiter ver.di Hamburg und SPD-Bürgerschaftsabgeordneter

Am 9.07.2009 diskutierte Wolfgang Rose, der Landesbezirksleiter bei ver.di Hamburg und SPD-Bürgerschaftsabgeordnete, im Rahmen einer Livediskussion mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die folgenden Themen: Herzlich Willkommen bei der Livediskussion!

Moderator: Sehr geehrter Herr Rose, wir begrüßen Sie herzlich zu unserer Diskussion zum Bürgerhaushalt Hamburg und freuen uns, dass sie sich die Zeit nehmen, mit uns über Fragen des Hamburger Haushalts zu diskutieren! Zur Eröffnung würde ich Sie gern zunächst einmal fragen wollen, wie Sie die aktuelle finanzielle Lage der Stadt Hamburg einschätzen? Viele Grüße, Birgit Hohberg (Moderation) Wolfgang Rose: Guten Morgen Frau Hohberg, die Stadt ist durch die Fehlentwicklungen bei der HSH-Nordbank in eine zusätzliche Krise geraten, die in den Folgejahren vermutlich mehrere hundert Mio. Zinsen erfordert. Ansonsten ist die Einnahmeseite nicht ausreichend, um die öffentlichen Aufgaben, besonders im Bildungs- und Sozialbereich, angemessen wahrzunehmen.

Dadurch wächst die soziale Spaltung weiter und aufgrund der Steuerausfälle in den kommenden Jahren droht diese Spaltung sich dramatisch zuzuspitzen. Also: Mehr Beiträge der „breiten Schultern".