Bearbeitung komplexer Betreuungsfälle

Es gibt Betreuungsfälle, die eine erhebliche Komplexität und Vielschichtigkeit aufweisen und dann in der Regel auch mit einem enorm hohen Arbeits- und Zeitaufwand verbunden sind. Besonders wenn bei schwerer gesundheitlicher Beeinträchtigung zeitgleich verschiedene gerichtliche Verfahren an unterschiedlichen Orten zu bewältigen sind, Insolvenzverfahren zu durchlaufen und Erbschaftsfragen zu klären sind und die Delegation einzelner Aufgaben an Anwälte, Makler oder Steuerberater aufgrund der Verschuldung nicht möglich ist.

In manchen dieser sehr komplexen Betreuungsfälle sehen sich selbst erfahrene Berufsbetreuerinnen beziehungsweise Berufsbetreuer nicht mehr in der Lage, unter den gegebenen Rahmenbedingungen des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG) die rechtliche Betreuung ihrer Klientin beziehungsweise ihres Klienten aufrechtzuerhalten.

Ich frage den Senat oder die zuständige Behörde:

1. Welche rechtlichen Regelungen gibt es für extrem zeit- und kostenaufwendige Betreuungsfälle?

Das Gesetz kennt „extrem zeit- und kostenaufwendige Betreuungsfälle" weder dem Begriff noch der Sache nach und hält für damit umschriebene Fallgruppen keine speziellen Regelungen bereit. Indirekt wirkt sich die Schwierigkeit eines Betreuungsfalles bei der Wahl des konkret „geeigneten" (§ 1897 Absatz 1 BGB) Betreuers aus, der auf Vorschlag der Betreuungsbehörde vom Betreuungsgericht bestellt wird. Nach der gesetzlich vorgegebenen Rangfolge ist in erster Linie eine ehrenamtlich tätige Einzelbetreuerin beziehungsweise ein ehrenamtlich tätiger Einzelbetreuer zu bestellen (§ 1897 BGB). Bei besonders komplizierten Angelegenheiten kann es geboten sein, eine professionelle Betreuerin/einen professionellen Betreuer (selbstständige Berufsbetreuerin/selbstständigen Berufsbetreuer), eine Vereinsbetreuerin/einen Vereinsbetreuer oder eine Behördenbetreuerin/einen Behördenbetreuer zu bestellen. Wenn eine geeignete natürliche Person nicht gefunden wird, bestellt das Betreuungsgericht einen Verein oder die Behörde als Betreuer (§ 1900 BGB).

Die Vergütung nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) sieht für Betreuer (Berufsbetreuer und Vereinsbetreuer) drei unterschiedliche Stundensätze vor, die sich danach unterscheiden, ob die Betreuerin/der Betreuer aufgrund ihrer/seiner Ausbildung über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind (§ 4 VBVG). Damit wird der Nachfrage nach höher qualifizierten Berufsbetreuern in gewissem Umfang Rechnung getragen. Tätigkeiten, die die Betreuerin/der Betreuer nur aufgrund einer besonderen Ausbildung erbringen kann und für die ein Betreuer ohne diese fachlichen Voraussetzungen einen dafür qualifizierten Dritten hinzugezogen hätte, werden zu den dafür üblichen Sätzen honoriert (§§ 1835 Absatz 3, 1908 BGB, § 4 Absatz 2 VBVG). Für einen zum Betreuer bestellten Rechtsanwalt bedeutet dies, dass seine „normale" Tätigkeit als Betreuer nicht nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, sondern nur nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz zu vergüten ist (§ 1 Absatz 2 RVG). Nur wenn ein nicht anwaltlicher Betreuer bei sachgerechter Arbeitsweise einen Rechtsanwalt beauftragt hätte, kommen die Gebührentatbestände des RVG auch für den Rechtsanwalt als Betreuer zur Anwendung. Der ehrenamtlichen Betreuerin/dem ehrenamtlichen Betreuer, die/der nicht die pauschale Entschädigung nach § 1835 a BGB geltend macht, steht ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen zu (§ 1835 Absatz 1 BGB). Dazu können auch Kosten gehören, die für die Inanspruchnahme des Fachwissens Dritter (unter anderem von Rechtsanwälten, Steuerberatern) anfallen. Das gleiche gilt für Behördenbetreuer und Betreuungsvereine unter der Voraussetzung, dass der Betreute nicht mittellos ist (§ 8 VBVG). Im Übrigen ist der Gesetzgeber beim Übergang auf das System der Pauschalvergütung nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz davon ausgegangen, dass ein Berufsbetreuer sowohl umfangreiche als auch weniger arbeitsintensive Betreuungen bearbeitet, sodass auf diesem Weg ein gewisser Ausgleich zu erwarten sei.

Bei anhängigen Gerichtsverfahren besteht die Möglichkeit für den Betreuten, nach den jeweiligen Verfahrensordnungen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes zu beantragen.

2. In wie vielen Fällen haben Berufsbetreuer um „Entlassung aus ihrem Amt" gebeten, weil der Umfang der erforderlichen Betreuung den Rahmen der pauschalierten Vergütung bei Weitem überstieg und auch durch eine Mischkalkulation der Fälle nicht mehr möglich war? (Bitte nach Jahren seit 2000 aufgeschlüsselt darstellen.)

Die zur Beantwortung benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst.

Eine Einzelfallauswertung ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die befragten Amtsgerichte haben auf Nachfrage berichtet, dass es sich nur um vereinzelte Fälle handele. Ein Amtsgericht hat berichtet, dass es in Einzelfällen dazu gekommen sei, einen Rechtsanwalt als „Mitbetreuer" einzusetzen, weil besondere Rechtskenntnisse erforderlich gewesen seien, über die der Berufsbetreuer nicht verfügt habe.

3. In wie vielen Fällen konnten Berufsbetreuuer solche extrem komplexen Fälle nicht übernehmen?

Die zur Beantwortung benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst.

Eine Einzelfallauswertung ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die befragten Amtsgerichte haben von keinem Fall berichtet, bei dem ein Berufsbetreuer einen „extrem komplexen" Fall nicht habe übernehmen können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Betreuungsbehörde mit ihrem Vorschlag eine Vorauswahl trifft, sie ihren Vorschlag gegebenenfalls auch schon mit dem in Aussicht genommenen Berufsbetreuer bespricht und auf diesem Weg von vornherein nur geeignete und zur Übernahme bereite Betreuer an das Gericht gemeldet werden.

4. Wenn keine Berufsbetreuerin oder Berufsbetreuer in der Lage ist, einen solchen Fall zu übernehmen, ist die Betreuungsbehörde dann aktuell in der Lage, derart komplexe Betreuungsfälle selbst zu übernehmen?

Die Betreuungsbehörde ist grundsätzlich in der Lage, „extrem komplexe" Betreuungsfälle selbst zu übernehmen. In der Praxis ist dies nicht vorgekommen, weil sie in jedem Einzelfall, in dem sie von den Gerichten um einen Vorschlag einer Betreuerin oder eines Betreuers gebeten wird, eine geeignete natürliche Person als Betreuer vorschlagen kann.

Wie viele solcher extrem komplexen Betreuungsfälle werden seit wann von der Betreuungsbehörde geführt?

Wie hoch sind dann die Kosten der von der Betreuungsbehörde geführten extrem komplexen Betreuungsfälle?

Wie werden diese Kosten dann von der Betreuungsbehörde berechnet?

Entfällt.

5. Wenn die Betreuungsbehörde diese komplex gelagerten Betreuungsfälle nicht übernimmt:

Welche Stellen übernehmen dann diese Fälle?

Siehe Antworten zu 1. und 5.2 sowie zu 4.

Wie werden sie vergütet beziehungsweise wie erfolgt die Abrechnung?

Siehe Antwort zu 1.

Wer zahlt die Vergütung?

Der Vergütungsanspruch für alle Betreuungsfälle besteht gegen den Betreuten. Ist der Betreute mittellos, richtet sich der Anspruch gegen die Staatskasse (§§ 1835 Absatz 4, 1908 BGB).

Wie oft wurden Anwälte bestellt, die nach BRAGO (Rechtsanwaltsgebührenordnung) gegenüber der Betreuungsbehörde abrechnen?

(Bitte nach Jahren seit 2000 aufgeschlüsselt darstellen.) Betreuer werden auf Vorschlag der Betreuungsbehörde von den Betreuungsgerichten bestellt. Die Abrechnung von Vergütungsansprüchen erfolgt zwischen Betreutem und Betreuer oder ­ bei Mittellosigkeit ­ durch das Amtsgericht zulasten der Staatskasse.

Ergänzend wird auf die Antwort zu 4. verwiesen.

Dementsprechend hat die Betreuungsbehörde weder Rechtsanwälte für „komplex gelagerte" Betreuungsfälle bestellt, noch mit ihnen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abgerechnet.

Und, wie viele komplexe Betreuungsfälle dieser Art gibt es? (Bitte nach Jahren seit 2000 aufgeschlüsselt darstellen.)

Die zur Beantwortung benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst.

Eine Einzelfallauswertung ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.