Jetzt lasse ich über das Gesetz zur Änderung schulrechtlicher Bestimmungen Drucksache 17778 in zweiter Lesung

Stimmenthaltungen?

(Abg. Tittmann [parteilos])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Änderungsantrag zu.

Jetzt lasse ich über das Gesetz zur Änderung schulrechtlicher Bestimmungen, Drucksache 17/778, in zweiter Lesung abstimmen.

Wer das Gesetz zur Änderung schulrechtlicher Bestimmungen unter Berücksichtigung der soeben vorgenommenen Änderungen in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen DIE LINKE, FDP und Abg. Timke [BIW]) Stimmenthaltungen?

(Abg. Tittmann [parteilos])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in zweiter Lesung. Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Mitteilung des Senats, Drucksache 17/837, Kenntnis.

Frau Senatorin, Sie hätten die Möglichkeit, die Antwort mündlich zu wiederholen. Ich gehe davon aus, dass Sie es nicht möchten.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. ­ Das ist der Fall.

Abg. Rohmeyer (CDU): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen wieder einmal das wichtige Thema Biblische Geschichte auf die Agenda gesetzt. Wir haben als CDU nachgefragt, wie es tatsächlich mit dem Unterricht in Biblischer Geschichte in Bremen und Bremerhaven aussieht, und die Antwort ist verheerend! Verheerend für die Schulen im Lande Bremen, verheerend für die Bildungsbehörde, die dies beaufsichtigt, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Die Erteilung dieses Unterrichts findet in Teilen so gut wie gar nicht mehr statt, und das ist ein weiterer Skandal, obwohl die Schulen diese Stunden zugewiesen bekommen und zum Teil für andere Bereiche gebrauchen oder missbrauchen. Für uns als Christlich Demokratische Union hat das Fach Biblische Geschichte eine besondere Bedeutung, nicht nur weil es in Artikel 32 unserer Landesverfassung abgesichert ist und somit das einzige Unterrichtsfach ist, das einen entsprechenden Verfassungsrang hat. Religionsunterricht ist Wertevermittlung, meine Damen und Herren, und diese bremische Besonderheit darf nicht nicht stattfindet.

(Beifall bei der CDU)

Der Religionsunterricht auf allgemein christlicher Grundlage ist freiwillig, aber neben dem Alternativfach Philosophie und dem Fach, das wir zumindest an einem Standort schon haben, wo wir uns als CDU gern dafür einsetzen, dass es an weiteren Standorten stattfindet, Islamkunde, ist dies ein ganz wesentliches Fach mit seinen beiden Alternativfächern, um Werte, Demokratie und Toleranz Schülerinnen und Schülern zu vermitteln. Darum muss es an allen Schulen in Bremen und Bremerhaven auch tatsächlich unterrichtet werden, und dazu fordern wir Sie auf, Frau Senatorin!

(Beifall bei der CDU)

Wir haben in den letzten 15 Jahren hier im Hause öfter über Biblische Geschichte gesprochen. Neben uns haben auch die Grünen einmal in den auch immer wieder nach der Unterrichtssituation gefragt.

Die Aussage des Senats war immer dieselbe, der Unterricht wird zwar an fast allen Schulen erteilt, in der Grundschule, wenn man dann aber genauer nachfragt, wie viele Stunden dort erteilt werden, wie viele Schülerinnen und Schüler teilnehmen, die Antwort ist von mal zu mal in die Richtung gegangen, immer weniger Unterricht wird tatsächlich in den Schulen erteilt. Dies werden wir nicht hinnehmen, dies können wir nicht hinnehmen, und wir werden uns auch etwas intensiver um dieses Feld kümmern müssen.

Ich will gleich die Diskussion aufgreifen, die nach unserer letzten Debatte, die wir mit dem Fach Islamkunde hatten, kam, als Bündnis 90/Die Grünen, namentlich Herr Dr. Kuhn, einen Vorschlag gemacht hat, der in die Richtung einer allgemeinen Religionskunde ging, einen Religionsgemischtwarenladen habe ich das genannt. Was auch immer Sie da machen wollen, dies werden wir nicht mitmachen, meine Damen und Herren! Ein Religionsunterricht in Bremen findet, das ist die bremische Besonderheit, auf allgemein christlicher Grundlage statt.

Es ist richtig, dass es hier ein Religionsunterricht in Bremen ist, nicht konfessionell, aber auf der allgemeinen Grundlage, und keine allgemeine Religionskunde, wie Sie sich das vorstellen. Das Entscheidende ist, dass alle Weltreligionen in diesem Unterrichtsfach und den beiden Alternativfächern auch tatsächlich vorgestellt werden. Für uns ist es nämlich wichtig, dass auch die Religion vermittelt wird, nicht missionierend, aber vermittelt wird, und nur jemand, der tatsächlich auch in dieser Religion zu Hause ist, kann dies hier auch den Schülerinnen und Schülern vermitteln.

Wir haben in der Vergangenheit heftig darum gerungen, wir werden auch in Zukunft heftig ringen.

Die Bildungssenatorin hat eine Internetplattform eingerichtet, es hat ein Forum gegeben, es gibt eine Arbeitsgruppe, das heißt, es ist Bewegung darin. Eine Änderung der Landesverfassung, will ich ganz deutlich sagen, in die Richtung, wie zum Beispiel Bündnis 90/Die Grünen das vorhaben, ist mit uns nicht zu machen!

Wir müssen uns stattdessen intensiv darüber unterhalten, wie das Fach auch tatsächlich an allen Standorten unterrichtet wird. Wir müssen uns darüber unterhalten, wie es sein kann ­ das ist zwar eine Folge eines Staatsgerichtshofurteils ­, dass Lehrerinnen und Lehrer mit der Fakultas und zum Zwecke der Unterrichtung Biblischer Geschichte in den Schuldienst eingestellt werden, aber kurz nach ihrer Einstellung dann mitteilen, dass sie aufgrund ihrer Gewissensfreiheit jetzt doch nicht mehr in dem Fach unterrichten.

Ein praktischer Vorschlag, Frau Senatorin, ist: Diese Lehrer werden dann in ihrer Stundenzahl tatsächlich so halbiert, dass sie nur noch in ihrem Zweitfach unterrichten. Wer sich für Biblische Geschichte einstellen lässt, sollte dann auch in diesem Fach unterrichten.

Ich bin schon dafür, dass wir mehr Lehrerinnen und Lehrer haben, die für dieses Fach auch tatsächlich ausgebildet sind und nicht fachfremd unterrichten.

Das hat auch etwas mit der Qualität des Unterrichts im Fach Biblische Geschichte zu tun.

(Beifall bei der CDU)

In den letzten Monaten ist die Diskussion um Religionsunterricht an Schulen entbrannt, nachdem es in Berlin auch eine Diskussion und dann das Volksbegehren gegeben hat. Ich glaube, es ist richtig, dass wir diskutieren. Ich glaube aber, es ist genauso richtig, dass man einen roten Faden in dieser Debatte verfolgt. Ich gestehe Bündnis 90/Die Grünen zu, sie wollen etwas völlig anderes als wir, (Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Das beruhigt mich!) aber wir werden uns da nicht einigen. Ich würde mich nur freuen, wenn die Behörde auch einen roten Faden hätte und beispielsweise sagen würde, dass ein Fach, das in der Stundentafel ausgewiesen ist, mit den Stunden auch tatsächlich unterrichtet wird, und dies zum Beispiel auch dem Schulamt Bremerhaven mitteilte, denn das Land Bremen zahlt die Lehrerinnen und Lehrer in Bremerhaven dafür! Die Situation in Bremerhaven ist schlechter als in Bremen, das kann man, Frau Böschen, glaube ich, so festhalten. Ich weiß nicht, ob Sie damit zufrieden sind. Wir sind damit nicht zufrieden.

(Abg. Frau Böschen [SPD]: Ich glaube, wir haben andere Probleme!)

Ich glaube, es gibt kein wichtigeres Problem, als Schülerinnen und Schülern Werte zu vermitteln. Wir haben heute ein Problem, dass viele Schülerinnen und sollte der Staat in seinem Schulunterricht dies tun.

Wenn Sie damit ein Problem haben, freue ich mich gleich auf Ihren Redebeitrag. Ich glaube, dass dies eine wichtige Debatte ist und wir jetzt einen Einstieg in die Debatte gefunden haben.

Ich bin dankbar für die umfangreiche Beantwortung der Großen Anfrage, aber der Inhalt ist es, der uns dabei nicht glücklich macht. Daher werden Sie uns gestatten, dass wir dies hier auch entsprechend sehr kritisch ansprechen.

Ich bin mir sicher, dass wir nach dieser Debatte erst einen weiteren Zwischenschritt haben werden, bin aber auch gespannt, Frau Senatorin, ob Sie auch noch detaillierter etwas zum Stand der Arbeitsgruppe Biblische Geschichte sagen können. ­ Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU) Vizepräsident Ravens: Nächster Redner ist der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Abg. Dr. Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Antwort des Senats bestätigt den Befund, der auch in den vergangenen Jahren schon durch verschiedene Anfragen und Untersuchungen offensichtlich geworden ist: Das Fach Biblischer Geschichtsunterricht ist tatsächlich im Land Bremen in keinem guten Zustand. Es findet nur zu einem ziemlich geringen Teil statt, und man hat den klaren Eindruck, dass nicht Schulpolitik, nicht planvolles Verwaltungshandeln, sondern seit längerer Zeit eher Zufälle verschiedener Art bestimmen, wo, in welchem Umfang, von wem und in welcher Weise dieser Unterricht in Bremen gegeben wird. Wobei zu den glücklichen Umständen und Zufällen das Engagement vieler Lehrerinnen und Lehrer gehört, die guten Unterricht machen, allerdings einen Unterricht ­ das muss man doch zugestehen ­, der mit definiert als christlicher Gesinnungsunterricht, nur noch sehr wenig zu tun hat! Das ist einfach der Widerspruch, mit dem wir es heute zu tun haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) Man kann auf diese Diagnose, die erneut vorliegt, so reagieren ­ die Kirche hat es ähnlich getan, die CDU macht es so ­: Nun muss der Senat aber endlich einmal etwas tun, wir haben den Anspruch, es steht doch aber da! Wir glauben nicht, dass das wirklich zielführend ist, da die Entwicklung dieses Unterrichtsfachs in Wirklichkeit nur widerspiegelt, was sich seit 1947, seit dem Zweiten Weltkrieg, gesellschaftlich geändert hat.

Das Fach Biblischer Geschichtsunterricht, wie es einmal aufgeschrieben war ­ auch da schon unterschiedlich interpretiert ­, hat in Wirklichkeit gar keine reale Basis mehr. Ich denke da vor allen Dingen an die tiefgehenden Veränderungen, die die Rolle der Religion in den letzten Jahren durchgemacht hat, und auch an die Realität einer pluralen Einwanderungsgesellschaft, wie sie sich unseren Schulen in den Klassen nun einmal ganz leibhaftig und quicklebendig zeigt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Die Initiative, die die Grünen im vergangenen Jahr beschlossen haben, zielt auf die Schaffung einer neuen, tragfähigen Grundlage. Wir wollen, dass an den staatlichen Schulen Bremens ein gemeinsamer Unterricht über Religionen gegeben wird, über Religionen, ihre großen Erzählungen, ihre Geschichte, auch über die Geschichte der Kritik an der Religion ­ das gehört nämlich dazu ­ und auch über ihr Verhältnis zu Moral, Ethik und Philosophie. Dieser Unterricht muss, das ist für uns der entscheidende Punkt, alle Religionen im Grundsatz gleich behandeln.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte unseren Vorschlag gern in vier Punkten weiter erläutern und begründen. Ich will vorausschicken, dass ich glaube, dass die Frage des Religionsunterrichts keine Frage des Curriculums ist, sondern eine grundlegende Frage des gesellschaftlichen Zusammenlebens, die weit über religiöse Fragen und Schulfragen hinausgeht. Deswegen erlauben Sie mir, dass unsere Antworten zum Teil auch umfassender begründet sind!

Erster Punkt: Junge Menschen sollen nach unserer Überzeugung als Teil ihrer Bildung und Erziehung auch Kenntnisse über Religionen vermittelt bekommen. Das ist nun wirklich kein banaler oder selbstverständlicher oder unumstrittener Satz. Er ist eine bewusste Entscheidung, auch gegen die gegenwärtige Abstimmung mit den Füßen, die ja in den Schulen stattfindet. Es ist ja nicht so, dass das eine Erfindung von uns wäre, sondern es ist eine Realität, dass diese Meinung sich durchsetzt, man müsse eigentlich darüber nichts wissen. Wir sind aber ausdrücklich dafür, wie Professor Lott es zugespitzt gesagt hat, dass es in den Schulen eine religionskundliche Alphabetisierung gibt. Denn es ist auch Realität, dass viele von zu Hause aus das einfach nicht mehr wissen. Wir aber sind der Überzeugung, Kenntnisse über Religion, Begegnungen mit ihrer Geschichte und ihren Antworten gehören zum Bildungsauftrag der Schulen, wie wir ihn verstehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) Zweiter Punkt: Religionsfreiheit! Als grundlegendes Menschenrecht ist es das Recht jedes Menschen, ungehindert und frei seine Religion auszuüben. Also per definitionem ist Religionsfreiheit Freiheit der Religion in der Mehrzahl, die Freiheit von Religionen.

Wir Grünen ergänzen dabei, sie ist auch Gleichberechtigung der Religionen.

In dem Unterricht, den wir uns vorstellen, gibt es keine Monopolstellung, keinen Vorrang einer Religion, einer Religionsgemeinschaft von Staats wegen.

Es wird selbstverständlich immer Unterschiede in der kulturellen Bedeutung in Klassen, in Schulen geben, aber keinen Vorrang von Staats wegen. Wir bestehen auf Augenhöhe und gleichen Respekt gegenüber allen Religionen, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir halten das nicht nur für eine grundsätzliche Position, sondern auch für eine aktuelle politische Herausforderung. Wir erwarten ja von den muslimisch gläubigen Menschen, dass sie sich in eine christlich geprägte, aber doch säkulare Gesellschaft einfinden.

Dazu gehört auch, dass sie sich kritische Fragen stellen lassen müssen ­ jede Religion muss das. Ich erinnere an die Ausstellung, die wir hatten: Karikaturen in der christlichen Religion.