Wohnhaus
Die von der Hamburgischen Bürgerschaft am 23. Januar 2008 beschlossene Entwicklung eines „Gesamtkonzepts für Orte des Gedenkens an die Zeit des Nationalsozialismus 19331945 in Hamburg" sieht „in der Topografie der Hamburger Gedenkorte" für die KZ-Gedenkstätte Neuengamme eine „zentrale Rolle" vor. Dieses entspricht der historischen Bedeutung des Konzentrationslagers Neuengamme, das mit über 100.000 Häftlingen (die Hälfte überlebte nicht) und 85 Außenlagern zu den großen KZHauptlagern zählte, wie dem Professionalisierungsgrad der Gedenkstätte als zeitgeschichtlichem Museum und moderner Bildungseinrichtung. Die nach der Verlagerung der beiden, das Gelände bis 2003 beziehungsweise 2006 nutzenden, Gefängnisse umfassend neu gestaltete Gedenkstätte bietet heute mit fünf Ausstellungen, einem 57 Hektar großen Außengelände mit 15 erhaltenen KZ-Gebäuden, einem „Offenen Archiv" und einem Studienzentrum ihren jährlich über 60.000 Besucherinnen und Besuchern ein umfassendes Informationsangebot, das durch auch an anderen Orten stattfindende Veranstaltungen und Sonderausstellungen ergänzt wird. Trotz der im Vergleich etwa zu Bergen-Belsen geringeren Bekanntheit hat die Gedenkstätte in den letzten Jahren einen enormen Bedeutungszuwachs erfahren, der auf die Neugestaltung des weitläufigen Geländes mit einer vergleichsweise großen Zahl erhaltener KZ-Bauten, auf die Qualität der pädagogischen Angebote mit jährlich ca. 1.500 Gruppenbegleitungen, davon 200
Projekttagen, sowie auf die zunehmend international ausgerichteten Seminarangebote des 2005 eröffneten Studienzentrums zurückgeführt werden kann. Zu den Besonderheiten zählt, dass alle fünf Dauerausstellungen auf dem Gelände in Gebäuden gezeigt werden, die selbst Exponat sind: Die 2.000 m² große und mit zahlreichen Medien versehene Hauptausstellung „Zeitspuren" über das KZ Neuengamme 1938 bis 1945 und seine Nachgeschichte in einem 1943/44 im Häftlingslager errichteten Unterkunftsgebäude, die Studienausstellung „Dienststelle KZ Neuengamme", die sich anhand von Prozessunterlagen und Biografien mit der Geschichte der Täter auseinandersetzt, in den früheren SS-Garagen, ferner die beiden Ausstellungen zu den sich stark unterscheidenden Bedingungen in der Ziegel- und Rüstungsproduktion im ehemaligen Klinkerwerk und in der ehemaligen Waffenfabrik der Firma Walther und die an einem als „Zeitschnitt" erhaltenen Mauerrest der 1970 errichteten Jugendhaftanstalt angebrachte Freiluft-Ausstellung „Gefängnisse und Gedenkstätte: Dokumentation eines Widerspruchs". Im Außengelände, das heute nahezu das gesamte Areal des ehemaligen KZ umfasst, verdeutlichen Stahlpfosten den früheren Zaunverlauf und aus Abrisssteinen errichtete Gabionen die einstigen Barackengrundrisse. Ein Tafelsystem und seit 2008 ein mehrsprachiger Audioguide bieten weitere Informationsmöglichkeiten.
Die Bedeutung der Gedenkstätte findet seit 1999 auch dadurch Anerkennung, dass die Bundesregierung Neuengamme als exemplarischen Ort für den Komplex „Vernichtung durch Arbeit", für die extensive Ausnutzung der Häftlingsarbeitskraft im KZ-System, zu den Gedenkstätten von gesamtstaatlicher Bedeutung zählt. An den Kosten der Neugestaltung beteiligte sie sich durch Projektfinanzierungen mit 50 Prozent. Seit dem 1. Januar 2009 ist der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien durch eine institutionelle Förderung auch in die Mitträgerschaft eingetreten. Die regelmäßige, jährliche Zuwendung des Bundes beträgt bis zu 725 Tsd. Euro, die der Gedenkstätte zusätzlich zu den im Hamburger Haushalt ausgewiesenen Mitteln von 2.026 Tsd. Euro zur Verfügung stehen. Auf der Grundlage eines zwischen Land und Bund ausgehandelten Wirtschaftsplanes dient der Mittelzuwachs zur Deckung des Betriebskostendefizits, für dringend erforderliche Maßnahmen der Bauunterhaltung, zur Stärkung des Besucherservices und der pädagogischen Arbeit. So können ab diesem Jahr auch die Gebührensätze für Gruppenbesuche in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme deutlich abgesenkt werden.
Die Aufnahme in die institutionelle Förderung des Bundes erforderte auch eine Neustrukturierung der Gedenkstätte, die zwar weiterhin als Dienststelle unmittelbar der Behörde für Kultur, Sport und Medien untersteht, deren Arbeit aber nunmehr durch drei neue, durch den Präses der Behörde berufene Gremien begleitet wird: einem aus den Vertretern der staatlichen Trägerschaft gebildeten Haushaltsausschuss, der den Jahresbericht berät und den Wirtschaftsplan beschließt, eine wissenschaftliche Fachkommission, die die inhaltlich konzeptionelle Arbeit begleitet, sowie ein aus der Amicale Internationale und weiteren Opferverbänden, aus gesellschaftlichen Organisationen, Religionsgesellschaften und besonders in der Gedenkstättenarbeit engagierten Gruppen gebildeter Beirat.
Die zur KZ-Gedenkstätte Neuengamme gehörenden Außenstellen Bullenhuser Damm, Fuhlsbüttel und Poppenbüttel, die alle drei in den 1980er Jahre aus Privatinitiativen entstanden, verbleiben jedoch in der ausschließlichen Trägerschaft Hamburgs:
Die 1985 eröffnete „Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel", umfasst neben einer Ausstellung auch einen Museumsteil mit einer original möblierten Behelfsheimwohnung des Jahres 1944. Die linke Gebäudehälfte beherbergt eine Ausstellung zur Geschichte des Außenlagers Sasel und zu den harten Arbeitsbedingungen, denen die KZ-Frauen im Plattenhausbau ausgesetzt waren. Im September 2008 wurde nach einer umfassenden Gebäudesanierung eine neue Dauerausstellung eröffnet, die das Themenspektrum auf die Verfolgung von Frauen im Nationalsozialismus, die Vernichtung jüdischen Lebens und die Geschichte aller Hamburger Frauenaußenlager des KZ Neuengamme erweitert.
In der „Gedenkstätte Konzentrationslager und Strafanstalten Fuhlsbüttel 19331945", die seit 1987 im Torgebäude
Am Suhrenkamp besteht, wurde am 4. September 2003, dem 70. Jahrestag der Errichtung des KZ Fuhlsbüttel, eine neue Dauerausstellung eröffnet. Sie informiert über die verschiedenen Opfergruppen im KZ und Polizeigefängnis Fuhlsbüttel, aber auch über die Geschichte der Strafanstalten in vornationalsozialistischer Zeit sowie über die Strafverfolgung der Täter nach 1945. Sie verfolgt dabei einen stark biografischen Ansatz und stellt zahlreiche Lebenswege von Fuhlsbüttel-Gefangenen dar. Des Weiteren bietet sie zu vielen Themen Vertiefungsmaterialien an. Eine schon für die erste Ausstellung nachgestaltete Einzelzelle, Originalkleidung und -gegenstände dienen der Veranschaulichung der Haftbedingungen. Für das Jahr 2010 ist eine Ergänzung der Ausstellung vorgesehen.
Die im April 1980, noch vor der Eröffnung des ersten Dokumentenhauses in Neuengamme, von der „Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm" in den Kellerräumen der damaligen Schule eröffnete „Gedenkstätte Bullenhuser Damm" wurde fast 20 Jahre lang privat unterhalten, ehe sie 1999 als Außenstelle der KZ-Gedenkstätte Neuengamme angegliedert wurde. Sie erinnert vorrangig an den, in der Nacht des 20. April 1945 von SS-Männern verübten, Mord an 20 jüdischen Kindern, die zuvor im KZ Neuengamme zu medizinischen Versuchen missbraucht wurden.
Zwar wurde die Gedenkstätte 1999 zur Übergabe renoviert und erweitert, aber eine Neugestaltung der Ausstellung mit zeitgemäßen Mitteln steht aus. Derzeit werden mit der Sprinkenhof AG Gespräche geführt, um durch eine Ergänzung der bisherigen Kellerflächen für Ausstellungszwecke besser geeignete Räumlichkeiten zu schaffen. Wenn die Finanzierung der erforderlichen Umbaumaßnahmen gelingt, ist die Eröffnung einer neuen Ausstellung für das Jahr 2011 vorgesehen.
Die sonntäglichen Öffnungen und die auch wochentags möglichen Gruppenführungen werden zwar inzwischen in allen drei Außenstellen durch die KZ-Gedenkstätte Neuengamme gewährleistet, doch erfährt diese dabei weiterhin Unterstützung durch ehrenamtlich tätige Betreuerkreise.
Die drei Außenstellen in Poppenbüttel, Fuhlsbüttel und am Bullenhuser Damm bilden mit den in Neuengamme selbst weniger im Vordergrund stehenden Themen Frauen als KZ-Häftlinge, Widerstand in Hamburg und jüdische Kinderschicksale eine wichtige Ergänzung
Die Geschichte der Hamburger Juden, ihre Ausgrenzung, Enteignung und Verfolgung im „Dritten Reich", schwerpunktmäßig dargestellt am jüdischen Schulwesen, ist das Thema der 1989 als Einrichtung der Hamburger Volkshochschule eröffneten „Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule" in der Karolinenstraße, die seit 1998 den Namenszusatz Dr. Alberto Jonas-Haus trägt.
Neben Materialien zur Geschichte der im Mai 1942 zwangsgeräumten Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde und zu den Verfolgungsschicksalen ihrer Lehrerinnen, Lehrer und Schülerinnen sowie der Präsentation der Dauerausstellung „Jüdisches Schulleben am Grindel" bietet die Gedenk- und Bildungsstätte im Rahmen der Hamburger Volkshochschule ein umfassendes Seminarprogramm zu jüdischer Geschichte und Kultur und zur Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit an.
Wenngleich nicht Gedenkstätte im eigentlichen Sinne, so ist hier auch auf die thematisch verwandte Dauerausstellung „Juden in Hamburg" hinzuweisen, die seit März 1997 im 2. Obergeschoss des Museums für Hamburgische Geschichte zu sehen ist. Zwar widmet sie sich der gesamten 400-jährigen Geschichte der Juden in Altona, Hamburg und Wandsbek, der jüdischen Religion und der Beiträge von Juden zur Hamburger Stadtgeschichte, doch sind die Zeit der Verfolgung im Nationalsozialismus, der Völkermord und das jüdische Leben nach dem Holocaust ebenfalls thematische Schwerpunkte.
Die durch Vereine in bzw. als Gedenkstätten unterhaltenen Ausstellungen beschäftigten sich mit den Themen des Zwangsarbeitereinsatzes, des Bombenkriegs und des Widerstands:
In unmittelbarer Nähe des Flughafens Fuhlsbüttel sind eine Unterkunftsbaracke sowie Teile einer Wasch- und Abortbaracke eines 1942 errichteten Zwangsarbeiterlagers erhalten geblieben, die seit 10 Jahren von der Willi-BredelGesellschaft schrittweise zum Aufbau einer Dokumentation zur Zwangsarbeit im nationalsozialistischen Hamburg genutzt werden. Mit öffentlicher Unterstützung restaurierte die Geschichtswerkstatt die ursprünglich zum Abriss vorgesehene, bis 1997 für Wohnzwecke genutzte Baracke und sicherte weitere Spuren im Außengelände.
Die Ausstellung, die sich mit der Präsentation von Originalobjekten, Modellen und Nachbauten um Anschaulichkeit bemüht, schildert schwerpunktmäßig die Lebens- und Arbeitsbedingungen, denen die überwiegend aus den Niederlanden, Frankreich und Italien stammenden Zwangsarbeiter in dem für die Firma Kowahl & Bruns errichteten Lager unterworfen waren, bietet darüber hinaus aber auch Informationen zum Gesamtsystem des Zwangsarbeitseinsatzes in der Hamburger Kriegswirtschaft, der bis zu 1.300 Lager und Arbeitseinsatzorte umfasste.
Über den Bombenkrieg und seine Folgen informieren das Bunkermuseum Hamm und das Dokumentationszentrum im Mahnmal St. Nikolai.
In einem der über 350 unterirdischen Röhrenbunker, die bis 1943 in Hamburg vor allem in Wohngebieten ohne ausreichende Keller- und Schutzräume gebaut wurden, betreibt das Stadtteilarchiv Hamm seit Oktober 1997 eine ständige Ausstellung. Sie informiert über die Geschichte des Luftschutzes, stellt verschiedene Luftschutzbauten vor, dokumentiert die Zerstörung von Hamm und Hammerbrook im Juli 1943 sowie die Luftangriffe auf London.
Zusätzlich werden in dem mit nachgebautem Mobiliar in seinen Ursprungszustand versetzten Bunker zahlreiche persönliche Gegenstände von Betroffenen präsentiert.
In der Krypta der Ruine von St. Nikolai am Hopfenmarkt, die sich seit den 1970er Jahren schrittweise zu einem Mahnmal für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft entwickelte, eröffnete 1992 der fünf Jahre zuvor gegründete Förderkreis „Rettet die Nikolaikirche" ein Dokumentationszentrum, das Informationen über die Geschichte der Nikolaikirche, zur Zerstörung Hamburgs in der „Operation Gomorrha" im Sommer 1943 und Sonderausstellungen zu Themen der nationalsozialistischen Verfolgung bietet. Die 2006 in Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme überarbeitete Dokumentation wird durch zwei ständige Präsentationen zu den deutschen Luftangriffen auf Warschau und Coventry ergänzt. Auf der Aussichtsplattform des Kirchturmes in 76 m Höhe, zu erreichen mit einem im Jahre 2005 eingerichteten gläsernen Panoramalift, bilden großformatige Fotos aus dem Jahr 1943 den Blick vom Kirchturm über die zerstörte Stadt ab.
Bereits seit 1969 befindet sich in dem ehemaligen Wohnhaus des KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann in der Tarpenbekstraße 66 eine Gedenkstätte, die von ehemaligen Weggefährten Thälmanns initiiert wurde und seither vom Kuratorium „Gedenkstätte Ernst Thälmann" betrieben wird. In einer ständigen Ausstellung werden Dokumente zur Geschichte der Arbeiterbewegung und des Arbeiterwiderstands gezeigt. Im Mittelpunkt steht das Wirken Ernst Thälmanns als Vorsitzender der KPD, seine verschiedenen Haftstationen in Berlin, Hannover und Bautzen und seine Hinrichtung 1944 im KZ Buchenwald. Gedenktafeln erinnern an weitere, zumeist kommunistische Politiker, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden. In Hamburg gibt es keine weitere Dauerausstellung, die den Widerstand gegen das Nazi-Regime in seiner ganzen politischen und gesellschaftlichen Breite ins Zentrum ihrer Vermittlungsbemühungen stellt (siehe Anlage 4).
4. Bürgerschaftliches Ersuchen, Ziff. 1.d): Perspektiven der Gedenkstättenentwicklung und neue Projekte
Das Bürgerschaftliche Ersuchen sieht bei Ziff. 1.d) vor, „möglicherweise zukünftig als Gedenkorte hinzukommende, historisch bedeutsame Stätten, die von den natio nalsozialistischen Verbrechen oder dem Widerstand zeugen", aufzulisten.
Aussagen über die zukünftige Entwicklung der Erinnerungskultur zu treffen, ist schwierig, denn es lässt sich kaum prognostizieren, unter welchen Fragestellungen in den nächsten Jahren oder gar Jahrzehnten die nationalsozialistische Vergangenheit betrachtet wird, was dann als besonders erinnerungs- und bewahrenswert erscheinen mag. Stätten, die von der Ausgrenzung als „volksschädlich" und „gemeinschaftsfremd" stigmatisierter Personen zeugen, wie etwa das Pflegeheim Farmsen und das Pik As, oder Lokale, in denen sich Swing-Jugendliche zum Tanzen trafen, wären vor Jahren überhaupt nicht der Erwähnung wert befunden worden. Andere Orte, die in hohem Maße für Repression, Verfolgung und gewaltsamen Tod stehen, wie etwa der Ort des „Arbeitserziehungslagers" Langer Morgen in Wilhelmsburg, oder die bedeutsam für den Widerstand in Hamburg waren, wie etwa die Geheimverstecke der Schufos des republikanischen Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, finden heute weniger Aufmerksamkeit, doch kann auch hier nicht vorausgesagt werden, wie sich das öffentliche Interesse zukünftig artikulieren wird.
Eine Auflistung historisch bedeutsamer Stätten, die bis heute keine weiter gehende Beachtung als Gedenkort gefunden haben, könnte deshalb auch nicht abschließend sein, zumal sie auch „dem Missverständnis Vorschub leisten könne, dass damit ein Schlusspunkt gesetzt werden solle" (Bericht des Kulturausschusses vom 12. November 2007; Drucksache 18/7373).
Auf der Grundlage des jetzigen Erkenntnisstands können hingegen bislang unbeachtete bzw. nicht hinreichend berücksichtigte Orte benannt werden, die in besonderer Weise für zeitgeschichtlich herausragende Ereignisse, für bedeutsame Widerstandsaktivitäten oder für den nationalsozialistischen Terror stehen, wie dies bei dem lange Zeit aus dem öffentlichen Gedächtnis verbannten Deportationsort Hannoverscher Bahnhof am Lohseplatz der Fall ist. Mit weiteren bislang unbekannten Orten von Massenverbrechen ist nicht zu rechnen, die entsprechenden Orte sind bekannt und mit Tafeln oder „Stolpersteinen" gekennzeichnet, wenngleich sie nicht immer im öffentlichen Gedächtnis präsent sind. Dies gilt für den ehemaligen Truppenübungs- und Schießplatz Höltigbaum ebenso wie für die Hinrichtungsstätte im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis, für den im Krankenhaus Langenhorn verübten Säuglingsmord ebenso wie für das Kinderkrankenhaus Rothenburgsort. Und auch die Orte von Massakern, wie demjenigen an vermutlich 174 Ostarbeitern im August 1943 in den Eidelstedter Winsbergen, sind bekannt, wenngleich nicht genau lokalisierbar.
Für den Erinnerungswert von Orten ist schließlich auch der Gesichtspunkt nicht unerheblich, ob sich wie bei den Standorten des ehemaligen „Arbeitserziehungslagers" der Gestapo in Wilhelmsburg, beim KZ Außenlager Blohm & Voss und beim Schießplatz Höltigbaum keine Spuren mehr finden lassen oder ob noch aussagekräftige Bausubstanz und Relikte in situ vorhanden sind, wie dies beispielsweise bei dem seit 1998 unter Denkmalschutz stehenden Getreidespeicher G am Dessauer Ufer der Fall ist.
Dessen Nutzung als KZ-Außenlager für 1.500 Jüdinnen und anschließend 2.000 männlichen Häftlingen lässt sich im weitgehend erhaltenen Gebäudeinneren gut nachvollziehen.
Die Bestandsaufnahme der Gedenkstätten mit der Darstellung ihrer inhaltlichen Schwerpunkte zeigt, dass mit Ausnahme noch fehlender Kennzeichnungen an den Orten einiger KZ-Außenlager (Blohm & Voss, Diago-Tiefstack, Stülckenwerft, 2. SS-Baubrigade) die Erinnerung an das Konzentrationslager Neuengamme durch die Entwicklung der Gedenkstättenarbeit in Neuengamme und in den Außenstellen heute zu Recht stark präsent ist. Nachholbedarfe bestehen hingegen bei anderen Themen bzw. im Blick auf andere Gedenkorte.
Hannoverscher Bahnhof/Lohseplatz
Während das KZ Neuengamme für die Verfolgung und Vernichtung vor allem nichtjüdischer Menschen aus ganz Europa steht, handelt es sich beim ehemaligen Hannoverschen Bahnhof am Lohseplatz um eine Stätte, die an die Verfolgung und Deportation der damals hier als Nachbarn lebenden Hamburger Juden, Roma und Sinti erinnert. Bislang wird das Deportationsgeschehen in keiner Hamburger Gedenkstätte und in keinem Museum schwerpunktmäßig behandelt. Lediglich einige wenige Tafeln in der Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule, in der Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel und in der Jüdischen Abteilung des Museums für Hamburgische Geschichte widmen sich bislang diesem Thema.
In den Jahren 1940 bis 1945 wurden 20 Züge vom Hannoverschen Bahnhof aus wohl in drei Fällen auch vom nahegelegenen Fruchtschuppen C mit 1.264 Sinti und Roma und 6.428 Juden in den Tod geschickt. Der Ort war danach jahrzehntelang aus dem Stadtgedächtnis wie ausgelöscht. Bürgerschaft und Senat haben sich dafür ausgesprochen, die wenigen Spuren und Überreste auf dem früheren Bahnhofsgelände, das Teil des in der östlichen HafenCity geplanten Parks („Lohsepark") ist, zu erhalten und dort einen Gedenkort einzurichten (Drucksache 18/7680).
Vor fünf Jahren begann ein intensiver, öffentlich geführter Beratungsprozess. Seine Meilensteine waren die Anfertigung von historischen Expertisen und von baugeschichtlichen Gutachten, im Februar 2005 eine erste Kennzeichnung im Rahmen des Tafelprogramms „Stätten der Verfolgung und des Widerstandes 1933-1945", die Gestaltung einer kleinen Grünfläche mit Informationstafel im Mai 2007, die Durchführung eines prominent besetzten Fachkolloquiums im Juni 2007, die kurz darauf erfolgte Unterschutzstellung der noch verbliebenen Reste des ehemaligen Bahnsteigs 2 und der Gleistrassen, die Einsetzung einer Steuerungsgruppe zur Erarbeitung eines Entwicklungskonzepts, das im Juli 2008 vorlag, dessen Diskussion in verschiedenen Gremien und in einem Werkstattgespräch im Oktober 2008 und schließlich im Juni 2009 die Auslobung eines freiraumplanerischen Ideen- und Realisierungswettbewerbs zum Lohsepark durch die HafenCity Hamburg GmbH, der im Ideenteil Vorschläge für einen Gedenkort fordert und an dem sich 30 renommierte Landschaftsarchitektenbüros, zum Teil in Arbeitsgemeinschaften mit Künstlern, beteiligen.
In den Beratungsprozess waren stets auch die Jüdische Gemeinde, die Rom und Cinti Union und das AuschwitzKomitee einbezogen. Sie sind auch beteiligt in der Expertengruppe, in der sich seit 2004 regelmäßig Vertreter parlamentarischer Gremien, der Behörden, Museen, der KZGedenkstätte Neuengamme und der HafenCity Hamburg GmbH treffen, sowie in der Jury des freiraumplanerischen Wettbewerbs zum Lohsepark.
Die Rom und Cinti Union ist auch in die Überlegungen einbezogen.