Der Staat muss neutral sein und das sollte er auch im Unterricht

Insofern kann der Staat das nicht vorgeben, sondern wir Bürger müssen uns dann selbst entscheiden, so wie ich das als Christ für mich getan habe, was für uns individuell das Beste ist. Das ist, glaube ich, die Sache, die wir hier sehr klar im Kopf haben müssen.

Der Staat muss neutral sein, und das sollte er auch im Unterricht. Hier hat Bremen eine ganz besondere Pflanze, die im Grundgesetz mit der Bremer Klausel, die da Ausnahmen vorsieht, eben genau dahin steuerte, dass es eben ein Religionskundeunterricht, ein Geschichtsunterricht ist, in dem klar wird, was die Herkunft des jeweils Einzelnen ist. Deswegen ist es vielleicht auch wichtig zu sagen, schaut doch einmal die Wurzeln an, hier sind sie christlich, in meiner Familie sind sie christlich, in den anderen sind sie anders, und dort muss man sie dann vielleicht mit Islamkunde anschauen, und in anderen unreligiösen Familien muss man sie vielleicht mit Philosophie anschauen.

Die Frage, die diskutiert werden muss, ist doch die:

Ist es einfacher, Werte, Normen und Religionskunde zu vermitteln ausgehend von einer Herkunftsreligion, oder ist das allgemein möglich, indem man den Bogen über alle Religionen spannt? Beide Wege sind meiner Meinung nach diskussionswürdig und spannend und werden auch in der weiteren Diskussion eine Rolle spielen. Wir haben auch beide hier in der Diskussion. Beide sind auch möglich umzusetzen, dabei müssen wir insbesondere über die Fächer und die Ausgestaltung dieser Fächer reden.

Uns von der FDP und mir ist wichtig, dass die jeweiligen Religionen sich am Ende auch in diesen Fächern wiederfinden, und deswegen ist der Dialog mit den Religionen auch so wichtig, dass wir dort nicht losgelöst von denen reden und entscheiden und das sich dort die jeweilige Religion auch selbst wiederfindet, soll nicht heißen, und das ist gute Tradition in Bremen, dass Geistliche auf einmal den Unterricht erteilen sollen. Das wollen wir von der FDP nicht. Wir wollen, dass er von Religionskundlern religionswissenschaftlich erteilt wird. Das muss der Weg sein, denn das kann nur die Aufgabe des Staates in diesem Zusammenspiel sein. Insofern bin ich gespannt, welcher Weg dann am Ende beschritten wird.

Ich habe eine Sorge in dem ganzen Spiel, die wir uns auch noch allesamt rechtlich anschauen müssen, nämlich dass, wenn wir das neu regeln, wir eine neue Regelung schaffen, die nicht mehr vor der Verabschiedung des Grundgesetzes steht, sondern danach, sodass wir dann vielleicht erleben, dass wir auf den Boden des Grundgesetzes geworfen werden. Ich bitte, dass wir das rechtlich sehr im Auge behalten, dass wir dort nicht in eine Problematik kommen, die dazu führt, dass wir einen Rückschritt gegenüber der fortschrittlichen Bremer Klause, die gegenwärtig gilt, haben. Das müssen wir im Auge haben. Ich bin zu wenig Rechtswissenschaftler, um das end-gültig zu beantworten, aber wenn wir diese Frage nicht sauber beantwortet haben, bin ich sicher, dass sie dann am Ende durch Gerichte beantwortet wird. Ich hätte das gern im Vorfeld der Diskussion beantwortet, weil wir da einen Fehler machen, wenn wir das nicht im Vorfeld sauber beantwortet haben.

Zum Schluss! Es ist ein nicht hinnehmbarerer Zustand, dass ein Viertel des Unterrichts ausfällt. Wir Liberale haben nichts dagegen, wenn der Unterricht mit anderen Fächern verbunden und in Projekten integriert oder sonst wie erteilt wird. Das sind moderne Unterrichtsformen. Das muss den Schulen und ihrer Freiheit überlassen werden, aber dass der Unterricht schlichtweg ausfällt und nicht gegeben wird, das ist eine Tatsache, die ich mir nicht vorstellen kann, auch nicht vorstellen will. Wir haben uns als FDP sehr dafür eingesetzt, dass die Schulen sehr viel Eigenständigkeit haben, das heißt aber auch im Umkehrschluss, dass es da, wo die Stundentafel ein Minimalumfang festlegt, eine Untergrenze gibt, und dieser Minimalumfang muss dann auch unterrichtet werden.

Diese Forderung haben wir für alle Fächer, für die ein Minimalumfang festgelegt wird, denn das ist unser Verständnis von einem Minimalumfang, sonst ist das nicht sinnvoll. Klar ist: Eine Untergrenze muss auch eine Untergrenze sein, sonst braucht man sie gar nicht erst festzuschreiben. Insofern hier noch einmal der Appell: Der Umfang, der als Untergrenze festgeschrieben wird, sollte auch mindestens erteilt werden, und dann ist es Sache der Schulen, wie sie das organisieren und diese Menge realisieren, aber den Unterricht nicht zu geben, das würden wir bei Sport, Mathematik, Deutsch sowie auch bei Politik nicht gut finden. Bei all den Fächern, um die wir uns in letzter Zeit neben diesem gekümmert haben, würden wir es nicht gut finden, und insofern ist hier ganz klar die Aussage, minimaler Umfang muss gewährleistet sein.

Ein Viertel Unterrichtsausfall ist nicht hinnehmbar!

Insofern werden wir sowohl an dieser Seite als auch an der Form und der Weiterentwicklung des Unterrichts arbeiten müssen. ­ Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der FDP) Vizepräsident Ravens: Meine Damen und Herren, bevor ich Frau Motschmann das Wort erteile, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass interfraktionell vereinbart worden ist, den Tagesordnungspunkt 4, Regulierung der Finanzmärkte und die damit verbundenen Tagesordnungspunkte ausgesetzt werden.

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Motschmann.

Abg. Frau Motschmann (CDU): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte einer einzi gen Frage nachgehen: Warum brauchen wir Biblischen Geschichtsunterricht? Ich sage zunächst, für die CDU-Fraktion bleibt der Biblische Geschichtsunterricht auf allgemein christlicher Basis von zentraler Bedeutung.

(Beifall bei der CDU) Guter Biblischer Unterricht schließt die Behandlung anderer Religionen immer ein, und zwar nicht erst seit jetzt, sondern seit mindestens 30 Jahren, denn da habe ich nämlich auch schon Religionsunterricht gegeben mit Islam, Hinduismus und so weiter.

(Abg. Dr. Kuhn [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber nicht auf gleicher Augenhöhe!)

Er schließt die Behandlung ein, Herr Dr. Kuhn. Die Gleichbehandlung ist aus meiner Sicht nicht vertretbar. Wir leben im christlichen Abendland, und dann dürfen wir doch wohl auch noch eine besondere Bedeutung dem christlichen Religionsunterricht geben.

(Beifall bei der CDU ­ Abg. Frehe [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist Ihr Verständnis von Religionsunterricht!)

Ich will über drei Punkte reden, über die Werte, wie Herr Rohmeyer, über die Bildung und den interreligiösen Dialog. Ich will meine Rede mit Worten aus einem Papier der Grünen beginnen. Es gibt eine Bundesarbeitsgemeinschaft Christinnen und Christen der Grünen, und da heißt es, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: In Jesu Hinwendung zu den Armen und seinem gleichwertigen Verhalten zu Frau und Mann, in seinem Ausbrechen aus den Kreisläufen von Gewalt und Gegengewalt, von Hass und Missgunst und auch in der Einstellung, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, finden wir Motive für ein Handeln in Nächstenliebe und Streben nach Gerechtigkeit. (Beifall bei der CDU und beim Bündnis 90/Besser können wir es in keinem Grundsatzprogramm der CDU ausdrücken.

(Abg. Dr. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: Super, nicht?)

Hier sind Werte genannt, die nicht in Klassenlehrerstunden, im Klassenrat oder in Projekten des Sozialtrainings, wie ich es der Großen Anfrage entnommen habe, gelernt werden können. Biblischer Geschichtsunterricht ist notwendige Voraussetzung für die Vermittlung von Werten. Wer den Werteverlust in unserer Gesellschaft beklagt, muss diese Klage verbinden mit dem richtigen Handeln. Das heißt für Bremen und natürlich auch für Bremerhaven, dass wir dafür sorgen ­ und da stimme ich Herrn Güngör zu ­, dass der Religionsunterricht erteilt wird und nicht ausfällt.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme noch einmal zu den Werten! Mit einem christlichen Menschenbild ist es überhaupt nicht vertretbar ­ um einmal ein Beispiel zu sagen ­, was zurzeit bei RTL in der Sendereihe Erwachsen auf Probe passiert.

(Zuruf des Abg. Frehe [Bündnis 90/Die Grünen])

Da wird experimentiert mit Säuglingen und Kindern, und das kann nicht richtig sein. Deshalb sage ich Ihnen, um einmal ein Beispiel zu nennen, warum wir uns hier für einen Religionsunterricht, für einen Biblischen Geschichtsunterricht, einsetzen: weil der Werteverlust in dieser Gesellschaft dramatisch ist!

(Beifall bei der CDU) ist in aller Munde; die grausamen und gewaltverherrlichenden Internetspiele, die eine große Anzahl von Jugendlichen und Erwachsenen viele Stunden am Tag konsumieren, sind beängstigend. Unsere Aktion Stopp der Jugendgewalt zeigt, mit welchen Problemen wir uns täglich auseinanderzusetzen haben. Was muss eigentlich noch passieren, ehe wir verstehen, wie wichtig bei der Wertevermittlung der Religionsunterricht oder Biblische Geschichtsunterricht ist?

(Abg. Frehe [Bündnis 90/Die Grünen]:

Eine Arroganz sondergleichen!) Werte müssen gelernt, aber sie müssen vor allem gelebt und vorgelebt werden. Wer sie nicht mehr vermittelt, wird verhindern, dass in Zukunft Werte gelebt werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte zweitens begründen, warum wir den Religionsunterricht, Biblischen Geschichtsunterricht, so wichtig finden, nämlich aus Bildungsgründen. Wer Kindern und Jugendlichen das Wissen über die Bibel und den christlichen Glauben vorenthält, organisiert bewusst große Bildungs- und Wissenslücken, die sich auf das ganze Leben auswirken. Wir leben im christlichen Abendland und haben nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, den Kindern unsere eigenen Wurzeln zu vermitteln. Biblische Geschichte, Kirchengeschichte, Profangeschichte, Kunst- und Baugeschichte oder auch Musikgeschichte sind untrennbar miteinander verbunden.

Wie will man unser Rechtssystem verstehen, wenn man die Zehn Gebote nicht kennt? Wie will man die Menschenrechte verstehen, wenn man nicht mehr weiß, dass sie auf dem Christentum beruhen und nicht auf anderen Religionen? Wie will man unser Sozialsystem verstehen, wenn man nicht weiß, dass es maßgeblich auf die christliche Nächstenliebe zurückzuführen ist? Denken wir an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter! Was sagen uns die Sakralbauten, die vielen schönen Kirchen in unseren Städten, wenn man nicht weiß, warum und zu wessen Ehre sie kann man nicht verstehen und sie entschlüsseln, wenn man Biblischen Geschichtsunterricht nicht erteilt bekommt, und die Musik von Johann Sebastian Bach verstehen Sie übrigens auch nicht, wenn Sie nicht ein Minimum an Kenntnissen haben!

(Beifall bei der CDU)

Das alles lernt man nicht in Projekten des Sozialtrainings, das als Ersatzfach in vielen Schulen angeboten wird. Neben diesen biblischen Kenntnissen sind auch Kenntnisse großer Persönlichkeiten des Glaubens aus der Geschichte notwendig. Ich möchte auch da ein paar Beispiele nennen, bei denen es bei uns noch klingelt, aber wenn man keinen Religionsunterricht hat, sagen einem diese Namen alle nichts mehr: Hildegard von Bingen, Franz von Assisi, Thomas von Aquin, Martin Luther, Johannes Calvin, Johann Sebastian Bach, Florence Nightingale, Maximilian Kolbe, Edith Stein, Dietrich Bonhoeffer, Albert Schweitzer, Martin Luther King, Mutter Teresa und viele andere. Wie wollen Sie eigentlich verstehen, aus welchen Motiven heraus diese ihre Arbeit getan haben, wenn Sie nichts mehr im Religionsunterricht lernen?

(Beifall bei der CDU) Mein letzter Punkt ist schließlich: Wir brauchen den interreligiösen Dialog, da schließe ich mich auch allen Vorrednern an, gar keine Frage! Gerade angesichts der Tatsache, dass andere Religionen, insbesondere der Islam, in unserer Gesellschaft an Bedeutung gewinnen, ist es unerlässlich, die eigene Religion zu kennen, um für den Dialog vorbereitet zu sein und im Dialog auch bestehen zu können. Peter sagt zu Recht, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: Ich fürchte nicht die Stärke des Islam, sondern die Schwäche des Abendlands. Das Christentum hat teilweise schon abgedankt, es hat keine verpflichtende Sittenlehre mehr, keine Dogmen mehr, und das ist in den Augen der Muslime auch

(Beifall bei der CDU ­ Abg. Frau Busch [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage

­ Glocke) Vizepräsident Ravens: Sind Sie bereit, eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Busch anzunehmen?

Abg. Frau Motschmann (CDU): Am Ende meiner Rede ­ ich muss meine Redezeit ausschöpfen ­ komme ich darauf zurück, ich bitte um Verständnis!

Vizepräsident Ravens: Das geht dann nicht!

Abg. Frau Motschmann (CDU):Wennichdannnoch Zeit habe, beantworte ich das, das geht von meiner Redezeit ab!

Diese Mahnung von Herrn Scholl-Latour sollten wir ernst nehmen! Dialogfähig ist nur, wer seine eigene Position, seine eigenen Wurzeln kennt. Neutrale Distanz, Herr Dr. Kuhn, macht uns nicht dialogfähig und auch nicht toleranzfähig. Toleranzfähig im Hinblick auf andere Religionen bin ich nur, wenn ich mich zunächst mit der eigenen Religion auseinandergesetzt habe.

(Beifall bei der CDU)

Ein Aufruf der muslimischen Jugend hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Da heißt es, ich zitiere: Deutschland ist unser Land, und es ist unsere Pflicht, es positiv zu verändern. Mit Hilfe Allahs werden wir es in die Umma ­ das ist die islamische Weltgemeinschaft ­ einfügen. Eine positive Veränderung im Sinne des Islams würde zum Beispiel bedeuten, dass mühsam erkämpfte Frauenrechte wieder infrage gestellt werden. Diesen Rückfall in zum Glück überwundene Zeiten können wir nicht wollen, und auch darum müssen wir uns auf den Dialog mit dem Islam gut vorbereiten, und ich wünsche mir, dass das auch die kommende Generation leisten kann.

Unser Land braucht Kinder und Jugendliche, die in ihrem Leben nicht nur geistig und körperlich ertüchtigt werden, sondern auch seelisch, auch vom christlichen Menschenbild her. Haben wir Erfurt und Winnenden schon vergessen? Beide Täter waren geistig und körperlich fit, aber sie waren seelisch krank. Das muss uns doch zu denken geben, das muss uns zum Handeln anregen!

Mich verwundert die Geduld ­ hoffentlich ist es keine Gleichgültigkeit ­ der Eltern. Mir wäre es nicht egal, ob meine Kinder Biblischen Geschichtsunterricht haben oder nicht. Niemals würde ich mein Kind in einer Schule lassen, in der es keinen Biblischen Geschichtsunterricht gibt. Auch eine Wochenstunde würde mir für meine Kinder nicht reichen. Von einer Schule, die diesen Unterricht vernachlässigt oder gar nicht erst unterrichtet, hätte ich meine Kinder immer abgemeldet, denn auch hier gilt: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

(Abg. Frehe [Bündnis 90/Die Grünen]:

Das ist auch eine schöne Weisheit! Und dann vom lebenslangen Lernen reden! Diese Doppelzüngigkeit!)