Wohnungsbau

Teil A Bericht über die Evaluierung der Hamburgischen Bauordnung

1. Ausgangslage

Die Neufassung der Hamburgischen Bauordnung (HBauO) vom 14. Dezember 2005 ist am 1. April 2006 in Kraft getreten.

Die neue Hamburgische Bauordnung verfolgt das übergeordnete Ziel, das Bauen in Hamburg einfacher, schneller und unbürokratischer zu machen. Unter dieser Zielsetzung wurden die materiellen Anforderungen wie auch die bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahren grundlegend überarbeitet ­ und soweit diese auf Hamburger Verhältnisse übertragbar ist ­ der 2002 von der Bauministerkonferenz beschlossenen Musterbauordnung angepasst.

Im Ergebnis entstand eine in Systematik und Inhalt veränderte Bauordnung, die einen spürbaren Beitrag zur Deregulierung des hamburgischen Landesrechts liefert.

Die Bürgerschaft hat den Senat in § 83 Absatz 7 der neuen Hamburgischen Bauordnung verpflichtet, ihr bis zum 31. Dezember 2008 über die Erfahrungen bei der Durchführung der Neufassung zu berichten.

Der Auftrag zur Evaluierung wurde bei den Beratungen im Stadtentwicklungsausschuss wie folgt konkretisiert: „Es erscheint zweckmäßig nach einem Zeitraum, in dem etwaige Anfangsschwierigkeiten mit der Durchführung neuer Vorschriften überwunden sind, im Einzelnen zu untersuchen und zu bewerten, inwieweit sich die neuen Vorschriften bewährt haben. Darüber ist der Bürgerschaft bis zum 31. Dezember 2008 zu berichten.

Zu untersuchen sind insbesondere die Regelungen zum vereinfachten Genehmigungsverfahren, zum Genehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung, zu den Verfahrensfristen in den beiden Verfahrensarten und zum Katalog der verfahrensfreien Vorhaben. Weiterhin soll berichtet werden, inwieweit sich die Deregulierung, insbesondere die Vereinfachung und Erleichterung der Anforderungen an Abstandsflächen (§ 6) sowie an Aufenthaltsräume (§ 44) und Wohnungen (§ 45) bewährt haben."

Mit der vorgelegten Drucksache soll gleichzeitig das bürgerschaftliche Ersuchen aus der von der Bürgerschaft am 4. September 2008 beschlossenen Drucksache 19/926 beantwortet und erfüllt werden. Die Bürgerschaft hatte den Senat ersucht, „einen Bericht über die Erfahrungen bei der Durchführung der Hamburgischen Bauordnung vorzulegen und dabei darzustellen, in welchen Bereichen Änderungsbedarf besteht und wie die Änderungen gesetzestechnisch umgesetzt werden können."

2. Vorgehensweise

Die Eckdaten für den Erfahrungsbericht wurden im Jahre 2007 auf unterschiedliche Weise erfasst. Workshops mit den Mitarbeitern der Bauaufsichtsbehörden, gezielte Befragungen einzelner Verbände und vor allem breit angelegte Fragebogenaktionen mit Bauherren, Architekten und Bauprüfern sollten für ein breit gefächertes Bild der Erfahrungen mit der neuen Hamburgischen Bauordnung sorgen und die Evaluierung auf eine möglichst breite Basis stellen. Zusätzlich wurde die in Teilen erstmalig zur Verfügung stehende statistische Auswertung der in Hamburg durchgeführten Baugenehmigungsverfahren genutzt. Evaluierung und Änderung der Hamburgischen Bauordnung

Der Senat beantragt, die Bürgerschaft wolle,

­ den Bericht über die Evaluierung der Hamburgischen Bauordnung zur Kenntnis nehmen (Teil A der Mitteilung),

­ das Gesetz zur Änderung der Hamburgischen Bauordnung und des Wohnwagengesetzes beschließen (Teil B der Mitteilung),

Die Zielgruppen der systematischen Befragungen waren die beiden wesentlichen Anwender der Bauordnung, d.h. die Bauherren und Entwurfsverfasser sowie die Bauprüfer.

Mit der Konzeption der Befragungen und mit der statistischen Auswertung der Ergebnisse beauftragte die BSU ein unabhängiges Meinungsforschungsinstitut ­ die Forschungsgruppe gdp. Auf Anraten der Forschungsgruppe gdp erfolgte die Befragung der Bauherren und Architekten über verschickte Fragebögen und die Befragung der Bauprüfer elektronisch über sogenannte Online-Interviews.

Beide Zielgruppen wurden zu ihren Erfahrungen mit den wesentlichen Änderungen der Hamburgischen Bauordnung, zur Akzeptanz der Hamburgischen Bauordnung insgesamt und gegebenenfalls nach Verbesserungsvorschlägen befragt.

Die Befragungen erfolgten anonymisiert. Die Identifikation eines Teilnehmers, eines Büros oder einer Dienststelle war für die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt zu keiner Zeit möglich.

Fragebögen für Bauherren und Architekten

Die Fragebögen für die Bauherren und Architekten wurden im Zeitraum vom 15. August 2007 bis zum 15. November 2007 zusammen mit den in dieser Zeit erteilten Baugenehmigungen verschickt. Befragt wurden folglich nur die Bauherren und Architekten, die auch tatsächlich schon über Erfahrungen im Umgang mit der neuen Hamburgischen Bauordnung verfügten. Die Fragen bezogen sich überwiegend auf das gerade abgeschlossene Verfahren und das genehmigte Bauvorhaben. Bewertungsskalen von 1 bis 5 (z.B. 1 = sehr gelungen, 5 = überhaupt nicht gelungen) sollten das Ausfüllen des Fragebogens wie auch die spätere Auswertung erleichtern. Bauherren und Entwurfsverfasser wurden gebeten, jeweils einen eigenen Fragebogen auszufüllen. Die Auswertung erfolgte getrennt.

Insgesamt nahmen 71 Bauherren, 83 Entwurfsverfasser und 31 Personen mit beiden Funktionen an der Fragebogenaktion teil. Bezogen auf die zusammen mit ca. 2000

Bescheiden verschickten Fragebögen betrug die Rücklaufquote 5 %. Erfasst wurden 115 Baugenehmigungen nach einem vereinfachten Genehmigungsverfahren und 55 Baugenehmigungen nach einem Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung. Die prozentuale Verteilung der ausgewerteten Verfahren entspricht der Statistik der insgesamt in Hamburg im Befragungszeitraum verschickten Bescheide.

Online ­ Befragung der Mitarbeiter der Bauaufsichtsbehörden

Für die Mitarbeiter der Bauaufsicht wurde als Erhebungsmethode die sogenannte Online-Befragung über das Internet gewählt. Vom 16. Oktober 2007 bis zum 19. November 2007 bestand für alle Hamburger Bauprüfer die Möglichkeit, über einen speziell für diesen Zweck eingerichteten Link an der Befragung teilzunehmen. Die Fragen bezogen sich nicht auf ein konkretes Verfahren, sondern zielten auf eine übergreifende Beurteilung der HBauO. Die Formulierungen berücksichtigten die besondere Fachkunde der Befragten. Eine direkte Vergleichbarkeit mit den Fragen für die Bauherren und Entwurfsverfasser ist deshalb nur teilweise gegeben.

Von den 211 eingeladenen Bauprüfern nahmen 109 an der Online-Befragung teil. Die Rücklaufquote betrug damit mehr als 50 %.

3. Erfahrungen mit der Neufassung der Hamburgischen Bauordnung

Die Ergebnisse der diversen Rückmeldungen, Workshops, Gespräche und insbesondere der Fragebogenaktionen werden wie folgt zusammengefasst:

Erfahrungen mit der Hamburgischen Bauordnung insgesamt

Die materiellen Vorschriften der neuen Hamburgischen Bauordnung bereiten weder den Bauherren und Architekten noch den Bauprüfern ernsthafte Schwierigkeiten.

Die kritischen Äußerungen konzentrieren sich bei allen Befragten auf die neuen Verfahrensvorschriften. Das vereinfachte Genehmigungsverfahren schneidet grundsätzlich besser ab als das Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung und wird insbesondere von den Bauherren positiv beurteilt. Problematisiert wird ­ vor allem von den Bauprüfern ­ der reduzierte Prüfumfang des vereinfachten Genehmigungsverfahrens.

Im Mittelpunkt der Kritik an den neuen Verfahren steht das Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung. Während Bauherren und Entwurfsverfasser die Verfahrensdauer und die bürokratische Verfahrensabwicklung bemängeln, sehen die Bauprüfer im gestiegenen Prüfaufwand und in der Einbeziehung der zu beteiligenden Stellen die größten Probleme.

Die Verständlichkeit der Vorschriften hat sich aus der Sicht der Bauprüfer nicht verbessert und der Beratungsbedarf der Bauherren und Architekten ist spürbar gestiegen.

Insgesamt beurteilen Bauherrn und Entwurfsverfasser die Hamburgische Bauordnung in allen Punkten deutlich positiver als die Bauprüfer. Ihre Gesamtzufriedenheit erreicht einen Wert von 2,61 auf der zur Bewertung angebotenen 5er Skala der Fragebögen. Die Bauprüfer vergeben hier die Note 3,49.

Trotz der geäußerten Schwierigkeiten ist ­ laut Aussage von gdp ­ für mehr als die Hälfte der Bauherren und einen etwas kleineren Anteil der Entwurfsverfasser das Bauen in Hamburg seit Inkrafttreten der neuen Bauordnung tendenziell einfacher und schneller geworden.

Erfahrungen mit den materiellen Vorschriften

Die materiellen Vorschriften der neu gefassten Hamburgischen Bauordnung entsprechen im Wesentlichen den Formulierungen und Inhalten der Musterbauordnung. In der Folge wurden zahlreiche Detailregelungen gestrichen und die Anforderungen auf die aus bauordnungsrechtlicher Sicht notwendigen Mindeststandards zurückgeführt. Besonders hervorzuheben sind die vereinfachten Abstandsflächenregelungen des § 6 und die Brandschutzvorschriften der §§ 24 ff. mit neuer Systematik und teilweise reduzierten Anforderungen.

Die Mehrheit der Bauherren und Entwurfsverfasser wie auch der Bauprüfer kommt mit den materiellen Vorschriften der neuen Hamburgischen Bauordnung zurecht ­ sowohl die Zuordnung zu den neuen Gebäudeklassen als auch die neuen Abstandsflächenregelungen werden ohne große Probleme angewendet. Einige Stimmen beanstanden die möglichen Auswirkungen der von 1 H auf 0,4 H verringerten Abstandsflächen auf den Wohnungsbau und befürchten eine Minderung der städtebaulichen Qualität wie auch der Wohnqualität. Im Übrigen beschränkt sich die Kritik an den materiellen Vorschriften auf Einzeläußerungen.

Schwierigkeiten bereiten die neuen, teilweise stark gekürzten Formulierungen. Unklare Rechtsbegriffe, zahlreiche Querverweise wie auch die Streichung hilfreicher Mindestmaße führen nach Einschätzung vieler Bauprüfer zu einem Verlust an Verständlichkeit und Eindeutigkeit. Als Beispiele werden u.a. die §§ 34 (Notwendige Flure), 36

(Umwehrungen und Brüstungen) und 52 (Barrierefreies Bauen) genannt.

Der am häufigsten in der Online-Befragung genannte Änderungsvorschlag der Bauprüfer zu den materiellen Vorschriften der HBauO betrifft die Abschaffung der sogenannten Vorgartenregelung des § 6 Absatz 7. Diese Regelung wurde zum Schutz des Straßen- und Ortsbildes eingeführt und fordert für Garagen, Carports und Abstellhäuschen im Vorgartenbereich die Einhaltung der Abstandsflächenregeln, während sie auf den übrigen Grundstücksteilen von den Abstandsflächenregeln befreit sind.

Die Vorschrift werde von den in der Regel fachlich nicht kundigen Bauherren der vorgenannten kleinen Baumaßnahmen nicht verstanden und führt bei den Bauprüfern zu erhöhtem Beratungsbedarf und gegebenenfalls zu repressiven Maßnahmen bei Rechtsverstößen.

Die Erleichterungen, die die neue Hamburgische Bauordnung in den §§ 44 und 45 für Aufenthaltsräume und Wohnungen einräumt, wurde im Zeitraum der durch gdp erfassten Befragungen insgesamt eher zurückhaltend in Anspruch genommen. Die Auswertung ergibt das folgende Bild:

Die Bauherren und Entwurfsverfasser nutzten die neue Mindestraumhöhe für Aufenthaltsräume von 2,30 m bei 25 % der von der Regelung betroffenen Ein- und Zweifamilienhäuser und die neue Mindestraumhöhe für Aufenthaltsräume von 2,40 m bei 24 % der im vereinfachten Genehmigungsverfahren genehmigten Gebäude und bei 7 % der im konzentrierten Baugenehmigungsverfahren genehmigten Gebäude.

Der Verzicht auf Abstellräume innerhalb von Wohnungen, die direkte Zugänglichkeit von Toiletten und Bädern von Aufenthaltsräumen in Wohnungen und die Zulässigkeit einzelner Aufenthaltsräume von Wohnungen in Kellergeschossen kam bei maximal 16 % der im Befragungszeitraum erfassten Wohngebäude zur Anwendung.

Erfahrungen mit den verfahrensrechtlichen Vorschriften

Erfahrungen mit den verfahrensfreien Vorhaben Verfahrensfreie Vorhaben dürfen ohne präventive bauaufsichtliche Prüfung und ohne Baugenehmigung errichtet werden. Es handelt sich um Vorhaben von untergeordneter Bedeutung, bei denen Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften nur unbedeutende Auswirkungen haben und auch ohne Schwierigkeiten nachträglich behoben werden können. Der Katalog der verfahrensfreien Vorhaben wurde mit der Neufassung der HBauO wesentlich erweitert.

Das Meinungsbild zu den verfahrensfreien Vorhaben wird vor allem durch die Bauprüfer bestimmt. Ihre erfassten Äußerungen sind sehr unterschiedlich und teilweise widersprüchlich.

Einerseits ist laut gdp-Auswertung jeder Zweite der Meinung, dass es zu einer Zunahme rechtswidrig errichteter Vorhaben gekommen ist und befürwortet vor allem für Nebenanlagen, Carports und Garagen die Wiedereinführung der Genehmigungspflicht. Ein etwas kleinerer Teil der Bauprüfer äußert Probleme mit der erweiterten Verfahrensfreiheit von Abbrüchen.

Andererseits hält es die Hälfte der Bauprüfer nicht für erforderlich, die Verfahrensfreistellung teilweise wieder zurückzunehmen. Zwei Drittel sprechen sich sogar für eine nochmalige Erweiterung der Verfahrensfreistellung aus, z. B. um die Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung und um Werbeanlagen im größeren Umfang als bisher.

Die Kritik der Bauprüfer an der Verständlichkeit und Eindeutigkeit der Hamburgischen Bauordnung betrifft viele Einzelregelungen der Anlage zu § 60. Unklarheiten verursacht auch die Frage, inwieweit verfahrensfreie Vorhaben in den Prüfumfang des Genehmigungsverfahren einzubeziehen sind, wenn sie als Teil eines genehmigungspflichtigen Vorhabens beantragt werden.

Erfahrungen mit dem vereinfachten Genehmigungsverfahren

Das vereinfachte Genehmigungsverfahren gilt im Wesentlichen für Wohngebäude bis zur Hochhausgrenze sowie für kleinere gewerbliche Vorhaben. Das Verfahren zeichnet sich durch einen sowohl im Bauordnungsrecht als auch im Baunebenrecht auf ein Mindestmaß reduzierten Prüfumfang aus. Die Einhaltung der von der Bauaufsichtsbehörde nicht geprüften Anforderungen liegt in der Verantwortung der Bauherren und Entwurfsverfasser. Die Prüfung der bautechnischen Nachweise zur Standsicherheit, zum Brandschutz sowie der Anforderungen an Rettungswege und ­ mit dem Gesetz zur Sicherstellung klimaschutzrechtlicher Anforderungen im Baugenehmigungsverfahren vom 17. Februar 2009 neu eingeführt ­ zu Wärmeschutz und Energieeinsparung erfolgt im vereinfachten Genehmigungsverfahren durch vom Bauherrn beauftragte Prüfsachverständige für Bautechnik. Die Bearbeitungsdauer eines Bauantrags ist in der HBauO auf 1 Monat bzw. 2 Monate nach Eingang der vollständigen Unterlagen begrenzt.

Entwurfsverfasser und insbesondere Bauherren beurteilen das vereinfachte Genehmigungsverfahren mehrheitlich als gelungen und vergeben für die Gesamtbewertung des Verfahrens die Note 2,4. Die Bauprüfer vergeben hier die Note 3,28. Kritikpunkte sind der eingeschränkte Prüfumfang und der erweiterte Verantwortungsbereich der Bauherren und Entwurfsverfasser sowie die Rolle des Prüfsachverständigen für Bautechnik.

­ Fristen, Bearbeitungsdauer

Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer betrug nach den Angaben der Bauherren und Architekten im Befragungszeitraum 1,5 Monate nach Antragstellung. In 2 % der Fälle ist die Genehmigungsfiktion eingetreten. Die Mehrheit der befragten Bauherren und Architekten zeigte sich zufrieden mit den Bearbeitungszeiten.

Die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Bearbeitungsfristen von 2 Monaten nach Eingang der vollständigen Unterlagen ist für die Mehrheit der Bauprüfer unproblematisch. Die Einhaltung der 1-Monatsfrist stößt jedoch an die Grenzen des Verwaltungshandelns.

Fristverlängerungen und Genehmigungsfiktion bilden für die Mehrheit der Bauprüfer die Ausnahme.

­ Prüfumfang

Der reduzierte Prüfumfang des vereinfachten Genehmigungsverfahrens stößt vor allem bei den Bauprüfern auf deutliche Kritik sowohl hinsichtlich des Bauordnungsrechts als auch hinsichtlich des Baunebenrechts. Die negativen Stimmen zur eingeschränkten Prüfung bauordnungsrechtlicher Anforderungen überwiegen dabei mit Abstand.