Hartz

Zumutbarkeit von Stellenangeboten durch team.arbeit.hamburg ­ zweiter Anlauf

Mit meiner Anfrage vom 07. Dezember 2009 (Drs. 19/4783) hatte ich die Zumutbarkeitskriterien von Stellenangeboten an erwerbsfähige Hilfebedürftige, wie sie in § 10 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) geregelt sind, und deren Umsetzung abgefragt. Die Antwort des Senats vom 15. Dezember 2009 kann nicht überzeugen, lässt sie doch einen Großteil der von mir explizite gestellten Fragen unbeantwortet. Namentlich der globale Hinweis auf einen Netzlink mit den Veröffentlichungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) unter Frage 1. a) kann nicht als Antwort auf einen spezifisch nachgefragten Weisungsgehalt und dessen Umsetzung in der Praxis von team.arbeit.hamburg (t.a.h.) genügen. Im Zusammenhang mit meinen Fragen zur Anwendung einer Zumutbarkeitsprüfung muss überdies der Eindruck entstehen, dass meine deutlich gestellten Fragen ihrem gemeinten Sinn nach nicht nachvollzogen worden sind und also eine anschlussfähige Beantwortung ausbleiben musste. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die (ungenügende) Antwort auf die Frage 1. a) einschlägig für die Beantwortung der Fragen 2. bis 7. sein sollte. Nicht unterschieden hat der Senat in seiner Antwort offensichtlich zwischen einer Prüfung der Zumutbarkeit nach Weisungslage im Vorwege der Unterbreitung eines Stellenangebots durch t.a.h. einerseits und andererseits einer Prüfung der Zumutbarkeit, nachdem ein Hartz IV-Betroffener einen „wichtigen Grund" gegen ein ihm bereits unterbreitetes Stellenangebot in Anschlag gebracht hat.

Meine einleitenden Ausführungen aus der oben angegebenen Drucksache setze ich voraus und frage vor diesem Hintergrund den Senat erneut in der Sache:

1. Wie der Senat in seiner Antwort vom 15. Dezember 2009 bereits bestätigt hat, existieren für die Sachbearbeitung bei t.a.h. fachliche Anweisungen oder sonstige standardisierte Handreichungen zu der Frage, welche Arbeiten real im Sinne des § 10 SGB II für erwerbsfähige Hilfebedürftige zumutbar sind und welche nicht. Insbesondere existiert auch ein Katalog, in dem zumutbare und/oder unzumutbare Arbeiten aufgeführt sind.

Welche Arbeiten gelten nach Weisungslage als zumutbar respektive unzumutbar (bitte im Detail ausführen)?

a) Wird die Zumutbarkeit nach Weisungslage stets und zuverlässig im Vorwege der Unterbreitung eines Stellenangebotes geprüft?

Wenn „nein": weshalb nicht?

2. In seiner Vorbemerkung zur Drs. 19/4783 unterstellt der Senat, ich hätte lediglich die Zumutbarkeitsprüfung mit dem von der BA bereitgestellten EDV-System im Vorwege der Unterbreitung eines Stellenvorschlags abgefragt. Dies ist ersichtlich nicht der Fall. Vielmehr habe ich ausdrücklich abgefragt, wie die Sachbearbeitung bei t.a.h. mit dem Vortragen eines sogenannten wichtigen Grundes durch Hartz IV-Betroffene nach Unterbreitung eines Stellenangebotes verfährt. Die Möglichkeit, einen konkreten wichtigen Grund gegen die Annahme eines Stellenangebotes vorzubringen, ist sozialrechtlich ausdrücklich gegeben. Der Erhebungsstand im von der BA bereitgestellten EDV-System ist hierbei ohne Belang.

Inwiefern ist die Vermittlung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in den Bereich der sogenannten Sexdienstleistungen (Prostitution, erotische Massagen, Online- oder Telefon-Sex) grundsätzlich „zumutbar" (hier und im Weiteren auf den Kontext des § 10 SGB II bezogen)?

a) Inwiefern ist die Vermittlung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in den Bereich der sogenannten Sexdienstleistungen (Prostitution, erotische Massagen, Online- oder Telefon-Sex) „zumutbar", wenn und insofern der Betroffene hiergegen einen „wichtigen Grund" vorgebracht hat (hier und im Weiteren auf den Kontext des § 10 SGB II bezogen)?

3. Inwiefern ist es grundsätzlich „zumutbar", einen Religionsangehörigen in einen einer anderen Religion zugeschriebenen Tendenzbetrieb zu vermitteln?

a) Inwiefern ist es „zumutbar", einen Religionsangehörigen in einen einer anderen Religion zugeschriebenen Tendenzbetrieb zu vermitteln, wenn und insofern der Betroffenen hiergegen einen „wichtigen Grund" vorgebracht hat?

4. Inwiefern ist es grundsätzlich „zumutbar", ein Parteimitglied in Arbeit bei einer anderen Partei, deren Gliederungen oder Fraktionen zu vermitteln?

a) Inwiefern ist es „zumutbar", ein Parteimitglied in Arbeit bei einer anderen Partei, deren Gliederungen oder Fraktionen zu vermitteln, wenn und insofern der Betroffene hiergegen einen „wichtigen Grund" vorgebracht hat?

5. Inwiefern wird die Ablehnung eines Stellenangebots durch einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, nachdem es durch t.a.h. unterbreitet worden ist, aus einem weltanschaulichen Opportunitätsglauben (zum Beispiel ein Vegetarier, der nicht in einem fleischverarbeitenden Betrieb arbeiten möchte; oder ein Pazifist, der es ablehnt, in einem Rüstungsunternehmen tätig zu sein) als Verhinderungsgrund für die Aufnahme einer Arbeit anerkannt?

6. Werden weltanschauliche Verhinderungsgründe, unabhängig von dem Erhebungsstand im von der BA bereitgestellten EDV-System, für die Aufnahme einer Arbeit in der Verwaltungspraxis eher als geistige und seelische Indikationen (Absatz 1 Nummer 1) oder als „sonstiger wichtiger Grund" (Absatz 1 Nummer 5) gewertet und mit welcher Begründung?

a) Ist insbesondere eine signifikante Zuweisungsrate der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu amtsärztlichen Untersuchungen durch team.arbeit.hamburg im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines weltanschaulichen Opportunitätsglaubens als Verhinderungsgrund bei der Aufnahme einer Arbeit nachweisbar?

7. Inwiefern werden bei der Prüfung, ob eine Arbeit „zumutbar" oder „unzumutbar" ist (im Vorwege der Unterbreitung eines Stellenangebots und/oder im Nachwege, wenn und insofern der Betroffene einen entsprechenden „wichtigen Grund" in Anschlag gebracht hat), von der Sachbearbeitung rechtsverbindliche Mindeststandards, wie sie etwa in Artikel 7 des von der Bundesrepublik ratifizierten Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) festgeschrieben sind (gleicher Lohn für gleiche Arbeit; keine ungünstigeren Arbeitsbedingungen für Frauen als für Männer; sichere und gesunde Arbeitsbedingungen; ein Arbeitsentgelt, das wenigstens einen angemessenen Lebensunterhalt für sich selbst und die Familie gewährleistet), berücksichtigt?

a) Der Senat gibt an, dass bestimmte Lohnuntergrenzen für die Vermittlung nicht definiert seien. Insofern ein Verzicht auf die Vermittlung in prekäre Lohnarbeitsverhältnisse durch t.a.h. nicht allein negative konjunkturelle Auswirkungen (Nachfrageentzug) zeitigt, sondern zusätzlich die Sozialkassen durch zu erbringendes aufstockendes ALG II zugunsten der Einsparung unternehmerischer Lohnkosten erheblich belastet, wäre angesichts des Gebotes einer sparsamen Haushaltsführung der Verzicht auf bestimmte Lohnuntergrenzen bei der Vermittlung in Arbeit wenigstens zu begründen.

Welches sind die Gründe für den Verzicht auf bestimmte Lohnuntergrenzen bei der Arbeitsvermittlung durch t.a.h.? team.arbeit.hamburg ­ Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II (team.arbeit.hamburg) hat ergänzend zur Drs. 19/4783 mitgeteilt, dass die Prüfung des Stellenangebots und der bekannten Voraussetzungen aufseiten des Hilfebedürftigen auf Zumutbarkeit hin anhand der fachlichen Hinweise stets im Vorwege erfolgt. Darüber hinaus hat team.arbeit.hamburg mitgeteilt, dass ein Arbeitgeber unter Berücksichtigung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes Stellenangebote nur in sehr engem Rahmen auf persönliche Merkmale des Bewerbers eingrenzen darf. Die Religionszugehörigkeit, Parteimitgliedschaft oder Weltanschauung eines Hilfebedürftigen wird von team.arbeit.hamburg nicht erfasst. Insofern kann ein Vermittlungsvorschlag diese Merkmale nicht berücksichtigen. Der Hilfebedürftige hat jedoch, soweit es ihm nicht schon zuvor möglich war, spätestens im Rahmen der Anhörung zur Entscheidung über den Eintritt einer Rechtsfolge die Möglichkeit, einen wichtigen Grund anzugeben.

Die Beurteilung der Zumutbarkeit ist auf die konkrete Beschäftigungsmöglichkeit im Einzelfall abzustellen und lässt keine generelle Betrachtung zu.

Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst.