Gravierende Defizite im Katastrophenschutz aufgearbeitet?

In seinem Jahresbericht 2009 ­ Erscheinungsdatum 8.1.2009 ­ setzt sich der Rechnungshof auch kritisch mit der Situation des Katastrophenschutzes und gravierenden Versäumnissen der zuständigen Behörden, vor allem der Behörde für Inneres auseinander (Tz 125 ­ 142): Er rügt, dass die Innenbehörde über kein strategisches Gesamtkonzept verfügt, in dem das lokale Gefahrenpotenzial ermittelt wird, für erforderlich erachtete Maßnahmen bestimmt werden und daraus resultierend der Ressourcenbedarf qualifiziert und nachvollziehbar bemessen wird. Er beanstandet ferner, dass die Behörde für Inneres keine steuernden Vorgaben für die Bezirksämter macht, denen im vorbeugenden Katastrophenschutz umfangreiche Aufgaben zugeschrieben sind.

Beunruhigen muss auch die Kritik des Rechnungshofes an der Durchführung und Auswertung von Übungen: Erstens nämlich stelle die Übungspraxis der Bfl keine Vorbereitung auf wesentliche Risiken dar. Und zweitens würden die durchgeführten Übungen ungenügend ausgewertet. Auch die Schulungsangebote seien unzureichend, und bei der Erstellung externer Notfallpläne durch die BSU gebe es große Defizite, was bei der Bfl als übergreifend verantwortlicher Behörde nicht einmal bemerkt worden sei.

Auch vor dem Hintergrund, dass Hamburg eine der Drehscheiben von AtomTransporten (siehe Drs. 19/3011 und 19/3835) und anderen GefahrstoffTransporten ist, die durch den Hafen und das Hamburger Stadtgebiet gehen, kommt die Kritik des Rechnungshofes unter der Voraussetzung, dass sie zutrifft, einer Bankrotterklärung des Senats in Sachen Sicherheitsvorsorge gleich.

Wir fragen den Senat:

1. Trifft es zu, dass die Bfl, die BSU und die Bezirksämter die Feststellungen des Rechnungshofes anerkannt und zugesagt haben, seinen Forderungen nachzukommen?

Wenn nein, inwiefern nicht?

Wenn ja, mit welchen Konsequenzen?

Ja. Schwerpunkte der Arbeit bildeten in den vergangenen Jahren die Weiterentwicklung der Aus- und Fortbildung sowie die systematische weitergehende Optimierung der Führungs- und Entscheidungsstrukturen im Katastrophenschutz.

2. Existiert eine Gefahrenanalyse/Risikoanalyse für die Freie und Hansestadt Hamburg?

Wenn nein, warum nicht und von welchen Gefahrenschwerpunkten wird auch ohne Analyse ausgegangen?

Wenn ja:

a. seit wann?

b. Welche lokalen Gefahrenschwerpunkte werden dort festgestellt?

Wenn möglich, die Gefahrenanalyse im Wortlaut beifügen, mindestens jedoch die Gefahrenschwerpunkte auflisten und begründen.

3. Welche Gefährdungsszenarien ergeben sich neben den geografisch bedingten Naturgefahren (insbesondere Sturmflut) aus der Rolle Hamburgs als Drehscheibe für die See- und Binnenschifffahrt und als Knotenpunkt von Hauptverkehrsachsen an Land (Autobahnen, Bahnlinien)?

Eine umfassende Gefahrenanalyse speziell für Hamburg gibt es derzeit noch nicht. Im Zusammenhang mit einer vom Bund durchgeführten Problemstudie „Risiken in Deutschland" hat auch Hamburg seine wesentlichen Gefahrenpotenziale identifiziert und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe des Bundesministerium des Innern übermittelt.

Danach wird derzeit von folgenden Gefahren ausgegangen, die alle Gegenstand einer besonderen Katastrophenschutzplanung sind:

· Sturmfluten

· Flugzeugunfälle

· Kernkraftwerksunfälle

· Giftgasfreisetzungen

· Ölunfälle (Unfälle mit Wasser gefährdenden Stoffen)

· Bahnunfälle

· betriebliche Schadensereignisse in technischen Anlagen

· terroristische Gefahren

· Pandemien/Epidemien.

Darüber hinaus werden mit der Hamburgischen Katastrophenschutzordnung und der daraufhin erlassenen Allgemeinen Richtlinie für den Katastrophenschutz grundsätzliche Vorgaben gemacht, die für alle Katastrophen oder Großschadensfälle einen verbindlichen Vorgehens- und Handlungsrahmen bilden, für die keine speziellen Regelungen erforderlich sind.

a. Wie viel und welches Gefahrgut wurde 2005 bis 2009 (bitte nach Jahren und statistisch (summarisch) nach Hauptgruppen von Gefahrgütern aufschlüsseln)

aa. im Hamburger Hafen umgeschlagen?

bb. über Wasserwege von und nach Hamburg transportiert?

Siehe Anlagen 1 und 2.

cc. auf Hamburger Gebiet über Straße transportiert?

Da für den Transport von Gefahrgut auf Hamburger Gebiet über Straßen keine rechtlich vorgeschriebenen Meldeverpflichtungen bestehen, liegen hierzu keine Daten vor.

dd. auf Hamburger Gebiet über Schiene transportiert?

Eine systematische Erfassung von Gefahrgütern, die über die Schiene transportiert werden, erfolgt nicht. Die Mengen, die mit der Hafenbahn befördert werden, sind eine Teilmenge der unter 3. a. aa. und 3. a. bb. aufgeführten Gefahrgüter. Für die Hafenbahn sind die Gefahrgutinformationen nur von Wichtigkeit, soweit sie die aktuelle Gleisbelegung betreffen. Nach Abschluss des Transportvorganges werden diese Daten gelöscht, eine rückwirkende Auswertung ist daher nicht möglich.

4. Welche Maßnahmen werden im Hinblick auf die unter 2. und 3. aufgeführten Gefahrenschwerpunkte geplant?

Die Maßnahmen zur Bewältigung von Katastrophen und Großschadenslagen ergeben sich, sofern es keine speziellen besonderen Planungen gibt, immer aus den Vorgaben der Katastrophenschutzordnung und der darauf aufbauenden Allgemeinen Richtlinie.

In einem daraus entwickelten Phasenmodell wird die Bekämpfungsorganisation beginnend vom Ersten Angriff bis hin zur Schadenbeseitigung dargestellt. Spezielle Maßnahmen für besondere Gefahrensituationen, bei denen die allgemeinen Vorgaben nicht ausreichen, ergeben sich aus den nachfolgend genannten Richtlinien.

a. Welche Katastrophenschutzrichtlinien existieren zum gegenwärtigen Zeitpunkt? Bitte mit Datum des Inkrafttretens angeben.

- Besondere Richtlinie für Bahnunfälle ­ Bahnunfall-Richtlinie (15. April 2003)

- Besondere Richtlinie für Flugunfälle ­ Flugunfall-Richtlinie (1. Mai 2003)

- Besondere Richtlinie zur Abwehr von Gefahren durch gefährliche Schadstoffkonzentrationen in der Atmosphäre ­ Giftgas-Richtlinie (18. April 1994)

- Besondere Richtlinie zum Schutz der Bevölkerung bei ungewöhnlichen Infektionslagen ­ Infektionsschutz-Richtlinie (25. März 2008)

- Besondere Richtlinie für Notfallpläne bei betrieblichen Schadensereignissen

­ Notfallplan-Richtlinie (18. Juli 2001)

- Besondere Richtlinie für Notfallpläne bei betrieblichen Schadensereignissen in gentechnischen Anlagen ­ Notfallplan-Richtlinie (Gentechnik) (5. August 1999)

- Besondere Richtlinie für die Bekämpfung von Gefahren durch Öl oder andere Wasser gefährdende Stoffe ­ Ölunfall-Richtlinie (1. Oktober 2005)

- Besondere Richtlinie zum Einrichten und Betreiben einer Personenauskunftsstelle (21. August 1997)

- Besondere Richtlinie für den Schutz vor Sturmfluten ­ Sturmflut-Richtlinie (September 2008)

- Besondere Richtlinie für den Betreuungsdienst in Notunterkünften und Fluchtburgen ­ Betreuungs-Richtlinie (1. August 1998)

- Besondere Richtlinie für die Planung und Durchführung von Evakuierungen ­ Evakuierungs-Richtlinie (25. August 1987)

- Besondere Richtlinie für die Bewältigung eines Terrorfalls ­ TE-Richtlinie (25. Mai 2007)

b. Ist namentlich die Bahnunfall-Richtlinie, deren Erlass laut Website der Behörde für Inneres (www.hamburg.de/katastrophenschutz/nofl/104300/start-planungen.html) seit geraumer Zeit für „in Kürze" angekündigt wird, inzwischen erlassen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wann und was regelt sie im Unterschied zu früheren Bahnunfall-Richtlinien?

Die Bahnunfall-Richtlinie ist seit dem 15. April 2003 in Kraft. Sie ist die Grundlage für Planungen und Maßnahmen der zuständigen Katastrophenschutzbehörden sowie sonstiger betroffener Stellen bei Bahnunfällen auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg. Sie beschreibt Zuständigkeiten und Alarmierungswege bei der Bewältigung von Katastrophen oder Großschadensfällen im Zusammenhang mit schienengebundenen Verkehrsmitteln. Eine frühere Bahnunfall-Richtlinie gab es nicht.