Ritalin ­ die Droge der „Pflichterfüller-Generation"?

Betreff: Ritalin ­ die Droge der „Pflichterfüller-Generation"? Verhaltensauffällige Kinder werden immer häufiger mit dem Medikament Ritalin behandelt. Nach Medienberichten soll die Zahl der Ritalin-Verschreibungen zwischen 1993 und 2003 weltweit um rund 270 Prozent gestiegen sein. Ritalin wird besonders häufig Schülerinnen und Schülern verschrieben.

Ritalin ist eigentlich eine Droge, ähnlich dem Kokain, nur in geringerer Dosis.

Deshalb fällt Ritalin unter das Betäubungsmittelgesetz und darf nur auf ärztliches Rezept in der Apotheke gekauft werden. Die Tablette wirkt als sogenannter Dopamin-Wiederaufnahme-Hemmer, sie senkt den Dopaminspiegel in den Nervenzellen.

Dopamin ist ein Botenstoff, der Impulse verstärkt. Wer zu viel davon hat, wird zum Opfer seiner eigenen Impulse, ständig abgelenkt von Ideen und Geistesblitzen. Menschen mit niedrigem Dopaminspiegel hingegen funktionieren automatisch, fokussiert auf eine einzige Tätigkeit. Deshalb gibt man hyperaktiven Kindern Ritalin, damit sie in der Schule still sitzen und sich auf den Unterricht konzentrieren.

Mediziner sehen Ritalin kritisch: Ritalin würde nicht nur das Wesen unnatürlich verändern. Konsumenten hätten auf nichts mehr Lust, Emotionalität und Affektivität würden erheblich verringert. Man empfinde keine Neugier, kein Bedürfnis nach menschlichen Bindungen und sei weniger kreativ. Bei frühem und dauerhaftem Konsum bestünde die Gefahr, emotional dauerhaft zu verkümmern.

Laut Bericht in der „ZEIT" bezeichnet Prof. Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie an der Psychiatrischen Uni-Klinik Göttingen Ritalin als die Droge für die „Pflichterfüller-Generation", weil sie hilft, sich den Erwartungen der Gesellschaft anzupassen.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über die Verschreibung und den Konsum des Medikaments Ritalin oder vergleichbarer Substanzen bei Hamburger Schülerinnen und Schüler vor?

Die zur Beantwortung benötigten Daten werden statistisch nicht erfasst.

2. In welchen Altersgruppen und in welchen Schulformen ist ein verstärkter Konsum des Medikaments Ritalin oder vergleichbarer Substanzen besonders zu beobachten? Daten über den Gesundheitszustand der Schülerinnen und Schüler und über eingenommene Medikamente dürfen nach der Schuldatenschutzverordnung im Regelfall in den Schulen nicht verarbeitet werden. Sind solche Informationen im Einzelfall erforderlich, um die der Schule aufgegebene Aufsicht über die Schülerinnen und Schüler nach § 31 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) ausfüllen zu können, sind die entsprechenden Daten unverzüglich zu löschen, sobald die Informationen nicht mehr benötigt werden. Daher werden Daten über die von Schülerinnen und Schülern eingenommenen Medikamente nicht statistisch erhoben.

3. Kann der Senat einen Anstieg der Verschreibung und des Konsum des Medikaments Ritalin oder vergleichbarer Substanzen für Hamburgs Schülerinnen und Schüler bestätigen?

Die zur Beantwortung benötigten Daten werden statistisch nicht erfasst.

4. Sind dem Senat weitere Medikamente bekannt, die eingesetzt werden, um verhaltensauffällige Kinder zu therapieren?

Der zuständigen Behörde ist bekannt, dass es außer Ritalin auch andere Arzneimittel gibt, die im gleichen Indikationsgebiet wie Ritalin eingesetzt werden können.

Erkenntnisse über die Verschreibungspraxis liegen der zuständigen Behörde nicht vor.

5. Werden Verschreibung und Konsum des Medikaments Ritalin oder vergleichbarer Substanzen an den Schulen statistisch erfasst oder in den Schülerakten dokumentiert?

6. Wenn nein, warum nicht?

Siehe Antwort zu 2.

7. Hält der Senat es für sinnvoll, die Verschreibung und den Konsum des Medikaments Ritalin oder vergleichbarer Substanzen an den Schulen statistisch zu erfassen oder in den Schülerakten zu dokumentieren? Bitte die Antwort begründen.

An der bisherigen Praxis sollte aus Sicht der zuständigen Behörde festgehalten werden, weil die gesundheitliche Betreuung der Schülerinnen und Schüler im Privatbereich der Familien anzusiedeln ist und in aller Regel im Zusammenwirken mit dem Arzt des Vertrauens auch ohne Eingreifen staatlicher Stellen gelingt. Soweit solche Daten bei den Reihenuntersuchungen oder im Einzelfall vom schulärztlichen Dienst erhoben werden, gilt die Rechtsregel des § 99 Absatz 1 Satz 2 HmbSG.

8. Wie bewertet der Senat den Einsatz von Ritalin oder vergleichbarer Medikamente bei Verhaltensauffälligkeiten?

Die Auswahl und der Einsatz der Arzneimittel liegen grundsätzlich im Verantwortungsbereich der behandelnden Ärzte sowie der Eltern der Kinder und beruhen auf Einzelfallentscheidungen. Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst.

9. Gibt es Hinweise oder Empfehlungen des Senats für die Schulen, die Schulleitungen oder die Lehrerinnen und Lehrer, wie sie sich im Falle von Ritalinkonsum ihrer Schüler verhalten sollen?

In Fortbildungen zum Thema ADHS des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) erhalten Lehrkräfte unter anderem Hinweise zum Umgang mit Schülerinnen und Schülern, die Ritalin einnehmen. Spezifische Qualifizierungsangebote für Beratungslehrkräfte gehen insbesondere auf Beratungssituationen und auf die konkrete Unterrichtsgestaltung ein. Außerdem stehen die Regionalen Beratungs- und Unterstützungsstellen (REBUS) für die Einzelfallberatung und -begleitung zur Verfügung.

Weitere fachliche Unterstützung kann in den regionalen Netzwerken des Hamburger Arbeitskreises ADS/ADHS e.V. eingeholt werden. Hier tauschen sich regelhaft Berufsgruppen, wie zum Beispiel Schulärzte, Kinderärzte und Mitarbeiter von REBUS, zum aktuellen Sachstand hinsichtlich der Diagnostik und therapeutischer Ansätze aus.

10. Gibt es Hinweise oder Empfehlungen des Senats für die Schulen, die Schulleitungen oder die Lehrerinnen und Lehrer, ob und wie sie zur Entscheidung über Ritalinkonsum Stellung nehmen sollen?

Nein. Es gehört nicht zu den Aufgaben von Schulleitungen oder Lehrkräften, medizinische Indikationen bei Kindern zu bewerten.