Bildung

· bei dem Verdacht von Straftaten gemäß §§ 315c, 316 StGB, wenn

· der bei einem Kraftfahrzeugführer per Atemalkoholmessung festgestellte Wert 1,4 Promille oder weniger beträgt,

· der Grad der Intoxikation mangels Durchführbarkeit der Atemalkoholmessung ­ zum Beispiel durch Verweigerung des Beschuldigten ­ unklar ist,

· Anhaltspunkte für alleinigen oder zusätzlichen Betäubungsmittel- oder Medikamentenmissbrauch vorliegen,

· die Zusichnahme eines Nachtrunks behauptet wird oder nicht auszuschließen ist,

· wenn der Beschuldigte nach durchgeführter Atemalkoholmessung trotz Unterschreitens der Richtwerte von 2,0 beziehungsweise 3,0 Promille ungewöhnlich starke Ausfallerscheinungen zeigt, die auf ein Vorliegen von verminderter Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit hindeuten.

4. Welches Vorgehen ist in der Praxis im Einzelnen nötig, um eine richterliche Entscheidung über die Anordnung einer Blutprobe zu erreichen?

a) Inwieweit und bei welchen Schritten (Polizei ­ Staatsanwaltschaft ­ Gericht) ist die Übermittlung schriftlicher Akten vonnöten und auf welchem Weg (Fax? E-Mail?) erfolgt diese jeweils? Inwieweit ist eine telefonische Information durch die Polizeibeamten oder die Dezernenten der Staatsanwaltschaft ausreichend?

Ob, in welchem Stadium und in welchem Umfang zur Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung schriftliche Unterlagen benötigt werden, hängt vom jeweiligen Einzelfall ­ insbesondere den seitens des Gerichts gestellten Anforderungen an die Informationsübermittlung ­ ab.

b) Inwieweit gibt es Unterschiede im Verfahren, je nachdem, ob die Anordnung während oder außerhalb üblicher Bürozeiten erfolgen soll?

Für den Bereich der Staatsanwaltschaft gilt Folgendes: In Verfahren gegen erwachsene Beschuldigte ist montags bis freitags in der Zeit von 8.30 Uhr bis 16 Uhr der den Eildienst wahrnehmende Staatsanwalt für Anträge auf richterliche Anordnungen zur Blutprobenentnahme gemäß § 81a StPO zuständig. Dieser Dienst ist ebenso wie der an Sonnabenden von 9 Uhr bis 13 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 9 Uhr bis 11 Uhr wahrzunehmende Bereitschaftsdienst als Präsenzdienst in den Räumen des Strafjustizgebäudes ausgestaltet. Der für entsprechende Maßnahmen in Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende montags bis freitags ab 9 Uhr bis zur Erledigung der anfallenden Dienstgeschäfte zuständige Staatsanwalt hält sich auf Abruf in seinem Dienstzimmer bereit, das sich in unmittelbarer Nähe zum Strafjustizgebäude befindet. Eine technische Ausstattung mit E-Mail und Fax ist beim Präsenzdienst gewährleistet.

Außerhalb der genannten Dienstzeiten werden die erforderlichen Amtshandlungen von dem im Rahmen des Nachtdienstes zuständigen Staatsanwalt wahrgenommen.

Dieser Nachtdienst ist ausschließlich als telefonischer Bereitschaftsdienst ausgestaltet.

Das Amtsgericht unterhält einen Präsenzdienst der Ermittlungsrichter montags bis donnerstags in der Zeit von 8.30 Uhr bis 16 Uhr sowie freitags von 8.30 Uhr bis 15 Uhr. In dieser Zeit ist die gemäß der dortigen Geschäftsordnung zuständige Ermittlungsrichterin oder der zuständige Ermittlungsrichter im Büro erreichbar. Der anschließende Bereitschaftsdienst ist als telefonische Rufbereitschaft ­ in der auch ein mobiles Telefaxgerät zur Verfügung steht ­ ausgestaltet (siehe Antwort zu 5. a) bis 5. c).

Für den Bereich der Polizei ergeben sich keine Unterschiede.

5. Der Senat hat mitgeteilt, der nächtliche richterliche Bereitschaftsdienst sei durch „Mehrarbeit einzelner Richterinnen und Richter" verstärkt worden.

a) Wie viele Richterinnen und Richter sind am Bereitschaftsdienst beteiligt und wie hat sich ihre Zahl seit dem Jahr 2005 entwickelt? (Bitte Tendenz angeben, soweit keine detaillierten Zahlen vorliegen.)

b) Welche Daten und anderen Erkenntnisse gibt es über die vom Senat angesprochene „verstärkte Inanspruchnahme des nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienstes"?

c) Welche Bemühungen hat es ­ insbesondere vonseiten der Justizbehörde, aber auch durch die Leitungen der Gerichte ­ in den vergangenen Jahren konkret und wann gegeben, weitere Richterinnen und Richter für die Teilnahme am Bereitschaftsdienst zu gewinnen?

Woran liegt es, dass dies nicht in ausreichendem Maß gelingt?

Der nächtliche Bereitschaftsdienst in Strafsachen an Werktagen war in den vergangenen Jahrzehnten in der Weise geregelt, dass sechs Richterinnen und Richter dauerhaft als Bereitschaftsrichter für nächtliche Anträge bestimmt waren. Die entsprechende Telefonliste wurde unter anderem der Polizei und der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt. Zuständig war der Richter, der der Reihenfolge der Namen auf der Liste folgend als erster erreicht wurde. Seit dem 30. Juni 2008 wechselten sich zwei Richter wöchentlich als erste Ansprechpartner auf der Liste ab. Auf jeder der beiden Listen waren vier weitere Richterinnen und Richter als jeweils nachrangige Ansprechpartner durchgehend in Nachtbereitschaft.

Der richterliche Bereitschaftsdienst wurde nach Einschätzung von Polizei, Staatsanwaltschaft und Amtsgericht in jüngster Zeit verstärkt in Anspruch genommen. Eine statistische Erfassung findet insoweit jedoch nicht statt. Eine nachträgliche Erhebung ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich. Eine interne Erhebung seitens der Staatsanwaltschaft erfolgt seit November 2009 (siehe Frage 1. bis 2. c).

Zum 1. Dezember 2009 wurde der richterliche Bereitschaftsdienst (montags bis freitags) bis auf Weiteres auf rund 30 Richterinnen und Richter ausgedehnt. Eine ausreichende Personalausstattung des nächtlichen Bereitschaftsdienstes ist damit gewährleistet. Dieser Prozess wurde von der zuständigen Behörde begleitet.

An Sonnabenden nimmt eine Richterin oder ein Richter den Bereitschaftsdienst zwischen 9 Uhr und 13 Uhr als Präsenzdienst wahr, sofern die Dienstgeschäfte keine längere Anwesenheit erfordern. Hieran schließt sich eine telefonische Rufbereitschaft bis zum Folgetag um 9 Uhr an. An Sonn- und Feiertagen nimmt eine Bereitschaftsdienstrichterin oder ein Bereitschaftsdienstrichter einen Präsenzdienst in der Zeit von 9 Uhr bis 11 Uhr und für bis 11 Uhr angemeldete Vorgänge wahr; hieran anschließend setzt sich der Dienst als telefonische Rufbereitschaft fort.

6. Die höchstrichterlichen Entscheidungen zu den Möglichkeiten von Staatsanwaltschaft und Polizei, die Gefahr im Verzug anzunehmen und Ermittlungsmaßnahmen unter Verzicht auf eine richterliche Anordnung vorzunehmen, sind nicht neu, sondern stammen aus den vergangenen Jahren.

Welche Konsequenzen haben Innen- und Justizbehörde aus dieser Rechtsprechung gezogen? In welchen Fragen hat es in der Praxis seit dem Jahr 2007 aufgrund gerichtlicher Entscheidungen zum Themenkomplex „Gefahr im Verzug" Änderungen im Vorgehen gegeben, warum und inwiefern?

Siehe Antwort zu 3. a).

7. Die Justizministerkonferenz hat ­ laut Senat mit der Stimme Hamburgs ­ beschlossen, dass die strafprozessualen Probleme im Zusammenhang mit der Annahme von Gefahr im Verzug bei der Entnahme von Blutproben „einer eingehenden Prüfung" bedürfen. Dieser Beschluss stammt aus dem Juni 2009.

a) Hat Hamburg sich im Vorfeld dieser Beschlussfassung gegenüber den Justizministern beziehungsweise sonst auf Bundesebene für ein anderes Vorgehen eingesetzt?

Wenn ja, inwiefern?

b) Wer führt diese, von der Justizministerkonferenz für erforderlich gehaltene, „eingehende Prüfung" durch? Inwieweit führt insbesondere die Justizbehörde diese Prüfung durch?

c) Welche zeitlichen Vorstellungen gibt es auf Bundesebene und in Hamburg, wann diese Prüfung abgeschlossen sein soll?

d) Wie ist der Sachstand dieser Prüfung auf Bundesebene und in Hamburg? Was ist in Hamburg und bundesweit seit dem Beschluss der Justizminister im Juni 2009 geschehen, um diese Prüfung voranzubringen und Ergebnisse zu erzielen?

e) Gibt es Ergebnisse und wie lauten sie? Verfolgt Hamburg eine Zielsetzung und welche?

f) Hat sich insbesondere die Herbstkonferenz 2009 der Justizminister mit der rechtlichen Problematik der Blutproben befasst und wenn nein, warum hat Hamburg dieses Thema nicht angemeldet?

g) Ist beabsichtigt, die Justizministerkonferenz in ihrer nächsten Tagung Ende Juni 2010 in Hamburg mit dieser Frage zu befassen? Mit welcher Zielsetzung?

Die für das Strafprozessrecht zuständige Behörde hat sich im Vorfeld der Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister dahingehend geäußert, dass eine isolierte Aufhebung des Richtervorbehalts in § 81a StPO auch für einzelne Deliktsbereiche nicht in Betracht komme; vielmehr sei zunächst eine kritische Überprüfung des Systems der Richtervorbehalte im Hinblick auf Erforderlichkeit und praktische Anwendung bei den einzelnen Eingriffsrechten der Strafprozessordnung vorzunehmen.

Gegenwärtig ist sie mit der Auswertung der Rechtsprechung und Literatur zu dieser Themenstellung befasst. Zudem hat sie eine Evaluierung des nächtlichen Bereitschaftsdienstes veranlasst (siehe Antwort zu 1. und 2.). Die bisher vorliegenden Erhebungen zeigen, dass der richterliche Bereitschaftsdienst in Hamburg den Anforderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung genügt. Gleichwohl werden Optimierungsmöglichkeiten hinsichtlich der organisatorischen Abläufe geprüft, insbesondere um den Richtern, die jeweils mit der Wahrnehmung des Bereitschaftsdienstes zur Nachtzeit betraut sind, auf Verlangen schneller schriftliche Entscheidungsgrundlagen vorlegen zu können.

Die vorgenannte Auswertung beziehungsweise Prüfung ist noch nicht abgeschlossen; eine Aussage zu ihrer zeitlichen Dauer kann nicht getroffen werden.

Die Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister war mit der Themenstellung nicht erneut befasst. Von einer Anmeldung wurde und wird seitens der zuständigen Behörde vor dem Hintergrund der erwähnten Auswertung beziehungsweise Prüfung abgesehen.

Das erfragte Verhalten auf Ebene des Bundes und der anderen Länder und die hier erzielten Ergebnisse liegen außerhalb des Verantwortungsbereichs des Senats und der parlamentarischen Kontrolle der Bürgerschaft und wird daher auch vom parlamentarischen Fragerecht nicht umfasst.

8. Hat sich die Innenministerkonferenz in den Jahren 2007 bis 2009 mit der rechtlichen Problematik um die Blutproben befasst?

Wenn ja, wann und mit welchen Ergebnissen?

a) Hat sich die Innenministerkonferenz insbesondere bei ihrer letzten Tagung im Dezember 2009 mit der rechtlichen Problematik um die Blutproben befasst?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum hat Hamburg dieses Thema nicht angemeldet?

Nein. Es sollten zunächst die Erfahrungen im Umgang mit der neuen Vorgehensweise abgewartet werden.

b) Ist beabsichtigt, die Innenministerkonferenz Ende Mai 2010 in Hamburg mit dieser Frage zu befassen? Mit welcher Zielsetzung?

Ja. Ziel der Befassung wird die Erörterung der Tatsachen- und Problemlage in Bund und Ländern sein. Ob und inwieweit eine Beschlussfassung der Innenministerkonferenz erfolgen wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen.

9. Sind sich Innen- und Justizbehörde einig, welche Anforderungen die StPO an eine Blutprobenentnahme und den diesbezüglichen Richtervorbehalt stellen soll?

a) Welche Position vertreten sie?

b) Haben die Behörden Maßnahmen ergriffen, um sich darüber zu verständigen, wie die gesetzliche Regelung über die Blutproben aussehen soll? Welche und wann?

Zu Fragen seiner internen Meinungsbildung und den Einzelheiten der Vorbereitung seiner Entscheidungen nimmt der Senat grundsätzlich nicht Stellung.

10. Was hindert den Senat, eine Bundesratsinitiative zu ergreifen mit dem Ziel, § 81a StPO zu ändern?

Der Senat hat sich hiermit nicht befasst.