Im Besteuerungsverfahren ist das Finanzamt aufklärungsbedürftigen Sachverhalten nicht auf den Grund gegangen

Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg Jahresbericht 2010

Besteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts Finanzbehörde ­ Steuerverwaltung ­

Bei der Besteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist dem Zweck des Gesetzes, Wettbewerbsvorteile zulasten privater Unternehmen zu verhindern, nicht immer Rechnung getragen worden.

Im Besteuerungsverfahren ist das Finanzamt aufklärungsbedürftigen Sachverhalten nicht auf den Grund gegangen. Auf Betriebsprüfungen ist weitgehend verzichtet worden; Großbetriebsprüfungen haben seit Jahrzehnten nicht mehr stattgefunden.

Die Besteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts hinsichtlich ihrer Betriebe gewerblicher Art beruht auf dem Gedanken, bei wirtschaftlicher Betätigung Wettbewerbsvorteile zulasten privater Unternehmen zu vermeiden. Ob eine Betätigung hoheitlichen Charakter hat oder aber wirtschaftlicher Natur ist, hängt davon ab, ob sie der juristischen Person des öffentlichen Rechts als Trägerin öffentlicher Gewalt vorbehalten ist oder am Markt mit dem Angebot privater Anbieter konkurriert.

Der Rechnungshof hat die Besteuerung ausgewählter juristischer Personen des öffentlichen Rechts durch das Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg geprüft.

Besteuerung sogenannter Beistandsleistungen

Die Freie und Hansestadt Hamburg unterhält einen Landesbetrieb, bei dem die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben der Inneren Verwaltung konzentriert worden ist. Seit Jahren erbringt dieser Landesbetrieb auch Dienstleistungen für andere in Hamburg ansässige Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, für Unternehmen, Stiftungen und Vereine unter staatlicher Einflussnahme sowie für Forschungseinrichtungen. Diese ­ bezogen auf das Kerngeschäft ­ gleichartigen Leistungen gegenüber Dritten bilden einen Betrieb gewerblicher Art und werden entsprechend besteuert.

Seit 2004 ist der Landesbetrieb auch für eine andere Gebietskörperschaft tätig. Auf dessen Nachfrage stellte die Finanzbehörde ­ Steuerverwaltung ­ fest, dass „originär hoheitliche Aufgaben" der anderen Gebietskörperschaft übernommen worden seien. Damit würden nicht steuerbare hoheitliche Beistandsleistungen erbracht.

Die Auskunft der Finanzbehörde veranlasste den Landesbetrieb, Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg Jahresbericht 2010 keine Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen. Das Finanzamt nahm dies in Kenntnis der Äußerung der Finanzbehörde hin.

Die Finanzbehörde ­ Steuerverwaltung ­ hat sich bei ihrer Auskunft gegenüber dem Landesbetrieb auf einen Beschluss der Abteilungsleiter (Steuer) der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder gestützt, demzufolge Beistandsleistungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben anderer juristischer Personen keinen Betrieb gewerblicher Art begründeten.

Der Bundesrechnungshof hat diesen Beschluss bereits 2002 beanstandet, weil sogenannte Beistandsleistungen je nach Lage der Dinge auch von privaten Unternehmern erbracht werden könnten. Dem Bundesministerium der Finanzen ist es jedoch bislang nicht gelungen, eine Aufhebung des Beschlusses herbeizuführen. Der Bund auf der einen und die Länder auf der anderen Seite halten an unterschiedlichen Rechtsauffassungen fest.

Der Rechnungshof hat dargelegt, dass die steuerrechtliche Qualifikation sogenannter Beistandsleistungen von der Art der Beziehung abhängt, in der die ersuchende und die ersuchte Organisationseinheit zueinander stehen. Bei einer ­ wie im Ausgangsfall ­ quasi-schuldrechtlichen Verbindung bedarf es der Prüfung, ob die erbetene Beistandsleistung nur von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder auch von Privaten erbracht werden kann.

Der Rechnungshof hat darauf hingewiesen, dass der Beschluss der Abteilungsleiter (Steuer) diesen Grundsätzen widerspricht und damit dem Zweck des Gesetzes, Wettbewerbsneutralität im Verhältnis zu privaten Anbietern zu gewährleisten, nicht durchgängig gerecht wird. Im Ausgangsfall war die Möglichkeit, dass auch ein privater Anbieter die von der anderen Gebietskörperschaft geforderte Dienstleistung hätte erbringen können, nicht von vornherein auszuschließen. Der Rechnungshof hält eine Überprüfung des Beschlusses der Abteilungsleiter (Steuer) für dringend geboten.

Die Finanzbehörde ­ Steuerverwaltung ­ sieht diesen Beschluss im Einklang mit § 4 Absatz 5 Körperschaftsteuergesetz. Danach gehörten Betriebe, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienten (Hoheitsbetriebe), nicht zu den Betrieben gewerblicher Art. Die öffentliche Hand würde ungerechtfertigt benachteiligt, wenn im „hoheitlichen Bereich Teile der eigenen internen Administration besteuert würden." Bestehende Verwaltungskooperationen von Gemeinden und von Ländern würden unwirtschaftlich. Das Finanzamt sei an den Beschluss der Abteilungsleiter (Steuer) gebunden gewesen.

Der Rechnungshof hält daran fest, dass die Wettbewerbsrelevanz der konkreten Beistandsleistung der Maßstab dafür ist, ob eine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt oder eine hoheitliche Aufgabe wahrgenommen worden ist. Der Umstand, dass die ersuchende Gebietskörperschaft die Wahrnehmung von Aufgaben der Sitzung der Abteilungsleiter (Steuer) der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder vom 14. bis 16. Mai 2001 in Frankfurt am Main, TOP Verschiedenes. Wenn von der ersuchten Gebietskörperschaft Dienstleistungen erbracht werden, die ­ insbesondere als Servicetätigkeit ­ auch von privaten Unternehmen für die Innere Verwaltung hoheitlich tätiger Organisationseinheiten erbracht werden könnten, übt die ersuchte Gebietskörperschaft eine unternehmerische Tätigkeit aus. Dass Umsatzsteuer nur auf Fremd- und nicht auf Eigenleistungen erhoben wird, gilt generell und ist keine Besonderheit in der Sphäre juristischer Personen des öffentlichen Rechts, die

­ wie von der Finanzbehörde vorgetragen ­ als „ungerechtfertigte Benachteiligung" bezeichnet werden könnte. Vielmehr geht es nach dem Zweck des Gesetzes darum, Nachteile privater Dritter zu vermeiden, wenn sich die öffentliche Hand in wettbewerbsrelevanter Weise betätigt.

Besteuerung einer Hamburger Hochschule Umsatzsteuer

Mit Ablauf des Jahres 2003 entfiel die Steuerbefreiung der Umsätze aus der Forschungstätigkeit staatlicher Hochschulen. Das führte zu einer grundlegenden Überprüfung der steuerlichen Verhältnisse der Hochschulen mit dem Ergebnis, dass die Hochschulen als Körperschaften des öffentlichen Rechts selbstständige Steuersubjekte und mit ihren Betrieben gewerblicher Art steuerpflichtig waren. Aus Gründen der Praktikabilität wurde dieser Erkenntnis erst ab 2004 Rechnung getragen.

Der Rechnungshof hat festgestellt, dass das Finanzamt erst Mitte 2005 damit begonnen hat, die dargestellte Rechtsänderung zum Ausgangspunkt gezielter Aktivitäten gegenüber den Hochschulen zu machen. In einem der Fälle wurde die Hochschule deshalb erst im November 2005 aufgefordert, ihre Umsätze aus der Auftragsforschung mitzuteilen. Als die Hochschule hierauf nicht reagierte, blieb das Finanzamt untätig. Steueranmeldungen für die Jahre 2004 und 2005 wurden erst im Juli 2006 bzw. März 2007 abgegeben. Im April 2007 wurden beide Anmeldungen in erheblichem Umfang geändert. Für beide Jahre ergaben sich Abschlusszahlungen von jeweils mehr als 550.000 Euro.

Seit 2006 gibt die Hochschule auch monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab. Als die Hochschule später ­ wiederum erheblich verzögert ­ ihre Steueranmeldungen für die Jahre 2006 und 2007 abgab, zeigten sich erhebliche Diskrepanzen zwischen den kumulierten Monatsmeldungen und den jeweiligen Jahresmeldungen, die im einen Jahr zu einer Nachzahlung von 180.000 Euro und im anderen Jahr zu einer Erstattung von mehr als 800.000 Euro führten.

Für die Vorjahre beließ man es bei der bisherigen Praxis, umsatzsteuerlich relevante Vorgänge der Hochschulen im Rahmen der Steuererklärungen der Freien und Hansestadt Hamburg zu erfassen.