Von der Analyse teile ich das was Sie gesagt haben aber ich teile überhaupt nicht Ihre Konsequenz an der Stelle

An der Stelle komme ich jetzt dann auch noch einmal zu Frau Motschmann. Frau Motschmann, Sie haben ja eine engagierte Rede in der Sache gehalten.

Von der Analyse teile ich das, was Sie gesagt haben, aber ich teile überhaupt nicht Ihre Konsequenz an der Stelle. Sie sagen, der Senat möge mit gutem Beispiel vorangehen. Das tut der Senat doch! Wir haben eine Anfrage dazu gestellt, haben das Thema aufgegriffen und haben gefragt, was im öffentlichen Dienstgemachtwirdundsoweiter,dashabeichvorhin erläutert. Der Senat hat viel dazu aufgeschrieben, und er hat aufgeschrieben, wie die Sache ist und was er alles unternimmt.

Wir haben das Landesgleichstellungsgesetz auf die Privatwirtschaft ausgeweitet. Wir bringen mehr Frauen in Führungspositionen und immer so weiter, Frau Arnold-Cramer hat darauf hingewiesen, und auch in den Arbeitsmarktprogrammen machen wir an der Stelle eine ganze Menge. Der öffentliche Dienst geht mit gutem Beispiel voran. Das Problem ist in der privaten Wirtschaft, und weshalb Sie da gerade die private Wirtschaft außen vor lassen wollen, das erschließt sich auch mir nicht bei Ihrer Argumentation, denn gerade dort ist die Aufgabenstellung, und von daher finde ich das jetzt auch sehr schade, dass Sie unserem Antrag nicht zustimmen wollen, weil dort die großen Aufgaben liegen. Auch dort haben wir Branchen wie Recycling und Tourismus, wo wir sogar eine Lohnspreizung von über 40 Prozent haben.

Aber auch wenn die Seite des Hauses so einen Antrag nicht mitmachen will, wir werden den Weg ­ Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD) Vizepräsident Ravens: Als nächste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Troedel.

Abg. Frau Troedel (DIE LINKE): Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was mich bewogen hat, noch einmal zu den Worten von Herrn Dr. Möllenstädt Stellung zu nehmen, waren zwei Punkte, einmal natürlich und die freie Berufswahl.

Zur freien Berufswahl! Ich glaube, ein Teil von Ihnen kann sich noch daran erinnern, wie viele Frauen sich in sogenannte Männerberufe haben einklagen müssen, die nicht einmal die Möglichkeit einer Ausbildung bekommen haben mit den Sätzen, die sanitären Einrichtungen geben es nicht her. Hier im Raum Bremen gibt es sechs Frauen, die sich bis zum Bundesarbeitsgericht in sogenannte Männerberufe haben einklagen müssen. Das nur noch einmal zur freien Berufswahl!

Dann die Natürlichkeit! Was ist daran natürlich, dass Ingenieure männlich sind und Putzhilfen, Reinigungskräfte weiblich?

(Abg. Dr. Möllenstädt [FDP]: Das sagt doch kein Mensch!)

Ein Stück zurück in der Geschichte hat Cato der Ältere gesagt: Wenn die Frauen uns gleichgestellt sind, sind sie uns überlegen. Daran hat sich Jahrtausende das Patriarchat orientiert und tut es noch heute. Die

Frage von gesellschaftlicher, privater, menschlicher, sozialer Abhängigkeit macht sich im Wert der gesellschaftlichen Akzeptanz und selbstverständlich des Einkommens ganz deutlich. Wenn das alles so wäre, Herr Dr. Möllenstädt, wie Sie gesagt haben, würden wir hier nicht stehen und eine zunehmende Lohndifferenz oder Gehaltsdifferenz zwischen Männern und Frauen diskutieren müssen. Das machen wir ja nicht freiwillig.

Zweitens,wirwürdennichtdarüberdiskutierenmüssen, warum Frauen bessere Schul- und auf dem Arbeitsmarkt im unteren Drittel sind.

Wo ist da die Freiwilligkeit, wo ist da die Natürlichkeit? Ich glaube, so ein Stück feministische Selbstbesinnung von Männern täte an dieser Frage einmal not.

Noch einmal zur Frage der Abhängigkeit! Ganz viel an der Eigenständigkeit auch von Frauen, an eigenständiger Existenzsicherung, hat etwas mit Unabhängigkeit zu tun. Vielleicht sind das Ängste, lieber Kollege Dr. Möllenstädt, die Sie weiterhin dazu treiben, diese Differenz in der Abhängigkeit sein zu lassen.

Für mich ist nur eines natürlich: für gleiche, gleichwertige Arbeit gleiches Geld zu bekommen, unabhängig welches Geschlecht ich habe, und nicht die Messlatte an sogenannten Männerberufen festzumachen, dass das der Maßstab für Frauen ist, die ganzheitlich in jedem Bereich arbeiten können und auch dort wollen, wo sie aber nicht zugelassen werden. ­

Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Ravens: Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Bürgermeisterin Linnert.

Bürgermeisterin Linnert: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, man kann die Diskriminierungstatbestände, die dazu führen, dass Frauen im Durchschnitt deutlich weniger verdienen als Männer ­ und im Land Bremen auch noch einmal besonders extrem ­, in zwei große Bereiche einteilen:

Der erste Bereich ist die Diskriminierung, weil Frauen eine Tendenz haben, vorrangig in sogenannten Frauenberufen zu arbeiten ­ Pflege und Kinder sind hier schon angeklungen ­ und dass es eine gesellschaftliche Setzung ist, die man in der Tat dringend verändern muss, dass in diesen Berufen eher weniger Qualifikation verlangt wird oder dass so getan wird, als könne das eine Frau per se, und dass diese Bereiche schlechter entlohnt werden.

Sie können an dem Agieren des Senats im Tarifkonflikt um die Eingruppierung der Erzieherinnen und Erzieher sehen, dass wir uns ­ auch weitgehend unsere Arbeitgeberfunktion verlassend ­ dort öffentlich dafür starkgemacht haben, dass sich gerade bei der Eingruppierung der Erzieherinnen und Erzieher etwas bewegt, vieler Erzieherinnen und weniger Erzieher. Daran können Sie sehen, dass der Senat sich daran beteiligt, bei der gesellschaftlichen Wertung

­ die sich implizit darin ausdrückt, dass sogenannte Frauenberufe schlechter bezahlt werden als sogenannte Männerberufe ­ das in seiner Macht Stehende zu tun, um dem sonderbaren Werturteil, das oft dahintersteht, entgegenzuwirken und eigene Akzente zu setzen.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube nicht, dass man das über objektivierende Gutachten, so nach dem Motto, die Anforderungen an einen Techniker sind gleichwertig wie an eine Erzieherin, hinbekommen kann. Ich glaube eher, dass wir uns ­ und dazu dient ja auch die Debatte ­ da auf den Weg machen müssen, die gesellschaftliche Auseinandersetzung auch schärfer zu führen. Der demografische Wandel wird uns im Übrigen in den nächsten Jahren gewaltig dabei helfen, und an dem Punkt kann man sich darüber auch wirklich freuen. Pflegekräfte werden knapp werden, und es wird dazu kommen, dass man sie in Zukunft besser bezahlen wird. Das ist unausweichlich und aus meiner Sicht und auch aus Sicht des Senats eine begrüßenswerte Entwicklung.

Der zweite große Bereich, warum Frauen bei der Entlohnung diskriminiert werden, liegt schlicht und einfach darin begründet, dass sie Kinder bekommen, weil sie in Deutschland immer noch überwiegend die Erziehungsarbeit leisten, weil wir in Deutschland rückschrittlich sind, was den Ausbau von Ganztagsschulen und die Kinderbetreuung als selbstverständlichen Bestandteil unseres gesellschaftlichen Lebens betrifft und weil auf diese Art und Weise die Rollenzuschreibungen für Frauen auch noch besonders zementiert werden. Da ist Deutschland im europäischen Vergleich richtig schlecht. Ich möchte in aller Bescheidenheit sagen, dass dieser Senat alles tut, was er kann, um das zu verbessern, aber es muss klar sein, dass das dauert. Das kostet sehr viel Geld, es dauert auch sehr lange und ist ein ziemlich träger Tanker.

Die Diskriminierung darüber, weil Frauen Kinder bekommen, findet in aller Regel innerhalb der geltenden Tarifverträge statt, also innerhalb dessen, was Tarifpartner ausgehandelt haben. Deshalb ist sie indirekt und schleichend. Wir müssen Frauen und Mädchen Mut machen, sich für Berufe zu entscheiden, die eher dem traditionellen Männerbereich zugeordnet sind. Wir müssen ihnen Mut machen, sich nicht als Rabenmutter zu fühlen, wenn sie ihre Kinder in die Kinderbetreuung geben. Wir müssen ihnen Mut machen, auch wenn es ­ vor allen Dingen in der Privatwirtschaft, im öffentlichen Dienst geht es auch, da kann man sich auch dafür bewerben, dass man höhergruppiert wird ­ eben nicht ehrenrührig ist, dass man zu seinen Vorgesetzen oder Chefinnen und Chefs geht und um mehr Geld bittet. All das ist eine gesellschaftliche Frage, die dann letztendlich die entscheidende Grundlage dafür legt, dass man auch zu gesetzlichen Veränderungen kommen kann.

In den Redebeiträgen ist die indirekt diskriminierende Wirkung des sogenannten Stufenrückschritts angesprochen worden. Wir haben tarifliche Regelungen im TVL-L und TVöD, die auf Folgendes hinauslaufen: Wenn eine Person für fünf Jahre oder länger ihre Stelle im öffentlichen Dienst verlässt, das sind überdurchschnittlich oft Frauen, weil sie sich längere Zeiten für die Kinderbetreuung nehmen ­ und ich finde, dass Frauen auch das Recht haben sollten, das zu tun, und dass dies nicht als etwas Rückschrittliches gewertet wird, auch nicht von den Frauen, die eher andere Lebenswege präferieren ­, soll sie dann, wenn sie zurückkommt, nicht in die gleiche Tarifstufe eingestuft werden wie die, die sie verlassen hat, weil man davon ausgeht, dass ein Abbau von Qualifikation stattfindet. Das ist im Übrigen ­ nicht in allen Fällen, aber in einigen Fällen ­ natürlich in der Tat der Fall, weil es dort zum Beispiel technische und rechtliche Fortschritte oder Veränderungen gegeben hat.

Wir können uns auf Arbeitgeberebene gern dafür einsetzen, dass wir uns diese Regelung noch einmal anschauen. Letztendlich glaube ich aber, dass eine Lösung, die dann viel offensiver Qualifikationen anbietet und den Frauen sagt, wenn ihr zurückkommt, ist zwar tarifrechtlich vorgesehen, den Stufenrückschritt zu machen, aber wir können relativ schnell mit dir dafür sorgen, dass dieses Defizit aufgeholt wird, glaube ich, der bessere Weg ist, und den können wir in Bremen auf jeden Fall auch gehen, ohne dass wir da mit bundesweit geltenden Spielregeln in Kollision geraten.

Ich habe verstanden, der Antrag der Koalition bittet den Senat, dass wir jährlich einen Bericht über die Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst in Bremen vorlegen ­ wo wir gut sind, aber auch noch besser werden können ­ und im Privatbereich. Der Privatbereich in Bremen ist ganz besonders davon geprägt, dass wir hier Schwerpunkte in den Bereichen Hafen-, Stahl- und Automobilindustrie haben, eben klassische Männerdomänen, und da schlägt sich die Quote von 26 Prozent Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen aus diesem Grund ganz besonders nieder. Wir werden mit einem fortschreitenden Strukturwandel in Bremen sicherlich auch dazu beitragen können, dass sich diese Quote zugunsten der Frauen verändert.

Die Bürgerschaft bittet den Senat weiterhin, auf Bundesebene in eine Richtung zu agieren, dass möglichst auch Regelungen in der Privatwirtschaft gelten. Das ist aus Sicht des Senats ein schmaler Grat, den man da geht. Das deutsche Recht ist auch verfassungsrechtlich relativ rabiat bei der Frage des Eingriffs des Staates in private Unternehmen. Deshalb bitten wir darum, die verfassungsrechtlichen Implikationen, die das aufwirft, zu klären. Wir werden uns daran auch beteiligen, aber auf jeden Fall ist es möglich ­ und das sagen wir hier auch zu ­, dass man öffentliche Förderungen an Unternehmen daran bindet, dass zum Beispiel offengelegt wird, wie eigentlich die Einkommensunterschiede im Betrieb sind, und dem Betrieb auferlegt, in Stufenplänen daran zu arbeiten, das zu verändern.

Das ist mit Sicherheit mit geltendem Gesetz zu vereinbaren, und das können wir auch gern machen.

Zwei letzte Bemerkungen würde ich hier gern noch machen! Die eine ist, die Diskriminierung von Frauen im Lohnsektor ist ein Teil der Diskriminierung von Frauen insgesamt, ein wichtiger, sichtbarer und messbarer Teil, und wenn ich mir die Lage in der FDP-Fraktion so anschaue, bleibt ihr natürlich auch gar nichts anderes übrig, als hier so zu agieren, wie hier traditionell oder in dieser Legislaturperiode agiert wird, aber deshalb wird es auch nicht richtiger.

(Abg. Dr. Möllenstädt [FDP]: Im Gegenteil! Anders wäre es viel einfacher!) Glauben Sie wirklich, dass Sie eine Frau finden würden, die das vertritt? Das glaube ich jedenfalls nicht!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN ­ Abg. D r. Güldner [Bündnis 90/Die Grünen]: In der FDP vielleicht!)

Wenn man sagt, es ist nur ein Teil der Diskriminierung und eine Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft, dann möchte ich auch gern, dass wir uns nicht an einem Ziel orientieren, dass die Welt erst in Ordnung ist, wenn 50 Prozent aller Einkommen von Frauen erzielt werden. Ich möchte nämlich gern auch ein weibliches Selbstverständnis und eine Wahlfreiheit behalten, zum Beispiel mehr in Teilzeit zu arbeiten als durchschnittlich die Männer, weil darin

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) und nicht so tun, als sei alles gleich. Das möchte ich nicht.

Letzte Bemerkung: Der größte Ärger ­ frauenpolitisch und auch lohnpolitisch ­ ist aus meiner Sicht die Herdprämie. Wie man es wagen kann, die Erziehung eines Kindes in den ersten drei Lebensjahren mit 150 Euro pro Monat zu bezahlen, ist allerdings wirklich ein frauenpolitischer Skandal! ­ Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN) Vizepräsident Ravens: Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Abg. Dr. Möllenstädt (FDP): Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir die Debatte sehr aufmerksam angehört, aber ich habe immer noch das Gefühl, dass viele wesentliche Punkte, die diesen Lohnunterschied, den Sie hier in der Debatte beklagen und zu erklären vermögen, insbesondere von den Kolleginnen, überhaupt nicht hinreichend analysiert worden sind. Wenn Sie allein einmal den Anteil herausrechnen, der aus den Erwerbsunterbrechungen resultiert, die kindbedingt sind, bleiben noch sechs Prozent bundbezogen an Lohnunterschieden übrig. Das ist eine ganz andere Zahl als die, die hier im Raum steht. Ich glaube, in der Tat ist es sinnvoll, diese Debatte wesentlich sachlicher zu führen.

Frau Kollegin Troedel, man kann natürlich so argumentieren, wie Sie es getan haben, nur dann ist man relativ schnell dabei zu sagen, wir brauchen den Einheitslohn für alle, für alle Berufe, für alle Menschen.

Ich muss Ihnen dann leider sagen, wenn Sie die Frage stellen, ob ich der einzige bin, der hier etwas von Marktwirtschaft versteht. Selbst unsere Bürgermeisterin hat ja eben in einem Anflug von Marktwirtschaft deutlich gemacht, dass, wenn eine stärkere Nachfrage auftritt ­ es war ja nur ein Anflug, ich weiß, das geht bei Ihnen schnell vorüber ­, (Lachen bei der SPD) wie wir sie im Bereich der Pflege und im Bereich der Erziehung von Kindern erleben werden, dass dann natürlich auch besser bezahlt werden muss, das will ich auch ausdrücklich sagen. Ich habe mich an keiner Stelle dagegen gewandt, dass wir uns über die Jahre auch die einzelnen Lohngruppen anschauen. Frau Kollegin Troedel, ich halte es nur nicht für hilfreich, dass wir die Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes hier im Plenum der Bremischen Bürgerschaft führen.

(Beifall bei der FDP)

Im Weiteren, glaube ich, hilft es schon, wenn man einmal die Aufmerksamkeit durchaus darauf lenkt, was man denn tatsächlich auf der Ebene Bremens vielleicht auf den Weg bringen könnte.