Jugendamt

Polizeilicher Antrag auf Unterbindungsgewahrsam von Jugendlichen im Untersuchungsgefängnis

Am 1. Mai 2010 wurde um circa 3 Uhr morgens ein 17-jähriger Jugendlicher im Schanzenviertel in Gewahrsam genommen und auf das Polizeikommissariat 14 in der Innenstadt verbracht. Die Polizei wollte den Jugendlichen für 28 Stunden bis zum 2. Mai um 7 Uhr in „Anschlussgewahrsam" beziehungsweise Unterbindungsgewahrsam nehmen. Nachdem eine Rechtsanwältin beauftragt wurde, den Jugendlichen zu vertreten, wurde der Jugendliche nach der Vorführung im Untersuchungsgefängnis um 15 Uhr aufgrund eines richterlichen Beschlusses um 16.30 Uhr freigelassen.

Der polizeiliche Gewahrsam ist eine Freiheitsentziehung nach Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz, die dem Richtervorbehalt nach Artikel 104 Absatz 2 GG unterliegt. Der Anwendungsbereich des § 13 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 SOG wird von den Gerichten der Freien und Hansestadt Hamburg unter starker Betonung des Grundrechts auf Freiheit der Person aus Artikel 2 Absatz 2 GG „im Zweifel eher restriktiv ausgelegt" (vergleiche OLG Hamburg, Beschluss vom 27.03.2006, 2 WX 136/05, n.v.). Auch die für die richterliche Anordnung von Ingewahrsamnahmen gemäß § 13a SOG zuständige Vorführabteilung des Amtsgerichtes Hamburg hat durch ihre Beschlusspraxis den Anwendungsbereich des § 13 SOG in erheblichem Maße eingeschränkt, so die Auffassung von Jens Stammer, Regierungsdirektor der Polizei Hamburg im Kommentar zum Hamburger Sicherheits- und Ordnungsrecht SOG/PolDVG, Boorberg Taschenkommentar, 2. Auflage, 2009.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Stadtreinigung Hamburg AöR (SRH).

In der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai 2010 wurden im Rahmen des Polizeieinsatzes anlässlich von Ausschreitungen im Bereich des Schanzenviertels unter anderem zwei Jugendliche vorläufig festgenommen. Gegen sie besteht der Verdacht eines Verstoßes gegen § 125a StGB (schwerer Landfriedensbruch). Beiden Jugendlichen wurden nach deren Festnahme im Bereich Susannenstraße/Rosenhofstraße durch Kräfte der Landesbereitschaftspolizei die Arme mit Einweghandfesseln fixiert. Danach wurden sie zum Polizeikommissariat 14 transportiert und dort jeweils in einer der dortigen Zellen untergebracht. In den Zellen befindet sich jeweils eine feste Holzliege. Decken und Wasser werden auf Wunsch gereicht. Der mutmaßlich in der Vorbemerkung zur Schriftlichen Kleinen Anfrage bezeichnete 17-Jährige erhielt um 13.30 Uhr eine Kaltverpflegung. Den beiden Jugendlichen wurde am Polizeikommissariat (PK) 14 von Mitarbeitern des Landeskriminalamts (LKA 7) am 1. Mai 2010 gegen 9.10 Uhr beziehungsweise 9.55 Uhr rechtliches Gehör angeboten. Nach Abschluss der kriminalpolizeilichen Sachbearbeitung (Sachverhaltsklärung, Personalienfeststellung, rechtliches Gehör) wurden die vorläufigen Festnahmen jeweils in eine Ingewahrsamnahme umgewandelt, zu deren Bestätigung die beiden Jugendlichen einem Richter vorgeführt wurden.

In der Nacht vom 1. Mai auf den 2. Mai 2010 wurden im Rahmen des Polizeieinsatzes anlässlich von Ausschreitungen im Bereich des Schanzenviertels unter anderem vier Jugendliche in Gewahrsam genommen und weitere 17 minderjährige Personen vorläufig festgenommen.

Orientiert an den Fragestellungen der Abgeordneten sowie der expliziten Nennung des § 13 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) im Anfragentext bezieht sich die Antwort des Senats im Übrigen auf Jugendliche, die aus Gründen der Gefahrenabwehr in Gewahrsam genommen wurden.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Wann, warum und wie viele Jugendliche wurden in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai 2010 beziehungsweise in den frühen Morgenstunden des 1. Mai 2010 in polizeilichen Gewahrsam genommen und auf welchen Revierwachen wie lange an welchem Ort untergebracht?

Keine, im Übrigen siehe Vorbemerkung.

2. Wann, warum und wie viele Jungendliche wurden in der Nacht vom 1. Mai auf den 2. Mai 2010 beziehungsweise in den frühen Morgenstunden des 2. Mai 2010 in polizeilichen Gewahrsam genommen und auf welchen Revierwachen wie lange an welchem Ort untergebracht?

3. Wann, warum und wo wurden die Jugendlichen und der 17-jährige Jugendliche im Schanzenviertel in Gewahrsam genommen?

4. Von welchen Einheiten der Polizei wurden die Jugendlichen und der 17-jährige Jugendliche in Gewahrsam genommen?

5. Wurden die Jugendlichen und der 17-jährige Jugendliche gefesselt?

Wenn ja, wie, warum und wie lange?

6. Auf welche Revierwachen wurden die Jugendlichen und auf welche Revierwache wurde der 17-jährige Jugendliche verbracht?

7. In welchen Räumen wurden die Jugendlichen und wo der 17-jährige Jugendliche auf der Revierwache untergebracht und für welchen Zeitraum?

Im Rahmen des Polizeieinsatzes in der Nacht vom 1. zum 2. Mai 2010 anlässlich von Ausschreitungen im Bereich des Schanzenviertels wurden vier Jugendliche in Gewahrsam genommen.

Im Übrigen werden die zu Beantwortung benötigten Daten nicht erfasst; darüber hinaus siehe Vorbemerkung.

8. Konnten die Jugendlichen und konnte der 17-jährige Jugendliche schlafen?

Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen wurden hierfür getroffen beziehungsweise welche Gegenstände wurden hierfür bereitgestellt (Liege, Decke, Kopfkissen)?

Die Jugendlichen hatten die Möglichkeit, auf den in den Zellen der Gefangenensammelstelle befindlichen Sitzbänken zu schlafen. Auf Nachfrage werden Decken verteilt.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

9. Wann wurden die Jugendlichen und wann der 17-jährige Jugendliche mit Lebensmitteln und Wasser versorgt? Welche Lebensmittel wurden in welcher Anzahl angeboten? Wie viel Wasser wurde den Jugendlichen angeboten?

Eine Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser erfolgt jeweils auf Nachfrage im gewünschten Umfang, ohne dass Menge und Art gesondert erfasst werden.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

10. Wann, wie oft und wie lange durften die Jugendlichen und der 17-jährige Jugendliche mit ihren Erziehungsberechtigten, und/oder Angehörigen und/oder Freund/-innen und/oder ihren Rechtsanwält/-innen sprechen?

In Gewahrsam genommenen Jugendlichen wird grundsätzlich auf Wunsch jeweils unverzüglich nach Aufnahme in die Gefangenensammelstelle die Kontaktaufnahme zu Rechtsbeiständen ermöglicht.

Darüber hinaus werden durch die Mitarbeiter der Gefangenensammelstelle jeweils unverzüglich die Erziehungsberechtigten beziehungsweise bei Nichterreichen der Kinder- und Jugendnotdienst verständigt.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

11. Wann, wie oft und wie lange wurden die Jugendlichen und der 17-jährige Jugendliche von wem wo vernommen?

In Gewahrsam genommene Personen werden nicht vernommen.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

12. Wurde das Jugendamt über die freiheitsentziehenden Maßnahmen gegenüber den Jugendlichen beziehungsweise dem 17-jährigen Jugendlichen informiert?

Wenn ja, wann und von welchen Revierwachen?

Wenn nein, warum nicht und von welchen Revierwachen nicht?

Das Jugendamt (der Kinder- und Jugendnotdienst - KJND) wurde in den drei Fällen informiert, in denen keine Erziehungsberechtigten der in Gewahrsam genommenen Personen erreicht werden konnten.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

13. Zu welchem Zeitpunkt in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai 2010 beziehungsweise in den frühen Morgenstunden des 1. Mai 2010 waren die Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und anderen Personengruppen sowie der Polizei in Hamburg beendet?

Am 1. Mai 2010 gegen 4.30 Uhr.

14. Wann rückten wie viele der eingesetzten Polizeieinheiten im Schanzenviertel und den umliegenden Stadtteilen ab, wie viele der eingesetzten Polizeieinheiten blieben vor Ort, und wann hat die Stadtreinigung begonnen, die Gehwege, Straßen und Plätze zu reinigen?