Vorsorgeuntersuchungen für Kinder

Betreff: Vorsorgeuntersuchungen für Kinder („U-Untersuchungen"): Der zweijährige und auf die U6 und U7 beschränkte Modellversuch von CDU und GAL

Nach jahrelangen Ankündigungen haben auch CDU und GAL im Dezember 2009 die landesgesetzliche Grundlage für verbindliche Vorsorgeuntersuchungen für Kinder geschaffen. Allerdings lediglich für einen zunächst auf zwei Jahre befristeten Modellversuch und lediglich bezogen auf die U6 und U7. Damit ist Hamburg in dieser Angelegenheit eines der Schlusslichter in Deutschland.

Eine verpflichtende Untersuchung von Kindern im Rahmen des Hamburgischen Kinderbetreuungsgesetzes (KibeG) wurde von CDU- und GAL-Fraktion zeitgleich abgeschafft ­ mit der nicht zutreffenden Behauptung einer „Doppeluntersuchung" durch die U7a.

In einer Sachverständigenanhörung des Familien-, Kinder- und Jugendausschusses vom 03.11.2009 hieß es seitens der Expertinnen und Experten unter anderem (alle Zitate gemäß Wortprotokoll Nummer 19/17 der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Verbraucherschutz vom 03.11.2009): Herr Dr. med. Hans-Ulrich Neumann - Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte: „... Die U7a, und da gebe ich Ihnen recht, ist keine Doppeluntersuchung."... Frau Dr. Renate Klein - Ministerium für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales des Saarlandes: „...Wir haben begonnen mit der U5 (...). Wir haben dann aber, wie gesagt, erst nach oben dann auch zu U3/U4 das Ganze erweitert, weil wir wissen, dass halt Schütteltraumen und solche Dinge gerade in der frühen Zeit vorkommen. (...) Es bewährt sich aber, weil man dann sehr früh in problematische Familien dann reinkommt. Das macht auch, sagen wir mal, einen Großteil der Hausbesuche aus, die U3, U4, weil man dann einfach beraten kann und dann gegebenenfalls auch noch weitere Hilfen machen kann."... Herr Dr. Benedikt Müller-Lucks ­ Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holstein: „(..) es ist eigentlich erst bei unserem System vernünftig ab der U4. Wenn man ein anderes System hat, ich kann das jetzt nicht so schnell technisch umsetzen, ist es vielleicht mit der U3."... Wiederholte Anfragen der SPD-Fraktion zum Thema Vorsorgeuntersuchungen für Kinder hatten unter anderem ergeben, dass es deutlich niedrigere Teilnahmequoten bei Kindern ohne deutschen Pass sowie nicht hinzunehmende Unterschiede zwischen einzelnen Stadtteilen gibt (hier U7 ­ U9): Im Gegensatz zu über 90 Prozent Teilnahmequote in Lemsahl-Mellingstedt, Volksdorf oder Wellingsbüttel, stehen 57,4 Prozent in St. Pauli, 60,8 Prozent auf der Veddel oder 61,4 Prozent in Altona-Altstadt. In mehreren sozial schwachen Stadtteilen wie zum Beispiel St. Georg oder Billstedt ist die ohnehin niedrige Quote sogar noch weiter zurückgegangen.

Die Große Anfrage Drs. 19/2412 der SPD-Fraktion ergab zudem unter anderem:

· In absoluten Zahlen haben auf Basis der 2008er-Zahlen an der U4 über 600-mal Kinder und an der U5 rund 750-mal Kinder nicht teilgenommen.

· Zu Quoten von Kindern mit Migrationshintergrund ist der Senat nicht auskunftsfähig.

· Bei Kindern mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit ist die ohnehin schon deutlich niedrigere Teilnahmequote in 2008 gegenüber 2005 von der U1 bis inklusive der U7 sogar noch weiter gesunken! ­ und beträgt zum Beispiel bei der U4 jetzt 80,5 Prozent und bei der U5 jetzt 77,6 Prozent.

· In 19 Stadtteilen nimmt etwa jedes vierte Kind nicht an den Untersuchungen teil; in weiteren (zusätzlich)14 Stadteilen ist es sogar rund jedes dritte Kind.

Bereits am 13.10.2009 hatte Senator Wersich auf der Landespressekonferenz (LPK) über den „Modellversuch zur kontrollierten Teilnahme an U-Untersuchungen" informiert. In der Pressemitteilung hierzu hieß es unter anderem: „Im Rahmen des Modellversuchs sollen die Sorgeberechtigten von circa 33.000 Kindern in Hamburg durch Anschreiben einer zentralen Stelle zu den Kinderfrüherkennungsuntersuchungen U6 und U7 jährlich an die Teilnahme erinnert werden." Entsprechend lautet auch die Senatsmitteilung Drs. 19/4331. Die gesetzliche Grundlage für den Modellversuch ist am 01.01. in Kraft getreten (Gesetz zur Neustrukturierung und Optimierung der gesundheitlichen Vorsorge im Vorschulalter, HmbGVBl. Nummer 56 vom 29.12.2009). Senator Wersich erklärte auf der LPK am 13.10.2009, der Modellversuch solle „im Frühjahr" 2010 starten. Ein Vertreter der BSG erläuterte, man sei über die „zentrale Stelle" noch in Verhandlungen.

In der Senatsanhörung zu diesem Thema hieß es am 01.12.2009 seitens der BSG, es werde „ein Abkommen mit Schleswig-Holstein geschlossen und dann werden die Eltern das erste Mal eingeladen circa im Mai 2010" ­ und weiter: „Die zentrale Stelle, das ist Teil dieses Auftrags, machen wir zusammen mit Schleswig-Holstein, dort mit dem Landesfamilienbüro in Neumünster" (vergleiche Wortprotokoll der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Verbraucherschutz Nummer 19/19 zur Sitzung vom 01.12.2009)

Ich frage den Senat:

1. Hat der Modellversuch für U6 und U7 begonnen?

Wenn ja, wann?

Wenn nein, warum nicht und wann wird er beginnen?

2. Zu welchem Ergebnis haben die Verhandlungen über die sogenannte „zentrale Stelle" geführt und wie ist diese organisiert ­ unter anderem in Hinblick auf die Rechtsform (inklusive Aufsicht), die Soll-Stellen und die besetzten Stellen, die Mit-Finanzierung durch die Stadt Hamburg und die Rückkopplung beziehungsweise Berichtspflicht gegenüber der BSG beziehungsweise dem Senat?

3. Sorgeberechtigte von wie vielen Kindern wurden mittlerweile angeschrieben und welche ersten Erkenntnisse hat der Senat beziehungsweise hat die BSG gewonnen?

Hamburg hat sich für einen zweijährigen Modellversuch für die Kinderfrüherkennungsuntersuchungen U6 und U7 entschieden und ist damit beispielgebend, weil ein Vorhaben vor der möglichen dauerhaften Implementierung auf seine Wirksamkeit hin überprüft wird. Die Grundlagen für den Modellversuch sind durch das „Gesetz zur Neustrukturierung und Optimierung der gesundheitlichen Vorsorge im Vorschulalter" geschaffen worden, das unter anderem die Beauftragung einer Zentralen Stelle zur Durchführung des Erinnerungs- und Meldewesens vorsieht.

Zur Nutzung von Synergieeffekten ist eine Zusammenarbeit mit Schleswig-Holstein vereinbart worden. In diesem Zusammenhang war es notwendig, die technischen und vertraglichen Voraussetzungen mit Schleswig-Holstein für eine Zentrale Stelle (Landesamt für soziale Dienste, LAsD) zu verhandeln und abzustimmen. Das LAsD ist eine Verwaltungseinheit im Geschäftsbereich des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holstein, die bereits das Einladewesen für die Früherkennungsuntersuchungen für Schleswig-Holstein durchführt. Das Verwaltungsabkommen wurde am 11. Mai 2010 in Schleswig-Holstein von der zuständigen Staatssekretärin und am 18. Mai 2010 in Hamburg von der zuständigen Staatsrätin unterschrieben. Das Abkommen ist am 27. Mai 2010 in Kraft getreten.

Die ersten Einladungen an die Sorgeberechtigten in Hamburg können erfolgen, sobald alle technischen Voraussetzungen geschaffen worden sind (spätestens Anfang 4.

Quartal 2010). Hamburg finanziert für die Abwicklung des Hamburger Erinnerungsund Meldewesens eine Dreiviertelstelle in der Zentralen Stelle in Neumünster sowie die Programmierungskosten. Für die Evaluation erhält die zuständige Behörde alle notwendigen Daten von der Zentralen Stelle.

Dieses Erinnerungs- und Meldewesen ergänzt die bisherigen zielgerichteten Aktivitäten zur Steigerung der Teilnahmequoten an Kinderfrüherkennungsuntersuchungen (zum Beispiel Informationskampagne „Enemene-Mu. Hey, ich will zur U", siehe dazu auch Drs. 19/2412).

4. Wie viele und welche der 15 anderen Bundesländer haben mittlerweile Landesgesetze zu Vorsorgeuntersuchungen?

Alle Länder haben mittlerweile Gesetze erlassen, in denen Regelungen zu Kinderfrüherkennungsuntersuchungen enthalten sind (siehe Tabelle zu Antwort zu 5.).

5. In welchen anderen Bundesländern gibt es eine Beschränkung der landesgesetzlichen Regelung oder der Praxis auf die U6 und U7 beziehungsweise auf welche einzelnen Untersuchungen?

Die Regelungen der Länder sind unterschiedlich. Das Spektrum umfasst Länder ohne Erinnerungs- und Meldewesen und Länder mit Erinnerungs- und Meldewesen für ausgewählte Früherkennungsuntersuchungen bis hin zu Ländern mit einer vollständigen Erfassung aller Früherkennungsuntersuchungen, siehe nachfolgende Tabelle: Land Regelungen Baden-Württemberg

Es wird kein Einlade- und Meldewesen betrieben. Die Personensorgeberechtigen sind verpflichtet, die Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen sicherzustellen.