Die MCS wird als Krankheit sowohl der Toxikologie als auch der Psychosomatik zugeordnet

Vielfache Chemikalienunverträglichkeit

Vielfache Chemikalienunverträglichkeit beziehungsweise Multiple Chemical Sensitivity (MCS) ist eine chronische Erkrankung, die auf starken Unverträglichkeiten gegenüber zahlreichen sogenannten flüchtigen Chemikalien beruht wie etwa Abgase und Zigarettenrauch oder auch Duftstoffe.

Die MCS wird als Krankheit sowohl der Toxikologie als auch der Psychosomatik zugeordnet. Die Betroffenen leiden zumeist unter einer Vielzahl von Beschwerden von psychosomatischen Symptomen wie Abgeschlagenheit, Konzentrationsstörungen bis hin zu Haut- und Schleimhautproblemen und diffusen Schmerzen. Die Ursachenforschung für die MCS ist nicht abgeschlossen und schwankt zwischen einer Definition als arbeits- und umweltbedingte Störung, einer reinen psychosomatischen und psychiatrischen Störung sowie einer multifaktoriellen Störung, die auf eine Initialexposition gegenüber meist neurotoxischen Schadstoffen und dem gleichzeitigen Auftreten von persönlichem Stress zurückzuführen ist.

So undefiniert wie die Ursachenforschung zur MCS ist demzufolge auch die derzeitige Behandlungspraxis. Neben der möglichen Vermeidung schädigender Umwelteinflüsse werden unterstützende psychologische beziehungsweise psychiatrische Therapien gewählt. Aufgrund des diffusen Krankheitsbildes stoßen MCS-Kranke nicht auf eine breite gesellschaftliche Akzeptanz.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Multiple Chemikaliensensitivität (MCS) ist ein Krankheitsbild der chronischen Multisystem-Erkrankungen. Synonym oder im gleichen Zusammenhang werden Bezeichnungen wie Multiple Chemical Sensitivity-Syndrom (MCS-Syndrom), multiple Chemikaliensensitivität, multiple Chemikalienunverträglichkeit, multiple Chemikalienüberempfindlichkeit, vielfache Chemikaliensensitivität, chemische Mehrfachempfindlichkeit, Idiopathic Environmental Intolerances (IEI), idiopathische umweltbezogene Unverträglichkeiten, idiopathische Umwelt-Unverträglichkeit, idiopathische Chemikaliensensitivität, Umweltkrankheit, Ökosyndrom benutzt.

MCS-Betroffene beschreiben meist eine Vielzahl von unspezifischen Beschwerden.

Dazu gehören: Müdigkeit, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Verlust an Merkfähigkeit, Konzentrationsstörungen, Augenbrennen, Schwindel, Atemnot, Beschwerden am Bewegungsapparat, Haut- und Schleimhautprobleme, diffuse Schmerzen und auch Magen-Darm-Beschwerden.

Verschiedene Hamburger Behörden haben sich in der Vergangenheit bereits mit einzelnen Fragestellungen zur „Multiplen Chemikaliensensitivität" befasst.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Wie wird das Thema Vielfache Chemikalienunverträglichkeit im Einzelnen in der Gesundheitsplanung der BSG berücksichtigt?

Die zuständige Behörde hat sich mit Fragen zur Multiplen Chemikaliensensitivität im Zusammenhang mit der Planung des Neubaus des Diakonie-Klinikums Hamburg befasst. Im Übrigen siehe hierzu auch Antwort zu Frage 3.

2. Inwieweit hat der Senat Kenntnis von der Anzahl der in Hamburg lebenden MCS-Patienten?

Multiple Chemikaliensensitivität wird nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10-GM) unter dem ICD Code T78.4 ­ Allergie nicht näher bezeichnet ­ verschlüsselt. Dieses ist eine unspezifische Kategorie für Allergische Reaktionen und Überempfindlichkeiten ohne nähere Angaben. Insofern werden unter diesem Schlüssel nicht ausschließlich Fälle mit einer Multiplen Chemikaliensensitivität verschlüsselt.

Im Jahr 2008 wurden in den Hamburger Krankenhäusern 37 Fälle mit dieser Diagnose behandelt, davon waren 30 Fälle Hamburgerinnen beziehungsweise Hamburger (Krankenhausdiagnosestatistik der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz). Über die Zahl der im ambulanten Bereich behandelten Fälle oder die Anzahl der in Hamburg lebenden MCS-Patienten liegen der zuständigen Behörde keine Angaben vor.

3. Gibt es in Hamburg medizinische Einrichtungen oder Arztpraxen, die MCS-Patienten sachgerecht versorgen können?

Wenn ja, welche Einrichtungen beziehungsweise Arztpraxen sind dies und was unterscheidet diese von anderen Einrichtungen?

Wenn nein, warum gibt es bislang keine in Hamburg?

Der zuständigen Behörde liegen keine Erkenntnisse zu niedergelassenen medizinischen Einrichtungen vor, die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg bietet aber Patienteninformationen und Beratung an, Tel.: (040) 20 22 99 222

(http://www.patientenberatung-hamburg.de/).

Für das im Bau befindliche Diakonie-Klinikum Hamburg (geplante Fertigstellung Ende 2010, geplante Inbetriebnahme 1. Quartal 2011) ist die Realisierung eines medizinischen Schwerpunktes mit entsprechender räumlicher Ausstattung vorgesehen.

Das Diakonie-Klinikum Hamburg arbeitet bereits eng mit der Selbsthilfegruppe Umweltkrankheiten/Multiple Chemikaliensensitivität (MCS) zusammen.

4. Hält die BSG Aufklärungsmaterial für MCS-Kranke bereit?

Wenn ja, was beinhalten diese Materialien und welche Hilfestellungen werden dort angeboten?

Nein. Angesichts des nicht hinreichend definierten Krankheitsbildes lassen sich keine allgemein gültigen beziehungsweise amtlichen Aufklärungsmaterialien erstellen.

5. Gibt es in Hamburg spezielle Transportmittel für MCS-Kranke?

Wenn ja, gibt es spezielle schadstofffreie Taxen oder Kleinbusse und wer betreibt diese?

Wenn ja, gibt es auch spezielle schadstofffreie Rettungswagen?

Wenn nicht, warum nicht und wie werden MCS-Patienten sonst gegebenenfalls ins Krankenhaus befördert?

Rettungswagen des Rettungsdienstes der Feuerwehr Hamburg entsprechen den europäisch gültigen Anforderungen der DIN EN 1789. Für die Hersteller der Rettungswagen gelten ebenfalls einschlägige technische Regeln, die zwingend einzuhalten sind, insbesondere für verwendete Materialien und deren Verarbeitung. Vor diesem Hintergrund existieren keine, über diese Anforderungen hinausgehenden, speziellen Rettungswagen. Anzumerken ist, dass eine absolute Schadstofffreiheit in der Praxis nicht zu erreichen ist, da beispielsweise Desinfektionsmaßnahmen auch mit einer Emission verbunden sind. Auch hierfür gelten technische Regeln für das zulässige Maß zum Schutz der Patientinnen und Patienten und der Einsatzkräfte. Ergänzend sind medizinisch keine Fälle bekannt, bei denen der Transport einer Patientin beziehungsweise eines Patienten mit vielfacher Chemikalienunverträglichkeit in einem Rettungswagen zu Problemen geführt hat.

Zu dem Betrieb übriger spezieller schadstofffreier Transportmittel liegen der zuständigen Behörde keine Angaben vor.

6. Gibt es in Hamburg derzeit Wohnprojekte für MCS-Kranke?

Der zuständigen Behörde ist kein entsprechendes Objekt im geförderten Wohnungsbau bekannt. Bisher hat kein Investor einen Förderantrag für ein entsprechendes Projekt gestellt.

7. Gibt es in Hamburg schadstofffreien Wohnraum als „Notunterkünfte" für Wohnungslose beziehungsweise vorübergehend eine Wohnung suchende MCS-Patienten?

Nein.

8. Ist der Senat gegebenenfalls bereit, im sozialen Wohnungsbau Unterkünfte so zu gestalten, dass sie auch für Menschen mit Multipler Chemikalienunverträglichkeit zumutbar und gesundheitsverträglich sind?

Im Fall eines solchen Projekts wären die Fördermöglichkeiten zu prüfen. Im Übrigen siehe Antworten zu 6. und 9. und zu 7.

9. Sind im sozialen Wohnungsbau in Hamburg bereits solche Wohnunterkünfte geschaffen worden?

Wenn ja, wo befinden sich diese und wann wurden diese erstellt?

Wenn nicht, warum ist dies bislang nicht erfolgt?

Der zuständigen Behörde ist kein entsprechendes Objekt im geförderten Wohnungsbau bekannt. Bisher hat kein Investor einen Förderantrag für ein entsprechendes Projekt gestellt.

10. Gibt es in Hamburg spezielle Altenpflegeeinrichtungen für von der Chemikalien Sensitivität betroffene ältere Mitbürger?

Wenn ja, welches sind diese Einrichtungen?

Wenn nicht, was geschieht mit diesen Betroffenen im Alter?

Nein. Der zuständigen Behörde liegen keine Angaben zur Anzahl, Altersstruktur und pflegerischen Versorgung dieser Personengruppe vor.

11. Werden Leistungen von den Rentenversicherungsträgern in Bezug auf die Krankheit erstattet?

Personen, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht mehr oder nur eingeschränkt arbeitsfähig sind, können beim Rentenversicherungsträger Leistungen in Form einer Erwerbsminderungsrente beantragen. Außerdem erbringt die Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, sofern die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Von den Rentenversicherungsträgern werden keine Leistungen in Bezug auf Krankheiten erstattet.

12. Wie steht der Senat zu dem Vorschlag, in öffentlichen Gebäuden Hinweistafeln aufzustellen, auf denen vermerkt ist, mit welchen Reinigungsmitteln die jeweiligen Gebäude gereinigt werden, damit MCS-Kranke entscheiden können, ob sie diese Gebäude ungefährdet betreten können?

Aufgrund der undefinierten Ursachenforschung zur Multiplen Chemikaliensensitivität hält die zuständige Behörde das Aufstellen von Hinweistafeln zum gegenwärtigen Zeitpunkt für nicht angemessen.