Rückforderungen gemäß Unterhaltsvorschussgesetz konsequent einfordern!

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Rosenkötter.

Meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktion der CDU Rückforderungen gemäß Unterhaltsvorschussgesetz konsequent einfordern! vom 16. Juni 2009, Drucksache 17/831, ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 52. Sitzung am 1. Oktober 2009 an die staatliche Deputation für Soziales, Jugend, Senioren und Ausländerintegration überwiesen worden.

Diese Deputation legt mit der Drucksachen-Nummer 17/1113 ihren Bericht dazu vor.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Ahrens.

Abg. Frau Ahrens (CDU): Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Unterhaltsvorschussgesetz unterstützt alleinerziehende Elternteile, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt. Das Geld wird vom Staat vorgeschossen und von den säumigen, unterhaltspflichtigen Elternteilen zurückgeholt. Soweit die Theorie!

Die Praxis sieht im Land Bremen und hier insbesondere in der Stadt Bremen leider anders aus. Bremen hat im Ländervergleich seit 2000 stets die niedrigste Rückholquote aller Bundesländer. So titelte der Weser-Kurier nach Lektüre des Rechnungshofberichtes 2008: Das Eldorado für säumige Väter. Nun könnte man denken, dass sich inzwischen vielleicht ein wenig Dynamik entwickelt hätte. Weit gefehlt!

Wer sich den Ihnen jetzt vorliegenden Bericht des Senats, der in der Sozialdeputation mit rot-grüner Mehrheit verabschiedet worden ist, ansieht, stellt fest, dass sich nichts geändert hat. Man könnte den Bericht des Senats auch wie folgt zusammenfassen: Sie wollen eben nicht, vielleicht können sie auch nicht.

Auf jeden Fall wird das, was an ungenügender Verbesserung herbeigeführt worden ist, schöngeredet.

Gleichzeitig wird angekündigt, dass wir uns im Haushalts- und Finanzausschuss auch in Zukunft mit Aussagen wie zum Beispiel haben wir eben nicht hinbekommen, ging nicht besser, weiß ich auch nicht, wie das gehen soll und wir prüfen weiter, ob wir noch Verbesserungen herbeiführen können beschäftigen dürfen. Herzlichen Dank dafür!

Es hat sich nichts, aber auch wirklich substanziell nichts verbessert, obwohl wir inzwischen seit 2008 sechs neue Mitarbeiter in diesem Bereich haben, die Behörde hier einen Schwerpunkt setzen wollte und alles im Bereich Cash-Management organisiert und damit auch zentralisiert wurde. Es geht nicht um eine tragische Gegebenheit des Schicksals, um das noch einmal deutlich zu sagen, es geht hier schlicht um ein Nichtkönnen des Sozialressorts. Wie dramatisch die Zahlen tatsächlich sind, erfährt, wer sich die Mühe macht, den Rechnungshofbericht 2008 aufzuschlagen.

Dort erkennt jeder auf den ersten Blick, dass bei 9,9 Millionen Euro Ausgaben im Jahr 2002 die Rückholquote damals 14,4 Prozent betrug. In 2008 betrug die Rückholquote für das Land Bremen 10,98 Prozent, während sie 2007 noch bei 10 Prozent war.

Nun versucht die Sozialsenatorin, die leichte Steigerung von rund einem Prozent als Großtat zu verkaufen: Toll, wir haben es von zehn auf elf Prozent geschafft. Sie verschweigt dabei aber, dass wir bereits Volumen hatten. Das ist gezielte Schönrederei, meine Damen und Herren! Auch ist das leider nur die halbe Wahrheit. Die Dramatik des Themas ist leider noch größer. In der Vergangenheit wurden die Fälle, in denen säumige Väter zahlen sollten, schlicht liegen gelassen und nicht ordentlich bearbeitet; der Rechnungshofbericht geht dezidiert darauf ein. Aus dieser Vergangenheit haben sich rückständige Verpflichtungen säumiger Väter von 9,15 Millionen Euro nur für die Stadt Bremen aufgetürmt, sodass sich neben den schon erläuterten Rückholquoten, also den laufenden Fällen, dem laufenden Geschäft, wenn man so will, diese 9,15 Millionen Euro zusätzlich ergeben haben.

Wohlgemerkt: 9,15 Millionen Euro für 2097 Fälle, die wir als Klotz am Bein mit uns aus der Vergangenheit herumschleppen, von Männern, die grundsätzlich als leistungsfähig von der Behörde eingestuft worden sind. Sie wollen eben nur nicht zahlen, und wir lassen es zu, dass sie nicht zahlen. Leider, würde der Weser-Kurier heute, wenn er hier wäre, wieder genauso titeln müssen: Immer noch ein El Dorado für säumige Väter. Die Behörde versucht sich nun mit der Tatsache herauszureden, dass die besondere soziale Struktur einer Großstadt und die hohe Arbeitslosigkeit im Land Bremen das bedingen würden.

Unbestreitbare Tatsache ist, dass die Stadt Bremerhaven eine viel schlechtere Sozialstruktur verkraften muss als Bremen und dennoch wesentlich erfolgreicher ist. Auch sozial stark belastete Städte wie Delmenhorst, Hamburg oder Berlin erreichen mit 20 beziehungsweise 13 Prozent wesentlich bessere Quoten. Damit zeigt sich deutlich: Das Argument ist an den Haaren herbeigezogen, das eigentliche Problem liegt anderswo. Während Bremerhaven konsequent säumigen Vätern auf die Pelle rückt und konsequent Ordnungswidrigkeitsverfahren einleitet, Bußgeldbescheide erlässt, (Abg. Günthner [SPD]: Bremerhaven ist immer konsequent!) ist das in Bremen verpönt. Da ist Bremerhaven wirklich Vorbild, ich gebe Ihnen völlig recht. Begründung: zu hoher Verwaltungsaufwand! Echte Lösungsmöglichkeiten werden in der Antwort des Senats nicht aufgezeigt, es wird weiter herumgedoktert.

Unsere konstruktiven Anregungen, wenn man es selbst nicht schafft, auf das Fachwissen der anderen Behörden zurückzugreifen, werden mit mauen Argumenten abgelehnt. So könnte zum Beispiel die spezifisches Know-how in Bezug auf Mahnverfahren und Bußgelder einbringen, sie hat auch sehr nette Vollstreckungsbeamte, die auch gern Hausbesuche bei säumigen Vätern machen, dort noch einmal Daskanndazu führen, dass man dann vielleicht doch zahlt. Leider wurde dies pauschal abgelehnt.

Um es noch einmal zum Schluss ganz deutlich zu sagen: Der Staat zahlt nur für sechs Jahre Unterhaltsvorschuss, danach sind die Mütter mit ihren Kindern wieder darauf angewiesen, zum Gericht zu laufen und sich diesen Titel selbst einzuklagen. Hier schützt der Staat, weil er sich nicht richtig darum kümmert, die Gelder einzutreiben, den Täter, den säumigen Vater, und nicht das Opfer, die Mutter, die mit ihrem Kind hinter dem Geld herläuft. Das ist nicht die Auffassung der CDU-Bürgerschaftsfraktion.

Wir haben Ihnen unsere Vorschläge, wie Väter dazu gebracht werden können, dass sie zahlen, ganz deutlich auf den Tisch gelegt. Leider haben Sie diese hier abgelehnt. Wir bitten dennoch um Zustimmung zu unserem Antrag, denn wir sind der Auffassung, säumige Väter sollen auch in Bremen nicht davonkommen dürfen. ­ Danke schön!

(Beifall bei der CDU) Präsident Weber: Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Frehe.

Abg. Frehe (Bündnis 90/Die Grünen): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Absicht, die hinter dem Antrag der CDU steht, unterstützen wir natürlich. Gerade in Bremen kann es sich niemand leisten, nicht alle Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen, die zur Verfügung stehen, um den Haushalt zu sanieren, und auch hier Vorschusszahlungen einzufordern. Fraglich ist jedoch, ob die von Ihnen gemachten Vorschläge tatsächlich Erfolg versprechend sind und ob wir damit wirklich grundlegende Verbesserungen herbeiführen.

(Abg. Frau Ahrens [CDU]: Bremerhaven ist da wesentlich erfolgreicher!)

Ich habe da erhebliche Zweifel.

Wir haben das in der Deputation ausführlich erörtert. Der Unterhaltsvorschuss, den der Staat an alleinerziehende Mütter und Väter zahlt, ist für diese besonders wichtig, da die finanzielle Lebensgrundlage für ihr Kind davon abhängt, auch wenn der Unterhaltspflichtige nicht oder nur unregelmäßig zahlt, unabhängig davon, ob die zur Zahlung eigentlich verpflichtete Person ­ es kann sich auch um Frauen handeln, obwohl es in der Mehrzahl Männer sind ­ nicht zahlen kann oder womöglich nicht zahlen will.

Wir müssen also überlegen, wie die Unterhaltsfähigkeit, aber auch die Unterhaltsbereitschaft, also die Zahlungsmoral verbessert werden kann. Selbstverständlich kann sich dann der Staat das gezahlte Geld vom Unterhaltspflichtigen zurückholen, und das geschieht eben auch.

Die Schwierigkeiten bei der Feststellung der Leistungsfähigkeit und bei der Einziehung der Unterhaltsleistungen von dem verpflichteten Elternteil gehen dann für sechs Jahre auf die Sozialbehörde über. Sie hat dann die Schwierigkeit, das tatsächlich einzufordern. Hier in Bremen hat man dafür zehn Mitarbeiter in einer eigens dafür eingerichteten Organisationseinheit beim Amt für Soziale Dienste, um die Vorschussleistungen wieder einzutreiben. Die Rückholquote, Frau Ahrens, ist von 8,9 auf immerhin 10,4 Prozent erhöht worden.

(Abg. Frau Ahrens [CDU]: Wir hatten auch schon 14 Prozent!) Sie haben einen Vergleich zu Delmenhorst und anderen Städten gezogen. Ich glaube, ein Stadtstaatenvergleich wäre angemessener. Berlin hat 13 Prozent erreicht, Hamburg 14 Prozent, das scheint mir eher vergleichbar zu sein. Das heißt, wir haben noch einiges zu tun. Auf diese Quoten können und sollten wir kommen. Eine Quote von 30 Prozent scheint mir eher unrealistisch zu sein. Wir wollen allerdings auch nicht die Eintreibung der Mittel unter allen möglichen Bedingungen. Wir wollen zum Beispiel nicht, dass private Inkassobüros mit der Rückholung der Gelder beauftragt werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD) Abgesehen von den datenschutzrechtlichen Problemen halten wir es nicht für sinnvoll, wenn womöglich die teilweise problematischen Praktiken solcher Inkassobüros auch bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben genutzt würden. Die Rückforderung von Unterhaltsvorschüssen mit Rückforderungen anderer Leistungen nach dem Bundeselterngeldgesetz oder auch anderen Sozialhilfeleistungen beim Amt für Soziale Dienste zu bündeln, hat Sinn und kann die Rückholquote langfristig weiter steigern helfen, auch in anderen Leistungsbereichen, wo man Zahlungen wieder einholen kann.

Den Vorschlag der CDU, Finanzbeamtinnen und -beamte einzusetzen, erscheint mir, auch nachdem, was wir dann vom Sozialressort gehört haben, wenig sinnvoll, da sie neben dem zivilrechtlichen Unterhaltsrecht auch Kenntnisse in den jeweiligen Sozialgesetzen, insbesondere im Sozialverfahrensrecht haben müssten. Das haben in der Regel Finanzbeamte nicht. Deshalb verzichten auch die anderen Bundesländer darauf. Es gibt nur ein einziges Bundesland, das Finanzbeamte einsetzt, und das ist Bayern, und die haben eine besondere Struktur. Die Frage ist doch: Warum machen andere Bundesländer das nicht? Weil sie sich davon wenig versprechen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD ­ Abg. Frau Ahrens [CDU]:

In anderen Bundesländern funktioniert es!)