Gesetz über den Abschiebungsgewahrsam im Lande Bremen

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen: Gesetz über den Abschiebegewahrsam im Lande Bremen

§ 1:

Abschiebungsgewahrsam:

(1) Zweck der Abschiebungshaft ist ausschließlich die sichere Verwahrung zur Durchsetzung der Ausreisepflicht.

(2) Abschiebungshaft wird grundsätzlich in besonderen Einrichtungen (Abschiebungsgewahrsam) vollzogen. Ausnahmen sind ausschließlich mit Zustimmung des Abschiebungshäftlings zulässig

§ 2:

Grundsätzliche Gestaltung der Abschiebungshaft:

(1) Das Leben in der Abschiebungshaft soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden. Dabei ist die kulturelle Herkunft des Abschiebungshäftlings zu berücksichtigen. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken. Die Abschiebungshaft darf keinen Strafcharakter haben.

(2) Den im Abschiebungsgewahrsam befindlichen Abschiebungshäftlingen dürfen nur die Beschränkungen auferlegt werden, die für den Zweck der Abschiebungshaft unerlässlich sind.

(3) Der Senator für Inneres, Kultur und Sport wird ermächtigt, zur genaueren Ausführung dieses Gesetzes eine Abschiebungshaftordnung zu erlassen.

§ 3:

Unterbringung:

(1) Die Unterbringung der Abschiebungshäftlinge erfolgt in Räumen, die hinreichend Luftinhalt haben und für eine gesunde Lebensführung hinreichend mit Heizung und Lüftung, Boden- und Fensterfläche ausgestattet sind. Sie sind wohnlich auszugestalten.

(2) Die Unterbringung erfolgt grundsätzlich in unverschlossenen Räumen. Zur Sicherung ihrer Privatsphäre und Habe sind den Abschiebungshäftlingen Schlüssel zu ihren Räumen auszuhändigen.

(3) Eine gemeinschaftliche Unterbringung ist nur zulässig, wenn der Abschiebungshäftling ihr zustimmt. Sofern mehrere Angehörige derselben Familie sich gleichzeitig in Abschiebungshaft befinden, soll ihnen auf Wunsch eine gemeinsame Unterbringung ermöglicht werden. Dies gilt auch für Inhaftierte in nichtehelicher oder gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaft.

§ 4:

Aufnahme und Abschiebungsplanung:

(1) Abschiebungshäftlinge sind bei ihrer Aufnahme in einer für sie verständlichen Sprache über ihre Rechte und über die Abschiebungshaftordnung zu informieren.

Entsprechende Informationsblätter in den gebräuchlichsten Fremdsprachen müssen dem Abschiebungshäftling zur Verfügung gestellt werden. Fehlen die Voraussetzungen für eine Verständigung in der Muttersprache, sind Dolmetscher/Dolmetscherinnen hinzuzuziehen.

(2) Abschiebungshäftlinge haben das Recht, Familienangehörige, Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälte oder sonst bekannte Personen sofort bei Aufnahme in die Abschiebungshaft kostenfrei zu benachrichtigen.

(3) Mit den Abschiebungshäftlingen sind unverzüglich nach der Inhaftnahme die Voraussetzungen und der Zeitplan ihrer Ausreise zu erörtern. Insbesondere ist festzustellen, ob oder unter welchen Voraussetzungen Bereitschaft zu einer freiwilligen Ausreise besteht. Ferner sind sonstige Wünsche, insbesondere zum Zielort und zur Benachrichtigung von dort wohnenden Angehörigen oder sonst bekannten Personen zu erkunden und in der Folge angemessen zu berücksichtigen.

(4) Der geplante Termin zur Abschiebung ist dem Abschiebungshäftling mindestens 24 Stunden im Voraus schriftlich mitzuteilen.

§ 5:

Haftlockerung/Urlaub:

(1) Abschiebungshäftlinge erhalten mit Zustimmung des Freiheitsentziehungsrichters Urlaub unter den von diesem zu bestimmenden Auflagen. Sie haben Anspruch auf Ausführungen aus wichtigen Anlässen.

(2) Der Leiter des Abschiebungsgewahrsams kann den Abschiebungshäftlingen bis zur Dauer von einer Woche auch ohne richterliche Anordnung Urlaub aus der Abschiebungshaft bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gewähren.

§ 6:

Arbeit und Beschäftigung:

(1) Abschiebungshäftlinge sind zur Arbeit nicht verpflichtet. Ihnen soll jedoch die Möglichkeit zu bezahlter Arbeit gegeben werden. Für die Bezahlung gelten die allgemeinen tariflichen Bestimmungen.

(2) Im Abschiebungsgewahrsam müssen angemessene Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung zur Verfügung gestellt werden. Die dafür vorgesehenen Räumlichkeiten müssen ausreichende Bewegungsmöglichkeiten bieten. Es ist dabei weitest möglich den Gegebenheiten der verschiedenen Kulturen der Abschiebungsinhaftierten Rechnung zu tragen.

(3) Abschiebungshäftlinge müssen täglich mindestens zweimal eine Stunde Gelegenheit haben, sich im Freien aufzuhalten.

(4) Abschiebungshäftlinge dürfen auf eigene Kosten Zeitungen und andere Druckerzeugnisse beziehen.

(5) Abschiebungshäftlinge können am Hörfunkprogramm des Abschiebungsgewahrsams oder am gemeinschaftlichen Fernsehempfang teilnehmen. Sie dürfen eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte im eigenen Haftraum benutzen. Der Empfang fremdsprachiger Programme ist sicherzustellen.

§ 7:

Religiöse Betätigung

Für die Religionsausübung im Abschiebungsgewahrsam gelten die §§ 53 bis 55 des Strafvollzugsgesetzes.

§ 8:

Besuche:

(1) Abschiebungshäftlinge dürfen Besuch empfangen. Diese Besuche dürfen nicht überwacht werden. Die Besuchsräume sind zweckentsprechend und wohnlich auszugestalten. Es sind ausreichend Besuchszeiten für eine großzügige Besuchsregelung vorzuhalten.

(2) Besuche von Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälten oder Vertreterinnen/Vertretern anerkannter auf dem Gebiet der Flüchtlingsarbeit tätiger Organisationen sind auch außerhalb der für Privatbesuche vorgesehenen Zeitkontingente zu ermöglichen.

§ 9:

Post, Telefon, Geschenke, Einkauf:

(1) Abschiebungshäftlinge dürfen ohne Beschränkungen Briefe, Pakete und andere Post erhalten und versenden. Dasselbe gilt für Geschenke von Besuchern oder an Besucher. Sie können ferner von den im Abschiebungsgewahrsam angebotenen Einkaufsmöglichkeiten Gebrauch machen.

(2) Es können Kontrollen eingehender Post sowie mitgebrachter Geschenke angeordnet werden, wenn auf Grund konkreter Tatsachen eine Gefährdung der Sicherheit des Abschiebungsgewahrsams zu befürchten ist. Vom Empfang auszuschließende Gegenstände sind zur Habe des Abschiebungshäftlings zu nehmen oder an den Absender zurückzusenden.

(3) Dem Abschiebungshäftling ist zu gestatten, Telefongespräche ohne Überwachung zu führen und zu empfangen sowie Telegramme aufzugeben.

§ 10:

Medizinische Versorgung, soziale Betreuung und Verpflegung:

(1) Abschiebungshäftlinge haben Anspruch auf notwendige medizinische Behandlung und Versorgung. Diese obliegt dem jeweiligen Gesundheitsamt, dem Notfalldienst der kassenärztlichen Vereinigung und dem sozial-psychiatrischen Krisendienst. Ihnen ist auf Wunsch Gelegenheit zu geben, sich von einem Arzt oder Zahnarzt ihrer Wahl besuchen oder behandeln zu lassen.

(2) Ob Haftunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen besteht, ist vom ärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes zu entscheiden. Haftunfähig ist der Abschiebehäftling, der sich auf Grund einer schweren Erkrankung fortdauernd in ärztlicher oder therapeutischer Behandlung befindet.

(3) Zusammensetzung und Nährwert der Gewahrsamsverpflegung werden ärztlich überwacht. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Dem Abschiebungshäftling ist zu ermöglichen, Speisevorschriften seiner Religionsgemeinschaft zu befolgen.

(4) Es ist eine ausreichende Sozialbetreuung durch hauptamtliche Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter in der Abschiebungshaftanstalt sicherzustellen.

(5) Abschiebungshäftlinge haben Anspruch auf erforderliche soziale Hilfen, insbesondere zur Beratung in wirtschaftlichen und sozialen Fragen, einschließlich der Beanspruchung sozialer Leistungen und zur Sicherung der eigenen Habe. Die Habe der Abschiebungshäftlinge ist binnen 24 Stunden nach der Inhaftierung zu sichern und den Betroffenen auf Wunsch auszuhändigen

(6) Es ist sicherzustellen, dass der Abschiebungshäftling bei Abschiebung über einen Geldbetrag verfügt, der dem pfändungsfreien Monatsbetrag gem. § 350 c Abs. 1 ZPO entspricht.

§ 11:

Beschwerderecht:

(1) Gegen Maßnahmen oder Unterlassungen im Vollzug der Abschiebungshaft ist der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht gegeben. Der Abschiebungsinhaftierte ist über seine Rechtsschutzmöglichkeiten in der Form des § 4 Abs. 1 zu belehren.

(2) In den Verfahren ist den Besonderheiten der Situation des Abschiebungsinhaftierten Rechnung zu tragen. Insbesondere ist ein Vorverfahren nicht erforderlich, und die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz oder Klagen sind unverzüglich zu bearbeiten. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind diese Besonderheiten im Zweifel zugunsten des Antragstellers bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen zu berücksichtigen.

(3) Abschiebehäftlinge erhalten Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden an den Abschiebungsgewahrsamsleiter zu wenden. Regelmäßige Sprechstunden sind einzurichten.

§ 12:

Beirat:

(1) Die öffentliche Kontrolle der Haftbedingungen und die Umsetzung dieses Gesetzes ist durch Einrichtung eines unabhängigen, externen Beirates sicherzustellen. Die Mitglieder sind für einen Zeitraum von zwei Jahren durch die Deputation für Inneres zu berufen und erstatten dieser jährlich Bericht.

(2) Der Beirat wirkt an der Aufstellung oder Änderung der Abschiebungshaftordnung mit.

§ 13:

Einschränkung von Grundrechten:

(1) Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit und Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2, 2 GG) sowie das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10 Abs. 1 GG) eingeschränkt.

§ 14:

In-Kraft-Treten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung im Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen in Kraft.