Die Küste vor Somalia gilt als einer der Schwerpunkte der neuen Piraterie Ihre Ursprünge reichen zwei Jahrzehnte zurück

Mitgegangen ­ mitgefangen ­ mitgehangen?

Auf Verlangen der Hamburger Justiz haben die niederländischen Behörden zehn somalische Piraten nach Hamburg ausgeliefert. Der jüngste der Ausgelieferten ist nach Presseberichten nicht älter als 15 oder 16 Jahre. Die Piraten waren bei einer Militäraktion eines niederländischen Kriegsschiffes zur Befreiung eines Containerschiffs der Hamburgischen Reederei Komorowski festgenommen worden. In Hamburg soll ihnen der Prozess gemacht werden.

Die Küste vor Somalia gilt als einer der Schwerpunkte der „neuen Piraterie". Ihre Ursprünge reichen zwei Jahrzehnte zurück. Aufgrund des Zerfalls des somalischen Staates waren die somalische Flotte und Polizei seit Beginn der Neunzigerjahre nicht imstande, die Küste vor illegaler Raubfischerei durch europäische und andere internationale Fischereiunternehmen zu schützen, mit der Folge, dass illegale Trawler in somalische Gewässer eindrangen und sie leer fischten. Sie zerstörten im Laufe der Jahre eine außerordentlich wertvolle Proteinquelle eines der ärmsten Völker der Erde und vernichteten die Lebensgrundlage der Bevölkerung an der somalischen Küste.

Das ist der soziale Hintergrund des Piratenunwesens. Nicht nur afrikanische Beobachter/-innen fragen sich, warum die EU einerseits mit militärischen Mitteln gegen diese neue Art von Piraterie vorgeht, andererseits jedoch die „Mutter aller Piraterien in Somalia", die illegale Raubfischerei durch europäische und internationale Fischunternehmen, ignoriert. Damit trägt sie nicht zur Lösung des Konflikts, sondern zu seiner Eskalation bei.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Auf welchen Beschluss hin wurde das Auslieferungsbegehren gestellt?

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht Hamburg am 9. April 2010

Haftbefehle gegen die zehn Beschuldigten. Auf Grundlage dieser Haftbefehle stellte die Staatsanwaltschaft Hamburg am 9. April 2010 Europäische Haftbefehle gegen die Beschuldigten aus und übersandte diese mit Schreiben vom 12. April 2010 der Justizbehörde mit der Bitte, die Auslieferung der Beschuldigten aus dem Königreich der Niederlande nach Deutschland zu veranlassen. Mit Schreiben vom 12. April 2010 bat die Justizbehörde die zuständige Behörde des Königreichs der Niederlande unter Bezugnahme auf den Rahmenbeschluss des Rates über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten vom 13. Juni 2002 um die Auslieferung der zehn Beschuldigten.

2. Welche Nationalität haben die zehn verhafteten mutmaßlichen Piraten, die von den Niederlanden nach Hamburg ausgeliefert wurden?

Alle zehn Beschuldigten haben die somalische Staatsangehörigkeit.

3. Wie alt sind die zehn Verhafteten? Bitte einzeln aufführen.

Es liegen derzeit keine gesicherten Erkenntnisse über das Alter der Beschuldigten vor.

Ein Beschuldigter gibt sein Alter mit 48 Jahren, einer mit 28 und einer mit 24 Jahren an. Ein Beschuldigter hat mitgeteilt, er sei im Jahr 1986 geboren, ein anderer hat 1984 als sein Geburtsjahr bezeichnet.

Bei fünf Beschuldigten wird eine (in einem Fall weitere) körperliche Untersuchung zur Erstellung eines Altersbestimmungsgutachtens erfolgen, weil die Angaben nach dem äußeren Erscheinungsbild der Person zweifelhaft erscheinen. Dies betrifft einen Beschuldigten, der sein Alter mit 20 Jahren angibt, einen Weiteren, der sein Alter mit 16 Jahren bezeichnet, zwei Personen, die angeblich im Jahr 1990 beziehungsweise am 15. April 1991 geboren sind und einen Beschuldigten, der 13 Jahre alt sein will.

Hinsichtlich letzterer Person liegt ein im Königreich der Niederlande erstelltes Altersgutachten vor, das das Alter mit mindestens 15 Jahren, wahrscheinlich 16 Jahren beziffert.

4. In welchen Justizvollzugsanstalten sind die Verhafteten untergebracht?

Die Gefangenen sind wie folgt untergebracht: Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder (BW) 2 Gefangene JVA Fuhlsbüttel (FB) 1 Gefangener JVA Hahnöfersand (HS) 2 Gefangene Untersuchungshaftanstalt (UHA) 5 Gefangene

5. Wie gestaltet sich die Haftsituation der neun mutmaßlichen Piraten, die älter als 16 Jahre sind?

a. Unterbringung in Einzelzelle/Gemeinschaftszelle?

Alle neun Gefangenen sind in Einzelhafträumen untergebracht, davon einer aus gesundheitlichen Gründen im Zentralkrankenhaus der UHA (ZKH).

b. Erhalten sie medizinische/psychologische Betreuung?

Ja.

c. In welcher Sprache wird mit ihnen kommuniziert?

Es wird in folgenden Sprachen kommuniziert: Anstalt/Sprachen ausschließlich Somali zusätzlich Arabisch zusätzlich Englisch BW 2 Gefangene - FB 1 Gefangener - HS 1 Gefangener UHA 1 Gefangener 4 Gefangene 1 Gefangener

d. Wie lange sind ihre täglichen Einschlusszeiten?

Die in der JVA HS untergebrachten Gefangenen sind während des sogenannten Nachteinschlusses in der Zeit von 19 Uhr bis 6.30 Uhr in ihren Hafträumen eingeschlossen. Die täglichen Einschlusszeiten variieren entsprechend den unterschiedlichen Freizeit- und Beschäftigungsangeboten zwischen vier und acht Stunden. Bei den übrigen Gefangenen beträgt die Einschlussdauer 23 Stunden ­ bis auf Duschzeiten, Verteidigergespräche, Einkauf und Arzttermine oder Ähnliches.

e. Wie können sie ihre Freizeit gestalten?

Neben der täglichen Freistunde für alle Gefangenen gibt es folgende Möglichkeiten der Freizeitgestaltung:

In der JVA BW haben die Gefangenen Sportmöglichkeiten und können fernsehen. In der JVA FB und in der UHA werden für sie Radio- und TV-Geräte kurzfristig beschafft werden. Der im ZKH untergebrachte Gefangene verfügt bereits über ein TV-Gerät.

In der JVA HS gibt es gemeinsame Stationsfreistunden, Sportgruppen, Spielegruppen, Kochgruppen, Tischkicker, Tischtennis und Billard.

f. Welche Kontakte zu Mitgefangenen können sie unterhalten?

Der Kontakt der somalischen Gefangenen untereinander ist aufgrund der gerichtlich angeordneten Trennung nicht zulässig ­ mit Ausnahme der beiden in der JVA HS untergebrachten Gefangenen. Im Übrigen bestehen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten in der Freistunde und in der Freizeit unbeschränkte Kontaktmöglichkeiten.

g. Gibt es besondere Sicherheitsmaßnahmen?

Nein.

h. Haben alle Verhafteten einen Rechtsbeistand beziehungsweise erhalten sie Rechtsberatung?

Bitte gegebenenfalls nach Alter (unter 18/über 18 Jahre) aufschlüsseln.

Ja.

6. War dem Senat zum Zeitpunkt des Auslieferungsantrags bekannt, dass zumindest einer der mutmaßlichen Piraten höchstens 16 Jahre alt ist?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, welche Überlegungen waren maßgeblich dafür, den Auslieferungsantrag auch für diesen Jugendlichen zu stellen?

Nein. Erst am 29. April 2010 ging bei der Staatsanwaltschaft Hamburg ein Schriftsatz eines in Amsterdam ansässigen Rechtsanwalts vom 28. April 2010 ein, in dem dieser mitteilte, dass er einen erst 13 Jahre alten Beschuldigten vertrete. Mit Beschluss vom 29. April 2010 ordnete das Amtsgericht Hamburg daraufhin auf Antrag der Staatsanwaltschaft Hamburg gemäß § 81a StPO die ärztliche körperliche Untersuchung dieses Beschuldigten zwecks Erstellung eines Altersbestimmungsgutachtens an. Mit Rechtshilfeersuchen vom 30. April 2010 beantragte die Staatsanwaltschaft Hamburg daraufhin bei den zuständigen Behörden des Königreichs der Niederlande, ein Altersbestimmungsgutachten für den Beschuldigten erstellen zu lassen, um dessen tatsächliches Lebensalter zu ermitteln. Dieses Gutachten wurde der Staatsanwaltschaft Hamburg mit Schreiben der niederländischen Behörden am 11. Mai 2010 per Telefax vorab übersandt.

7. Wie ist die Haftsituation des 15- oder 16-jährigen Jugendlichen?

a. Wo und wie ist er inhaftiert?

In einem Einzelhaftraum des Aufnahmehauses der JVA HS.

b. Wie sieht seine medizinische und psychologische Betreuung aus?

Der junge Untersuchungsgefangene erhält die gleiche medizinische und psychologische Betreuung wie alle anderen jungen Untersuchungsgefangenen. Es wurde eine Aufnahmeuntersuchung durchgeführt und ein orientierendes psychologisches Gespräch geführt. Er wird regelmäßig dem Krankenrevier vorgestellt. Darüber hinaus hat der Gefangene regelmäßigen Kontakt zu dem für die Betreuung der Aufnahmeabteilung zuständigen Vollzugsleiter, der von Beruf Diplompsychologe ist.

c. Was ist seine Muttersprache, in welcher Sprache wird mit ihm kommuniziert, und wie gut beherrscht er die Sprache, in der mit ihm kommuniziert wird?

Die Muttersprache ist Somali. Insoweit ist die Kommunikation problemlos mithilfe eines externen Dolmetschers möglich. Da er außerdem in begrenztem Umfang über Englischkenntnisse verfügt, ist auch die Kommunikation mithilfe der Ausländerberaterin der Anstalt problemlos möglich.