Mehrfahrkarten kein Angebot im HVV. Warum eigentlich nicht?
Der Hamburger Verkehrsverbund (des Weiteren: HVV) hält für seine Nutzer ein umfangreiches Leistungsangebot vor. Neben der Einzelkarte, diversen Tages- und Monatskarten, CC-Karten, verschiedenen Monats-Abonnements sowie zahlreichen Sonderangeboten zum Gemeinschaftstarif bietet der HVV den Kunden eine Vielfalt von Möglichkeiten, für sie geeignete passgenaue Angebote zu finden.
Der Hamburger Verkehrsverbund leistet mit seinen Verkehrsträgern somit für die Metropolregion Hamburg einen enorm wichtigen Beitrag zur Leistungsfähigkeit und Entwicklung unserer Stadt.
Im Gegensatz zu anderen Metropolen gibt es jedoch im Hamburger Verkehrsverbund kein Mehrfahrtenticket. Dieser gibt auf seiner Homepage unter www.hvv.de/wissenswertes/haeufig-gestellte-fragen an, dass für ein solches Angebot flächendeckend zusätzliche Automaten (Entwerter) für sämtliche Schnellbahnanlagen, Busse und Schiffe im HVV-Bereich aufgestellt werden müssten: Dennoch wäre es interessant zu wissen, ob solch ein Aufwand sich mittelfristig rechnen könnte und dem HVV gegebenenfalls neue Kunden zuführen könnte.
Wir fragen den Senat:
Mit Drs. 18/5956 wurde die Bürgerschaft über ein Gutachten über die Tarifstruktur des HVV unterrichtet, das unter anderem Vorschläge „für ein vereinfachtes Tarifsystem mit verbesserter Kundenakzeptanz" enthält. In dem Gutachten wird nicht die Einführung einer konventionellen Mehrfahrtenkarte empfohlen, sondern angeregt, mit moderner Technologie und Vertriebsinfrastruktur (E-Ticketing) ein gezieltes Angebot für „regelmäßige Gelegenheitsnutzer" zu schaffen.
Vor diesem Hintergrund hatte der HVV im Frühjahr 2007 eine Marktforschung in Auftrag gegeben, mit der verschiedene Tarifmodelle für Gelegenheitsnutzer abgefragt wurden. Diese Marktforschung wurde von der TARGET GROUP GmbH (Nürnberg) durchgeführt. Als Erfolg versprechendste Variante wurde die Gewährung eines deutlichen Rabatts (25 Prozent) auf alle Einzel- und Tageskarten bei Zahlung eines monatlichen Grundpreises von 10 Euro eingeschätzt. Dieses neue Angebot soll wichtiger Bestandteil des E-Ticketing-Gesamtkonzepts mit einer einheitlichen elektronischen Kundenkarte für sämtliche Tarifprodukte werden. Die technische Machbarkeit und Grundlagen der Wirtschaftlichkeitsberechnung sollen in einem Pilotversuch im Raum Harburg (Bezirk Hamburg-Harburg und angrenzender Landkreis) verifiziert werden (siehe Drs. 19/2573).
Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften des HVV wie folgt:
1.) In welchen anderen Städten, Gemeinden, Landkreisen oder Metropolen existiert nach Kenntnis des Hamburger Verkehrsverbundes (des Weiteren: HVV) sowie der zuständigen Behörden das Angebot einer Mehrfahrkarte?
Siehe Anlage.
2.) Wie wird das Angebot der Mehrfachkarten nach Kenntnis des HVV sowie der zuständigen Behörden in den besagten anderen Verkehrsverbünden angenommen?
In größeren Verkehrsverbünden mit einem hohen Anteil an Fahrgästen, die nicht täglich, sondern gelegentlich den öffentlichen Verkehr nutzen, werden Mehrfahrtenkarten gut angenommen. Sie sind die vorwiegend genutzten Fahrkarten für Einzelfahrten.
3.) Der HVV hat in einem Schreiben gegenüber einem Vertreter der Verkehrs AG des Luruper Forums ausgeführt, dass zur Implementierung dieses Angebots flächendeckend Entwerter in allen Bahnanlagen, Bussen und Schiffen im HVV benötigt würden und eine entsprechende Finanzierungsmöglichkeit derzeit nicht in Sicht sei.
Liegt dem HVV oder/und den zuständigen Behörden diesbezüglich eine Kalkulation für die Option einer flächendeckenden zusätzlichen Installation von entsprechenden „Entwerter-Automaten" vor, welche von Mehrfachkarten-Nutzern zum Entwerten genutzt werden könnten?
Wenn ja, wie sieht diese Kalkulation aus und welche Komponenten beinhaltet dies? Bitte darstellen.
Wenn nein, warum kommt der Hamburger Verkehrsverbund auf seiner Homepage zur Aussage, dass ein solches zusätzliches Angebot in keinem wirtschaftlichen Nutzen zum notwendigen Aufwand stehe?
4.) Wieso wäre nach Angaben des HVV für die Etablierung eines solchen Angebots eine sogenannte zweite Informationsebene nötig? Bitte ausführen.
Bei Einzelfahrten müsste der HVV nicht nur über Einzelkarten, sondern auch über Mehrfahrtenkarten und ihre Nutzung informieren. Die zusätzlichen Informationen zu Mehrfahrtenkarten wären sicherlich handhabbar, würden allerdings die Tarifinformation verkomplizieren. Insbesondere wäre auf die Unterschiede im Gültigkeitsbeginn hinzuweisen (derzeitige Einzelkarten wären sofort nach dem Kauf, Mehrfahrtenkarten erst nach Entwertung gültig).
5.) Aus welchen konkreten Gründen hat sich der Hamburger Verkehrsverbund bei seiner Preis- und Angebotsgestaltung dagegen entschieden, die Mehrfachkarte zumindest als lokal begrenztes Modellprojekt zu testen? Bitte ausführen.
Die Mehrfahrtenkarte in herkömmlicher Form hat konzeptionelle Nachteile, die auch in einem Modellversuch nicht ausgeräumt werden könnten:
· Als zusätzliches Angebot macht die Mehrfahrtenkarte den Tarif komplizierter;
· hoher Investitionsbedarf in neue Infrastruktur;
· Konkurrenz zur 9-Uhr-Tageskarte, die im HVV als ermäßigte Rückfahrkarte konzipiert ist;
· Probleme mit „Graufahrern", das heißt Kunden vergessen zu entwerten, entwerten mehrfach den gleichen Streifen oder entwerten im Bus erst, wenn Prüfer zusteigen;
· zum Ausgleich von Mindereinnahmen durch die rabattierte Mehrfahrtenkarte müssten die Einzelkartenpreise angehoben werden. Es ist daher fraglich, ob zusätzliche Fahrgäste zu erwarten wären.
· Die für den Erstkunden augenfälligen Einzelkartenpreise würden ansteigen und das Vorurteil eines „zu teuren" ÖPNV nähren.
6.) Hat der HVV oder haben die zuständigen Behörden zu dem Thema „Mehrfachkarte" Gutachten in Auftrag gegeben, um beispielsweise den Aufwand und die Wirksamkeit dieses Fahrkartentyps im ÖPNV zu untersuchen?
Wenn ja, welche, an wen und mit welchen Ergebnissen? Bitte ausführen.
Wenn nein, planen sie dieses?
Siehe Vorbemerkung. Ein Gutachten speziell zum Thema Mehrfahrtenkarten ist im Übrigen nicht vergeben worden und nicht vorgesehen.