Erdbeben, Einsturzbeben und Erdsenken in Hamburg

Hamburg liegt in einer gemäßigten maritimen Klimazone; tektonische Erdbeben gehören im norddeutschen Raum zu den seltenen Naturereignissen.

Dennoch waren auch in Hamburg schon leichte Erschütterungen zu spüren ­ so zum Beispiel nach Angaben der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt am 20. Oktober 2004 sowie am 8. April 2000 (siehe: http://www.hamburg.de/erdbeben-start/135304/erdbeben-hh.html).

Allerdings bleibt die Gefahr von Erdbeben in Hamburg real ­ denn auch am 8./9. April 2009 wurde in Groß Flottbek ein lokales Einsturzbeben registriert.

Unter Hamburgs Erde befinden sich mehrere Salzstöcke. Wäscht Sickerwasser Höhlen in das unter der Erde liegende Material, könnte das nachgeben.

Bodenabsackungen und im Extremfall kleine Erdbeben wären die Folge.

Auch Auswaschungsprozesse können zu Bodenverschiebungen führen, welche Gebäude und Bäume in ihrer Statik und Standfestigkeit beeinflussen können.

Der langgezogene Salzstock, der von Quickborn über Schnelsen bis nach Langenfelde reicht, ist beispielsweise 11 Kilometer lang und 4 Kilometer breit. Dieser reicht unter der Asklepios Klinik Altona bis auf wenige Meter unter die Erdoberfläche heran. Höhlen, die durch Kontakt des Salzes mit Grundwasser entstehen, brechen von Zeit zu Zeit ein. Aus dem daraus resultierenden Erdfall entstand unter anderem der Bahrenfelder See.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

1.) Welche Salzstockvorkommen oder ähnliche tektonische Bodenbeschaffenheiten sind den zuständigen Behörden in Hamburg sowie in Hamburgs umgebenden Landkreisen bekannt?

Bitte ausführen sowie nach Möglichkeit kartografisch darstellen.

Die Lage der Salzstrukturen im Raum Hamburg zeigt die nachfolgende Abbildung (umgezeichnet nach Baldschuhn et al. 2001: Geotektonischer Atlas von NordwestDeutschland und dem deutschen Nordsee-Sektor):

Geologisches Profil Abbildung 3-5: Strukturbau im tieferen Untergrund der Freien und Hansestadt Hamburg

In dunkelblauer Farbe sind die vorhandenen Salzstöcke eingetragen, die mehr oder weniger pilzförmig aus dem tieferen Untergrund über sogenannte Salzkissen (hellblau) in größere Oberflächennähe aufgedrungen sind. Im Hamburger Stadtgebiet befinden sich im Nordwesten der langgestreckte Salzstock Othmarschen-Langenfelde, der sich über Schnelsen bis nach Quickborn erstreckt, und im Südosten der Salzstock Reitbrook. Außerhalb des Hamburger Stadtgebiets liegen die Salzstöcke Sottorf und Meckelfeld in Niedersachsen sowie Geesthacht-Hohenhorn, Siek-Witzhave und Sülfeld in Schleswig-Holstein.

2.) Welche Behörden und Ämter sind für die Beobachtung und Auswertung dieser Vorkommen zuständig? Bitte ausführen.

Die geologischen Untergrundverhältnisse werden im Rahmen der geowissenschaftlichen Landesaufnahme von den Geologischen Diensten der Länder ­ in Hamburg das Geologische Landesamt ­ kartiert. Tiefenstrukturen können dabei in der Regel aufgrund der extrem aufwendigen Erkundungsmaßnahmen (Tiefbohrungen, tiefenseismische Untersuchungen) nur grob auskartiert werden. Detaillierte Kenntnisse der Salzstrukturen liegen daher meist nur aufgrund von Explorationsarbeiten der Kohlenwasserstoffindustrie zur Lagerstättenerkundung oder für eine Nutzung als Speicher für Erdöl/Erdgas oder Druckluft beziehungsweise im Zusammenhang mit dem Salzbergbau oder der Solegewinnung vor.

3.) Welche Vorkommnisse (Erdbeben, Erdsenkungen et cetera) sind dem Senat und den zuständigen Behörden bekannt? Bitte seit dem Jahr 2000 aufzählen und darstellen, wodurch diese verursacht wurden.

Am 20. Oktober 2004 ereignete sich im nördlichen Niedersachsen ein Erdbeben der Stärke 4,5 auf der Richterskala, das auch im Hamburger Stadtgebiet spürbar war.

Darüber hinaus kam es im Bezirk Altona zu mehreren örtlich begrenzten Einsturzbeben:

Datum Vorkommnis Ursache

8. April 2000

9. April 2009

21. April 2009

Einsturzbeben. Die Beben stehen im Zusammenhang mit Lösungsvorgängen im Gipshut des Salzstocks im Untergrund. Durch natürliche Lösung des Gipses bilden sich Höhlen im Untergrund, die schließlich einstürzen. Der darüber liegende Boden sackt nach. Diese Vorgänge werden an der Geländeoberfläche als Erschütterungen gespürt.

Am 8. April 2000 wurden von Anwohnern im Bereich Notkestraße, Seestraße, Windmühlenstraße im Bezirk Altona starke Erschütterungen in Verbindung mit explosionsartigen Geräuschen gespürt. Am 9. April 2009 spürten wiederum Anwohner lokal in Groß-Flottbek Erschütterungen, ebenso am 21. April 2009.

Während es sich bei dem Erdbeben im Jahr 2004 um ein tektonisches Beben handelte, das nach Ansicht von Wissenschaftlern der Universität Hamburg und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover im Gefolge der Erdgasförderung in Niedersachsen ausgelöst worden sein könnte, handelt es sich bei den Ereignissen im April 2000 und 2009 um lokale sogenannte Einsturzbeben, die im Zusammenhang mit den Salz- oder Gipslösungsprozessen im Dachbereich des Salzstocks Othmarschen-Langenfelde stehen und die von den seismischen Messstationen zur Erdbebenüberwachung nicht registriert worden sind.

4.) Welche Erkenntnisse liegen hierzu dem Senat, den Behörden sowie dem Institut für Geophysik der Universität Hamburg und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen in Hamburg zu diesem Thema vor? Bitte ausführen.

Zwischen dem 22. April und dem 17. Mai 2009 wurden vom Institut für Geophysik der Universität Hamburg im Bereich Flottbek temporär drei seismische Stationen installiert. Zusätzlich wurden Daten von zwei kontinuierlich messenden seismischen Stationen des Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) ausgewertet. Die Erschütterungen sind danach wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass sich oberhalb eines Bereichs mit Salz- oder Gipslösung an der Oberkante des Salzstockes OthmarschenLangenfelde Scherflächen und kleine Verwerfungen bilden, entlang derer Sedimentmaterial langsam nachrutscht. Ein Kurzbericht der seismologischen Auswertung ist im Internet veröffentlicht (http://www.geophysics.zmaw.de/index.php?id=6).

5.) Welche Auswirkungen haben beziehungsweise hatten die Erdbeben auf die Landschaftsplanung, Bebauungspläne, Flächennutzungspläne oder andere städtebauliche Planungen in den Bezirken? Bitte ausführen.

Wenn keine, warum nicht?

Sofern Erdfallereignisse in der Nähe von Wohngebieten oder sonstigen Infrastruktureinrichtungen auftreten, kommt der vorsorgenden Planung eine wichtige Rolle beim Bauen in erdfallgefährdeten Gebieten zu. Inwieweit derartige Bereiche von Erdsenken mit den formalen Mitteln der Bebauungsplanung planungsrechtlich im Sinne des Schutzes der Bevölkerung behandelt werden können, wird derzeit vom zuständigen Bezirksamt in Zusammenarbeit mit der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt für den Bezirksamtsbereich Altona geprüft.

6.) Welche Stadtteile sind von diesen Risiken betroffen? Bitte benennen.

Bedingt durch eine strukturelle Hochlage des Salzstocks Othmarschen-Langenfelde ist schwerpunktmäßig der Bezirk Altona betroffen.

7.) Welche Risiken gibt es diesbezüglich für die Menschen in den betroffenen Stadtteilen?

8.) Welche Risiken gibt es für die Industrie in den betroffenen Stadtteilen?

Wie ist beispielsweise das XFEL-Vorhaben hiervon betroffen?