Werden in Hamburg Hartz IV-Schüler vorzeitig in eine Ausbildung oder einen Job gedrängt?

Nach Presseberichten häufen sich auch in Norddeutschland die Fälle, in denen durch die Job-Center Zeugnisse von Schülern aus Hartz IV-Familien kontrolliert werden, obwohl Schulbescheinigungen ordnungsgemäß eingereicht worden sind. Es werden teilweise Sanktionen angedroht, wenn die Schulzeugnisse nicht „freiwillig" zur Kontrolle vorgelegt werden. Betroffene Schülerinnen und Schüler sehen sich so vorzeitig in eine Ausbildung oder einen Job gedrängt, obwohl der weitere Schulbesuch oder Berufsschulbesuch ansteht und bereits geregelt ist. Teilweise werden ihnen Eingliederungsvereinbarungen zur Unterschrift vorgelegt, nach denen sie sich um eine Lehrstelle bemühen müssen, obwohl eigentlich der weitere Schulbesuch geplant ist.

In rechtlicher Hinsicht kann die gesetzliche Mitwirkungspflicht grundsätzlich nur die Vorlage von Schulbescheinigungen, nicht aber von Schulzeugnissen bei noch andauerndem Schulbesuch umfassen. Auch darf eine gesetzliche Mitwirkungspflicht nicht an Sanktionen geknüpft werden, sodass auch eine Sanktionsdrohung zur Erzwingung der Vorlage von Schulzeugnissen bei laufendem Schulbesuch ausscheidet.

Eine Eingliederungsvereinbarung muss zudem mit Personen, denen wegen eines laufenden Schulbesuches eine Erwerbstätigkeit oder Eingliederungsmaßnahme vorübergehend nicht zumutbar ist, grundsätzlich nicht abgeschlossen werden.

In fachlicher Hinsicht gibt es in Hamburg die Regionalen Beratungs- und Unterstützungsstellen (REBUS), die Schülerinnen und Schülern und deren Eltern Beratung und Unterstützung auch bei Schullaufbahnfragen anbieten und gewähren. Es gibt zudem an den Schulen auch zuständige Beratungslehrerinnen und -lehrer und teilweise auch sozialpädagogisch unterstützte Beratungsdienste. Letztlich gibt es auch das Berufsinformationszentrum (BIZ) der Arbeitsagentur Hamburg, das auch für Ausbildungsberatung zur Verfügung steht.

Aus Sicht der Fraktion DIE LINKE existiert keine gesetzliche Verpflichtung von Eltern oder Schülern, Schulzeugnisse von Jugendlichen, die noch zur Schule gehen, vorzulegen. Nicht das Schulzeugnis bestimmt, ob eine Erwerbstätigkeit oder Eingliederungsmaßnahme vorübergehend nicht zumutbar ist, sondern die Tatsache des andauernden Schulbesuchs genügt hierzu. Die Hartz IV-Leistungen hängen nicht von der Vorlage eines Schulzeugnisses oder bestimmter darin enthaltener Noten ab.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften von team.arbeit.hamburg ­ Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II (team.arbeit.hamburg) und der Bundesagentur für Arbeit ­ Regionaldirektion Nord ­ (Bundesagentur für Arbeit) wie folgt:

1. Unter welchen Voraussetzungen wird in welcher Art und Weise von Schülerinnen und Schülern, deren Eltern im Hartz IV-Bezug stehen, die Vorlage von Schulzeugnissen bei laufendem Schulbesuch in Hamburg verlangt?

Die team.arbeit.hamburg fordert grundsätzlich keine Schulzeugnisse, sondern nur Schulbescheinigungen an.

2. Gab es konkrete Fälle, in denen in den Job-Centern vorgelegte Schulbescheinigungen begründeterweise angezweifelt wurden? Aus welchen Gründen ist die vorgelegte Schulbescheinigung dabei als nicht ausreichend angesehen worden?

Die zur Beantwortung benötigten Daten liegen der zuständigen Behörde nicht vor.

3. Unter welchen Voraussetzungen wird das Verlangen auf Zeugnisvorlage in Hamburg durch die Job-Center mit einer konkreten Sanktionsandrohung verknüpft? Auf welche Rechtsgrundlage wird das Verlangen auf Zeugnisvorlage gestützt?

Entfällt.

4. Wird in Hamburg in den Job-Centern bei Schülerinnen und Schülern durch die Integrationsfachkräfte auch ein Beratungsauftrag zur Berufsorientierung bei noch laufendem Schulbesuch wahrgenommen?

Wenn ja, in welcher Form?

Nein.

5. In welcher Art und Weise werden die Schülerinnen und Schüler durch die Job-Center auf die bestehenden Beratungs- und Unterstützungsangebote der Schulen in Hamburg insbesondere zu Schullaufbahnfragen hingewiesen?

Im Regelfall werden Kunden, die der Schulpflicht unterliegen und bei denen der Nachweis der Schulbescheinigung vorliegt, nicht in den Job-Centern beraten. Wenn Kenntnisse über Probleme vorliegen, verweist team.arbeit.hamburg an das Schulinformationszentrum (SIZ), an das Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB), an REBUS (Regionale Beratungs- und Unterstützungsstellen) oder an die Kompetenzagenturen.

6. In welcher Art und Weise ist die Aufgabenverteilung zwischen der Arbeitsvermittlung des jeweiligen Job-Centers und dem Berufsinformationszentrum sowie der Berufsberatung durch die Arbeitsagentur Hamburg geregelt?

Siehe Anlage.

7. Nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz unterliegen Kinder und Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren der Vollzeitschulpflicht. Eine Arbeit ist ihnen nur eingeschränkt zumutbar. Nach Beendigung der landesrechtlichen Schulpflicht unterliegen zudem Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres der Berufsschulpflicht als Teilschulpflicht. Wie wird diese jeweilige Schulpflicht bei der Frage nach der Vorlage von Schulzeugnissen bei laufendem Schulbesuch in Hamburg durch die Job-Center berücksichtigt?

Entfällt.

8. Unter welchen Voraussetzungen und in welcher Art und Weise werden Eingliederungsvereinbarungen in Hamburg auch mit Schülerinnen und Schülern bei beabsichtigtem weiteren Schulbesuch durch die Job-Center abgeschlossen?

Gar nicht.

9. Welche konkrete Zielrichtung haben derartige abgeschlossene Eingliederungsvereinbarungen?

Entfällt.

10. In welcher Art und Weise werden den betroffenen Schülerinnen und Schülern in Hamburg bei Beratungs- und Unterstützungsbedarf in Fragen der weiteren Schullaufbahn kommunale Leistungen angeboten beziehungsweise bewilligt?

Siehe Antwort zu 5.

11. Unter welchen Voraussetzungen wird der Psychologische Dienst der Arbeitsagentur Hamburg vom Job-Center eingeschaltet, wenn eine Schülerin oder ein Schüler nicht zur freiwilligen Vorlage eines Schulzeugnisses bei noch laufendem Schulbesuch bereit ist?

Gar nicht.

12. Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass in Hamburg Schülerinnen und Schüler durch entsprechendes Drängen der Job-Center auf vorzeitigen Ausbildungsbeginn am Erlangen höherer Schulabschlüsse gehindert werden können?

Der Senat hat sich hiermit nicht befasst.