Wie gut ist die „Gehörlosenhilfe" in Hamburg ohne Gehörlosengeld?

Behinderte Menschen haben, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können, in vielen Fällen erheblich höhere Aufwendungen als nicht behinderte Menschen. Gehörlosen Menschen wird in mittlerweile fünf Bundesländern auf Antrag ein Gehörlosengeld zum Ausgleich von Mehraufwendungen gewährt. In Hamburg gibt es diese dem Blindengeld vergleichbare Leistung nach wie vor nicht. Die mögliche Kostenübernahme für den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern reicht auch für einen anteiligen Ausgleich der behinderungsbedingten Mehraufwendungen jedoch bei Weitem nicht aus.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Welche Leistungen gibt es in Hamburg generell im Bereich der „Gehörlosenhilfe"?

2. Welche Leistungen gibt es, um gehörlosen oder hochgradig schwerhörigen Menschen in Hamburg einen teilweisen Ausgleich von behinderungsbedingten Mehraufwendungen zu gewähren?

Hamburg hält ein ausdifferenziertes Leistungssystem für gehörlose Menschen vor, damit diese gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Die Art der Leistungen hängt von der jeweiligen Lebenssituation gehörloser Menschen ab.

So erhalten gehörlose Kinder eine umfangreiche Frühförderung. Ab dem vollendeten dritten Lebensjahr haben behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder, also auch gehörlose, einen Anspruch auf Eingliederungshilfe in einer Kindertageseinrichtung, solange sie noch nicht eingeschult sind. Danach können Eltern zwischen einer Regelschule und der Schule für Hörgeschädigte wählen. Beim Übergang von der Schule in den Beruf unterstützen team.arbeit.hamburg und die zuständige Behörde die Eingliederung ins Arbeitsleben.

Bei Vorliegen der sozialhilferechtlichen Bedürftigkeit erhalten gehörlose Menschen Eingliederungshilfe nach dem sechsten Kapitel des Sozialgesetzbuches XII (Sozialhilfe). In Verwaltungs- und Sozialleistungsverfahren steht ihnen eine Gebärdendolmetscherin beziehungsweise ein Gebärdensprachdolmetscher zu. Die Kosten tragen die Träger der jeweiligen Verfahren. Außerdem haben gehörlose Menschen einen Anspruch an die gesetzliche Krankenversicherung auf Bewilligung von Hilfsmitteln, die dem Ausgleich ihrer Behinderung dienen, sowie auf sonstige Leistungen.

3. Welche Leistungen haben Gehörlose und hochgradig schwerhörige Menschen in Hamburg im Jahr 2009 beantragt?

4. Wie viele gehörlose und hochgradig schwerhörige Leistungsempfänger gab es im Jahr 2009 und 2010 (bitte nach Geschlecht und Leistungsart aufschlüsseln)?

Die Behinderungsart ist kein statistisches Erfassungsmerkmal bei der Leistungsgewährung. Eine genaue Zuordnung ist lediglich bei den Studienhilfen im Rahmen der Eingliederungshilfe nach Kapitel 6 des Sozialgesetzbuches XII möglich.

6. Welche Möglichkeiten gibt es in Hamburg für die Beratung gehörloser und hochgradig schwerhöriger Menschen?

Das Beratungszentrum Sehen, Hören, Bewegen, Sprechen ist als Einrichtung des Bezirksamtes Hamburg-Nord überbezirklich für ganz Hamburg tätig. Sein Angebot richtet sich an Eltern behinderter Kinder, an Jugendliche und Erwachsene, an von Behinderung bedrohte Menschen sowie ihre Angehörigen und Freunde. Eltern, die bei ihrem Säugling oder Kleinkind Auffälligkeiten beim Sehen, Hören, Bewegen oder Sprechen beobachten, wird eine umfassende Diagnostik und fachliche Beratung angeboten.

Ziel des Beratungszentrums ist es, die Auswirkungen von Behinderung durch Beratung und entsprechende Hilfen zu mindern und die Betroffenen auch bei der Durchsetzung ihrer gesetzlichen Ansprüche zu unterstützen. Alle Beratungen sind kostenlos und vertraulich. Das Beratungszentrum arbeitet mit Mütterberatungsstellen, Kindergärten, Schulen, Ärztinnen und Ärzten, Frühförderstellen, Behörden, Ämtern und Selbsthilfeeinrichtungen vertrauensvoll zusammen. Das Team besteht aus Ärztinnen verschiedener Fachrichtungen, Sozialpädagoginnen, Psychologinnen, einer Ergotherapeutin, einer neuro-otologischen Assistentin und Verwaltungskräften.

Außerdem betreibt der Gehörlosenverband Hamburg eine Beratungsstelle mit Begegnungsstätte und Dolmetschervermittlung sowie einem angeschlossenen Wohnheim.

Bei Fragestellungen im Arbeitsleben können sich gehörlose Menschen an das Integrationsamt der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz wenden. Auch das Fachamt Eingliederungshilfe des Bezirksamtes Wandsbek, welches überbezirklich für ganz Hamburg tätig ist, berät gezielt Menschen mit Hörminderung, die Sozialhilfe beziehen oder diese beantragt haben.

Gehörlose Studentinnen beziehungsweise Studenten können sich bei allen Fragen ihres Studiums an die Studienberatungsstelle für behinderte Studenten wenden, die die jeweilige Hochschule betreibt.

Im Rahmen der Arbeitsförderung gemäß Sozialgesetzbuch III betreibt team.arbeit.hamburg ein Job-Center für schwerbehinderte Menschen.

7. Welche Möglichkeiten gibt es in Hamburg für die Vermittlung von Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetschern?

Gehörlose Menschen haben nach den Regelungen der Hamburgischen Kommunikationshilfenverordnung und den Sozialgesetzbüchern bei der Auswahl von Gebärdensprachdolmetschern ein Wahlrecht. Neben der vom Gehörlosenverband Hamburg e.V. betriebenen Vermittlung gibt es internetbasierte privatwirtschaftlich organisierte Stellen. Der Berufsverband der Gebärdensprachdolmetscher/innen in Norddeutschland (BGN) e.V. vermittelt ebenfalls geeignete Fachkräfte.

8. Wie hat sich die Zahl der anspruchsberechtigten Leistungsempfänger im Bereich der „Gehörlosenhilfe" seit 2003 entwickelt (bitte nach Leistungsart und nach Geschlecht aufschlüsseln)?

9. Wie haben sich die Ausgaben der Freien und Hansestadt Hamburg seit 2003 für gehörlose und hochgradig schwerhörige Menschen jährlich entwickelt?

Siehe Antwort zu 3.

10. Welche Summen werden an die gehörlosen und hochgradig schwerhörigen Menschen für den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern im Einzelnen durchschnittlich geleistet, welches sind die niedrigsten, welches die höchsten Beträge? Welche Veränderungen im Vergleich der Jahre seit 2003 sind feststellbar?

Die zur Beantwortung benötigten Daten werden statistisch nicht erfasst.

11. In welcher Art und Weise werden Kosten auch für Gebärdensprachdolmetschereinsätze bei wichtigen privaten Anlässen übernommen?

Einen Rechtsanspruch auf Finanzierung von Gebärdensprachdolmetschern für private Lebenssituationen gibt es in Hamburg nicht. Zur Förderung der Teilhabe gehörloser Menschen am gesellschaftlichen Leben betreibt der Gehörlosenverband Hamburg e.V. ein Kulturzentrum mit einem vielfältigen Angebot. Im Rahmen der Zuwendung der zuständigen Behörde können für kulturelle Veranstaltungen Gebärdensprachdolmetscher engagiert werden.