Handlungsempfehlungen 57 Mit dem Bau darf konsequent nicht begonnen werden bevor die AUBau vollständig und umfassend vorliegt

Kostenstabiles Bauen Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg

Feststellungen

Die bei der Erstellung der Ausführungsunterlagen festgestellten Mängel entsprechen im Wesentlichen den Mängeln im Zusammenhang mit der HU-Bau: Die AU-Bau fehlten entweder in Gänze, waren nicht vollständig oder wurden nicht zeitgerecht erstellt, so dass die Planung unzulässig ganz oder teilweise baubegleitend erfolgte.

Ursachen

Die Mängel sind im Wesentlichen auf die Nichtbeachtung rechtlicher Vorgaben zurückzuführen, die zu einem Teil ­ wie bei der HU-Bau (vgl. Tz. 39) ­ wiederum mit hohem Zeitdruck erklärt wurden.

Handlungsempfehlungen

Mit dem Bau darf konsequent nicht begonnen werden, bevor die AU-Bau vollständig und umfassend vorliegt. Für die Erarbeitung der AU-Bau muss die erforderliche Planungszeit zur Verfügung gestellt werden.

Bedarfsplanung Bedeutung

Mit der vollständigen und sorgfältigen Ermittlung des Bedarfs werden die Weichen für die erforderlichen Investitionen und die künftigen Baunutzungskosten gestellt.

Bedarfsplanung wird im Bauwesen definiert als

- die methodische Ermittlung der Bedürfnisse von Bauherrn und Nutzern,

- deren zielgerichtete Aufbereitung als „Bedarf" und

- dessen Umsetzung in bauliche Anforderungen.

Die Vollständigkeit der Bedarfsplanung ist damit auch eine wesentliche Voraussetzung für eine kosten- und termingerechte Realisierung der Baumaßnahme.

Im Hochbau wird der Bedarf je Gebäudeart unterschiedlich definiert, wie zum Beispiel für Hochschulen u. a. über Studierenden- bzw. Beschäftigtenzahlen. Die Definition des Bedarfs gehört zu den Bauherrenkernleistungen, die der Bedarfsträger selbst erbringen muss (vgl. Tzn. 19 und 20), und findet ihren Niederschlag im Raum-, Funktions- und Ausstattungsprogramm, das Grundlage für die weitere Planung ist.

- Das Raumprogramm enthält die Anzahl und Größe der benötigten Räume sowie konkrete Vorgaben für wirtschaftliche Flächen- und Kubaturrelationen.

- Das Funktionsprogramm trifft Aussagen über die sinnvolle Zuordnung der im Raumprogramm festgelegten Raumgruppen.

Zum Beispiel: Jahresbericht 2009, Tzn. 82 bis 113 „Verlagerung Grundschule Chemnitzstraße"; Jahresbericht 2009, Tzn. 460 bis 486 „Anbindung der HafenCity an die angrenzenden Stadtteile".

Nichtbeachtung rechtlicher Vorgaben AU-Bau vor Baubeginn vollständig erstellen Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg Kostenstabiles Bauen

- Das Ausstattungsprogramm gibt Auskunft über den Standard der Raumausstattung, wie zum Beispiel baukonstruktive Einbauten oder technische Anlagen.

Im Tief-, Ingenieur- und Landschaftsbau werden die Anforderungen, die an das jeweilige Bauwerk zu stellen sind, aufgrund der sehr unterschiedlichen Funktionen, die diese erfüllen sollen, fachlich differenziert beschrieben. Beispielsweise sind bei der Anlage von Straßen im Wesentlichen die prognostizierte Verkehrsbelastung, die Randnutzung sowie städtebauliche Vorgaben maßgeblich, bei Brücken die Gewichtsklasse und für die Errichtung von Deichen hydrologische Betrachtungen bestimmend.

Bei Zuwendungsbauten ist es Aufgabe der Bewilligungsbehörde

- den Antragsteller bei der Aufstellung des Raumprogramms zu beraten und gegebenenfalls baufachliche Empfehlungen /Auflagen zu geben,

- allgemeine Standards und Bemessungsgrößen zu überprüfen sowie Bau- und Raumprogramme förmlich anzuerkennen und

- dafür Sorge zu tragen, dass den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in allen Phasen des Verfahrens Rechnung getragen wird.

Feststellungen

Aus den Prüfungsfeststellungen des Rechnungshofs lassen sich allein aus Mängeln im Zusammenhang mit der Ermittlung von Bedarfen Kostensteigerungen von insgesamt rund 40 Mio. Euro ableiten. Dies bestätigt die allgemein herrschende Auffassung, dass in der Phase der Bedarfsermittlung der Einfluss auf die Baukosten eines Projekts am größten ist.

Im Zusammenhang mit Kostensteigerungen waren folgende sich wiederholende Mängel bei der Bedarfsplanung relevant:

- Planungen wurden ohne ein Raumprogramm begonnen,52

- Baustandards wurden nicht eindeutig festgelegt53 und

- Kosten waren zur Bedarfsdeckung viel zu niedrig angesetzt.

Ursachen

Als Ursachen der Mängel kommen sowohl ein fehlendes Bewusstsein für die Bedeutung einer belastbaren Bedarfsplanung im Hinblick auf die Kostenentwicklung des Projekts, fehlende Kompetenz, nutzungsbedingte Eigeninteressen als auch Zeitdruck infrage.

Zum Beispiel: Jahresbericht 1991, Tzn. 387 bis 397 „Erweiterung eines Krankenhausgebäudes".

Zum Beispiel: Jahresbericht 2007, Tzn. 456 bis 474 „Bodensanierung am Grasbrookhafen"; Jahresbericht 1999, Tzn. 521 bis 541 „Neubau Stadtpark", Jahresbericht 2009, Tzn. 46 bis 81 „HafenCity Universität", Tzn. 82 bis 113 „Verlagerung der Grundschule Chemnitzstraße"; „Äußerung zur Planung und Durchführung der Neugestaltung der Kunstinsel" des Rechnungshofs der Freien und Hansestadt Hamburg 1996; Bürgerschaftsdrucksache 19/4611 vom 17. November 2009, „Bericht über den Stand des Projekts Elbphilharmonie Hamburg", S. 3.

Zum Beispiel: Jahresbericht 1993, Tzn. 203 bis 217 „Bauliche Investitionen zur Modernisierung des Strafvollzugs". Bedeutung einer belastbaren Bedarfsprüfung wird nicht erkannt

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Handlungsempfehlungen

Die Bedarfsträger müssen ihre Bedarfsplanung auf Grundlage der hierfür maßgeblichen Vorschriften durchführen. Soweit sie aufgrund fehlender Kompetenzen eine vollständige und angemessene Bedarfsplanung nicht sicherstellen können, fordert die ihnen obliegende Gesamtverantwortung für das jeweilige Bauprojekt auch, das Beratungsangebot der Finanzbehörde55 bei der Aufstellung von Raumprogrammen anzunehmen. Sind mehrere Behörden beteiligt, sollte ­ wie von der Finanzbehörde angeregt ­ eine interbehördliche Begleitgruppe eingerichtet werden.

Bis 1999 bedurften Raumprogramme der förmlichen Anerkennung durch die Finanzbehörde. Unabhängig von der Aufhebung dieses Anerkennungsvorbehalts hatte sich die Finanzbehörde damals vorbehalten, in bestimmten Fällen die Bedarfsgrundlagen ­ einschließlich des Raumprogramms ­ kritisch zu hinterfragen.

Sofern die Bedarfsträger die Finanzbehörde nicht von sich aus beteiligen, sollte die Finanzbehörde ­ entsprechend ihrer Ankündigung ­ verstärkt initiativ werden und insbesondere bei größeren Bauprojekten die Bedarfsgrundlagen überprüfen.

Baustandards Bedeutung

Nach dem Grundsatz der Sparsamkeit sind die aufzuwendenden Mittel gemäß VV Nr. 1.1 zu § 7 LHO auf den zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben notwendigen Umfang zu begrenzen (vgl. auch § 6 LHO). Um diesem Anspruch gerecht zu werden und um zu vermeiden, dass bei wiederkehrenden Bauaufgaben aufwendige Einzelfalluntersuchungen und Grundlagenermittlungen anzustellen sind, hat die Bauverwaltung durch Hinweise, Richtlinien usw. definiert, welcher Ausführungsumfang und welche Qualitäten zur Erfüllung der Baubedarfe erforderlich und angemessen sind.

Feststellungen

Der Rechnungshof hat immer wieder festgestellt, dass bei der Realisierung öffentlicher Bauvorhaben Standards vorgesehen bzw. realisiert wurden, die zum Teil erheblich über das Maß hinausgingen, das zur sparsamen Erfüllung des jeweils zugrunde liegenden Investitionszieles erforderlich war. Im Betrachtungszeitraum sind durch überhöhte Baustandards (wie zum Beispiel Flächen- oder Materialstandards) verdeckte Kostensteigerungen (vgl. Tz. 26) in Höhe von mindestens 88,6 Mio. Euro und damit von allen festgestellten Mängeln über alle Bauphasen die mit Abstand höchsten finanziellen Nachteile entstanden (vgl. Abbildung 8).