Wilhelmsburger Reichsstraße

Wahlperiode Verlegung der B4/75 „Wilhelmsburger Reichsstraße"

1. Bericht an die Bürgerschaft über den Sachstand zur geplanten Verlegung der B4/75 und Antrag auf Zustimmung zum Finanzierungskonzept sowie der Mitfinanzierungsvereinbarung mit dem Bund vom 7. Oktober 2009,

2. Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 24. Juni 2009 „Den Sprung über die Elbe gestalten: Wilhelmsburg vor zusätzlichem Verkehr und Lärm schützen" ­ Drucksache 19/3384

3. Nachforderung einer Verpflichtungsermächtigung im Haushaltsplan 2009/2010 für das Haushaltsjahr 2010 beim Titel 6300.881.05 „Kostenanteile zum Um-, Aus- und Neubau von Bundesfernstraßen" von 10,4 Mio. Euro Gliederung

1. Anlass

Die Wilhelmsburger Reichsstraße (B 4/75) ist eine Bundesfernstraße in der Baulast des Bundes. Die heutige B 4/75 verläuft in Nord-Süd-Richtung durch den Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg und verbindet die Hamburger Innenstadt mit Harburg. Die B 4/75 ist das Bindeglied der A 252 im Norden und der A 253 im Süden.

Der Planungsraum liegt in Hamburg südlich der Norderelbe in den Bezirken Harburg und Hamburg-Mitte.

Rückgrat der überregionalen und der regionalen Verkehrsinfrastruktur sind die am westlichen Rand des Planungsgebietes verlaufende BAB 7 und die am östlichen Rand des Planungsgebietes verlaufenden BAB 1 und BAB 255. Innerhalb des Planungsgebietes liegt die Bundesstraße 4/75.

Alle drei Achsen sind in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet und werden im Prognosehorizont 2025 hoch belastet: In Summe stehen für zukünftig über 340.000 Kfz/24 h in Nord-Süd-Relation ausgerichtete Fahrten drei Fernstraßenabschnitte im Hamburger Süden zur Verfügung.

Zur Bewältigung dieses Verkehrsaufkommens sind diese drei Verkehrsachsen aus heutiger Sicht und künftig erforderlich.

Ziel der Mitteilung ist es, der Bürgerschaft einen Sachstandsbericht über diese Maßnahme zu geben und die Zustimmung zum Finanzierungskonzept sowie der Mitfinanzierungsvereinbarung mit dem Bund sowie die Bewilligung einer Verpflichtungsermächtigung zu beantragen. Weiter wird die Beauftragung der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem Bund über die Alttrasse und zur Vorlage eines Nutzungskonzeptes beantragt.

Zudem hat die Bürgerschaft den Senat am 24. Juni 2009 (Drucksache 19/3384) ersucht, einen Masterplan „Verkehr" für die über- und untergeordneten Straßen im Bereich des sogenannten „Sprunggebietes" zwischen HafenCity und Harburger Binnenhafen zu entwickeln, der den besonderen Anforderungen dieses Gebietes gerecht wird.

Hierbei sollen u. a. die folgenden Punkte Berücksichtigung finden:

1. Die zukünftige Hafenquerspange im Bereich Kornweide darf keinen Anschluss nach Norden an die Wilhelmsburger Reichsstraße erhalten,

2. Im nördlichen Bereich einer verlegten Wilhelmsburger Reichsstraße darf es keine Überquerung des JaffeDavid-Kanals geben,

3. Eine Entlastung der Wilhelmsburger Mitte durch einen Verzicht auf die bisherigen Auf- und Abfahrten der Wilhelmsburger Reichsstraße in diesem Bereich bei gleichzeitiger Prüfung einer neuen Auf- und Abfahrt im Bereich Rotenhäuser End mit sogenannten Holländischen Rampen ist zu verfolgen,

4. Für die zu verlagernde Wilhelmsburger Reichsstraße sind so weit wie möglich und vorhanden bestehende Verkehrsflächen der Deutschen Bahn zu nutzen,

5. Eine mögliche Hafenquerspange im Bereich Kornweide ist zumindest bis zur Otto-Brenner-Straße als Tunnellösung beziehungsweise anschließend in Tieflage vorzusehen,

6. Es ist eine Verbesserung der sogenannten Umfahrungsstrecken, wie zum Beispiel der Schmidts Breite und des Pollhorner Bogens anzustreben, um so die Lkw-Verkehre aus den Wohngebieten herauszuhalten,

7. Es sind innere Lösungen zur Optimierung der Stadtteilverkehre unter besonderer Berücksichtigung des „Heraushaltens" von unnötigen Lkw-Verkehren in diesen Quartiersbereichen zu entwickeln,

8. Es sind Lärmschutzkonzepte entlang der geplanten Trassen der Hafenquerspange und der Wilhelmsburger Reichsstraße zu entwickeln, die zu einer Entlastung der Wohngebiete östlich der heutigen Bahnlinie führen,

9. Es sind Gespräche mit dem Bund über einen vorgezogenen Bau des Lärmschutzes entlang der Bundesautobahn BAB 1 zu führen und diesen gegebenenfalls unter anderem aus den Sanden der Rückdeichungsmaßnahme Kreetsand zu realisieren.

In Verbindung mit der Drucksache 19/5475 „Hafenquerspange" vom 23. Februar 2010 soll mit dieser Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft insoweit dem Ersuchen der Bürgerschaft entsprochen werden. Soweit die Ersuchen darüber hinaus gehen, werden sie im Weiteren bei der Erstellung des Gesamtmobilitätskonzeptes für den Süderelberaum berücksichtigt, das im November 2010 vorliegen soll.

2. Ausgangslage

Städtebauliche Zielsetzung

Das Gelände zwischen Bahntrasse und Bundesstraße (B 4/75) dokumentiert die seit Jahrzehnten bestehende räumliche Trennung der Elbinsel. Mit der Internationalen Bauausstellung (IBA) und der internationalen Gartenschau (igs) im Jahr 2013 soll ein wesentlicher Beitrag geleistet werden, diese Trennwirkung zu überwinden.

Der Senat hat in seinem politischen Leitbild „Hamburg: Wachsen mit Weitsicht" den „Sprung über die Elbe" als eines von fünf Leitprojekten im Februar 2010 erneut bestätigt und sich zu den mit diesem Schritt verbundenen Zielen für die räumliche Stadtentwicklung bekannt.

Die beiden Großveranstaltungen IBA und igs 2013 in diesem Stadtraum verleihen der angestrebten Entwicklung maßgebliche Schubkräfte.

Die für den zentralen Bereich von IBA und igs 2013 vorgesehenen Flächen in der Mitte von Wilhelmsburg können jedoch wegen ihrer Lage zwischen zwei Hauptverkehrsadern, geprägt von Straßen- und Schienenlärm, bisher nur sehr eingeschränkt einer nachhaltigen Entwicklung zugeführt werden. Dies gilt insbesondere auch für den neuen Volkspark Wilhelmsburg, der auch nach der Veranstaltung im Jahr 2013 den Ansprüchen Erholungssuchender gerecht werden und Anziehungspunkt über die Grenzen Wilhelmsburgs hinaus sein soll.

Mit der Bündelung der Verkehrswege werden hier völlig neue Voraussetzungen für die städtebauliche Entwicklung in Wilhelmsburg initiiert und mit der Aufhebung der bisherigen Trasse Entwicklungspotenziale über die gesamte Nord-Süd Ausdehnung der Elbinsel in großem Umfang und in lärmgeschützter Qualität generiert.

Die Planung zielt darauf ab, durch Bündelung der Wilhelmsburger Reichsstraße mit der Bahntrasse die großflächige Verlärmung in Wilhelmsburg erheblich zu reduzieren und den zentralen Stadtraum durch umfassenden Lärmschutz zu entlasten.

Die Verlegung der B 4/75 im Zuge der anstehenden Sanierung hat neben der großen Bedeutung für Wilhelmsburg gleichzeitig eine gesamtstädtische Dimension.

Wilhelmsburger Reichsstraße im Bestand

Die B 4/75 ist eine anbaufreie Bundesstraße und liegt als freie Strecke in der Ortslage Hamburgs in der Baulast des Bundes. Der Ortsteil Wilhelmsburg ist über die Anschlussstellen HH-Wilhelmsburg und HH-WilhelmsburgSüd angebunden. Die 4-streifige Bundesstraße B 4/75 hat getrennte Fahrbahnen für den Richtungsverkehr, ist frei von höhengleichen Kreuzungen, für Zu- und Abfahrten sind besondere Anschlussstellen vorhanden.

Bild 1: Übersichtskarte

Während die Querschnitte der Bundesautobahnen 1 und 7 weitgehend bedarfsgerecht vorhanden sind bzw. ausgebaut werden, ist die B 4/75 bereits heute in einem durchgehend sanierungsbedürftigen Zustand.

Die 1951 fertiggestellte Wilhelmsburger Reichsstraße (B 4/75) hat heute einen Ausbaustandard, der erheblich schlechter ist als der aller sonstigen Hauptverkehrsstraßen in Hamburg. Die Fahrbahnbreiten sind unterdimensioniert und entsprechen unter Sicherheitsaspekten keinem geltenden Regelwerk.

Die 4-streifige Straße hat die unzureichende Breite von ca. 14,20 m und keinen Standstreifen. Der vorhandene Querschnitt ist wie folgt aufgeteilt:

­ beidseitig Bankett einschl. Schutzplanken,

­ beidseitig 0,35 m Randstreifen,

­ 3,10 m Fahrstreifen,

­ 3,00 m Fahrstreifen,

­ 1,30 m Mitteltrennung durch Betongleitwand,

­ 3,00 m Fahrstreifen,

­ 3,10 m Fahrstreifen.

Neben den Dammböschungen sind beidseitig Entwässerungsgräben angeordnet. Die Böschungsbereiche weisen einen markanten dichten Bewuchs mit Bäumen und Sträuchern auf.

Bild 2: Heutiger Querschnitt im Bestand

Die Verkehrsbelastung liegt zurzeit bei ca. 55.000 Kfz/24 h mit einem LKW-Anteil von 10 % (DTVw 2007). Auf Grund der eng bemessenen Fahrstreifen ist als zulässige Höchstgeschwindigkeit 70 km/h angeordnet. In den Jahren 2000 bis 2003 haben sich auf der relativ kurzen Strecke pro Jahr bis zu 65 Verkehrsunfälle ereignet. Nach dem Einbau einer Betongleitwand ist die Unfallrate bis zum Jahr 2006 auf 40 Unfälle pro Jahr gesunken: Darüber hinaus wurden in den Ausfahrten in den Jahren 2000 bis 2006 durchschnittlich 27 Unfälle pro Jahr aufgenommen. In sieben Jahren sind insgesamt 232 Personen zu Schaden gekommen, zwölf davon wurden schwer verletzt. Wesentliche Unfallursachen sind neben Geschwindigkeitsüberschreitungen und Abstandsunterschreitungen vor allem seitliche Berührungen.

Die Ostrampe der Anschlussstelle HH-Wilhelmsburg entspricht nach den heute gültigen Richtlinien nicht dem geforderten Ausbaustandard. Die Ein- und Ausfahrtradien und die Entwicklungslängen der Beschleunigungs- und Verzögerungsspuren sind für diese Straßenkategorie nicht verkehrsgerecht.

Die Warnwerte der Zustandsmerkmale des Straßenoberbaus sind überschritten. Die vorhandenen Straßenschäden sind dermaßen ausgeprägt, dass ein dauerhaft verkehrssicherer Zustand nur mit einem grundhaften Straßenneubau hergestellt werden kann.

Aus den oben genannten Gründen ergibt sich ein Sanierungsbedarf der B 4/75, um dieses für den Verkehrsablauf im Süden Hamburgs wichtige Streckenelement bedarfsgerecht und sicher anbieten zu können.

Sanierungsbedürftige Bauwerke:

Auf Grund des schlechten Zustandes der Bestandsbauwerke und wegen der Notwendigkeit der Verbreiterung zur Herstellung eines verkehrsgerechten Querschnittes wird der Abbruch und Neubau von fünf Straßenbrücken und einer Fußgängerbrücke erforderlich.