Durchsetzung räumlicher Aufenthaltsbeschränkungen im Zuge der Bekämpfung der Drogenkriminalität

Anfang Juli 2001 hat der damalige Innensenator Olaf Scholz ein Maßnahmenpaket zur Intensivierung der Bekämpfung des Drogenhandels insbesondere im Gebiet um den Hauptbahnhof erarbeitet und vorgestellt. Ein Baustein des Konzepts war die konsequente staatliche Reaktion auf die Verletzung räumlicher Aufenthaltsbeschränkungen (Gebietsverstöße): Ausländer, die von Polizeibeamten in der Drogenszene angetroffen werden und räumlichen Beschränkungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland unterliegen, sollten danach in den Bereich zurückgeführt werden, der ihnen ausländerrechtlich beziehungsweise asylverfahrensrechtlich zugewiesen ist.

Offenbar hat es nun eine Abkehr von dem bisherigen Verfahren gegeben.

Ich frage den Senat:

1. Bei Verstößen gegen räumliche Aufenthaltsbeschränkungen handelt es sich um Straftaten und Ordnungswidrigkeiten.

a) Wie viele Verstöße gegen aufenthaltsrechtliche Beschränkungen wurden in den einzelnen Jahren seit 2004 festgestellt?

b) Inwieweit waren diese Gebietsverstöße als Straftaten oder als Ordnungswidrigkeiten einzustufen?

c) Welche Angaben sind dazu möglich, wie sich die Zahl der Personen seit 2004 entwickelt hat, die räumlichen Beschränkungen zuwidergehandelt haben?

d) Wie viele dieser Personen waren in den einzelnen Jahren als Intensivdealer eingestuft?

Die zur Beantwortung benötigten Daten werden statistisch nicht erfasst.

2. Im Ausländerrecht ist ausdrücklich vorgesehen, dass Polizei und Ausländerbehörden Maßnahmen ergreifen, um Verstöße gegen räumliche Beschränkungen zu beenden. Die Behörden können danach auch unter Anwendung von Gewalt durchsetzen, dass Ausländer, die sich nicht in Hamburg aufhalten dürfen, die Stadt verlassen. Welche Daten werden in diesem Zusammenhang in welcher Behörde erfasst?

Bei der zuständigen Ausländerbehörde wird die Zahl der Personen erfasst, die in den Geltungsbereich der räumlichen Beschränkung verbracht worden sind:

Die Verbringungen betrafen schwerpunktmäßig das Land Sachsen-Anhalt.

Die im Übrigen erfragten Daten werden statistisch nicht gesondert erfasst.

3. In der Vergangenheit hatte die Polizei insbesondere bei Intensivdealern die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit dem Einwohner-Zentralamt sicherzustellen, dass solche Personen, die sich unter Verstoß gegen die Residenzpflicht und damit rechtswidrig in Hamburg aufhalten, die Stadt tatsächlich verlassen.

a) Wie sah dieses Verfahren in der Praxis konkret aus?

Personen, bei denen von der Polizei wiederholt Gebietsverstöße festgestellt worden sind, sind der zuständigen Ausländerbehörde überstellt worden. Nach Prüfung des Einzelfalles hat die Ausländerbehörde gegebenenfalls gemäß § 59 Absatz 2 Asylverfahrensgesetz Haft zur Durchsetzung der Verlassenspflicht beim Amtsgericht Hamburg beantragt. Die inhaftierten Personen wurden dann innerhalb eines Zeitraumes von maximal zehn Tagen auf dem Landweg in den Bereich der zuständigen Ausländerbehörde begleitet und den dortigen Behörden überstellt. In anderen Fällen wurde den Betroffenen die Auflage erteilt, selbstständig in den Bereich der zuständigen Ausländerbehörde zurückzukehren und sich dort zu melden. Bei Mittellosigkeit wurde ihnen eine Bahnfahrkarte ausgestellt. Parallel wurde die zuständige Ausländerbehörde über den Gebietsverstoß informiert.

b) Welche Daten können dazu genannt werden, wie häufig in den Jahren und in den einzelnen Halbjahren seit Anfang 2004 Rückführungen bei Gebietsverstößen von Ausländern und insbesondere von Intensivdealern erfolgt sind? Welche Angaben können zu der Entwicklung der Überstellungen an das Einwohner-Zentralamt und der Verbringungen in die zugewiesenen Orte gemacht werden?

Siehe Antwort zu 2.

4. Offenbar hat es in den vergangenen Monaten eine Änderung der behördlichen Vorgehensweise gegeben mit der Folge, dass die Polizei Intensivdealer nicht mehr zur zwangsweisen Rückführung an das Einwohner-Zentralamt überstellt.

a) Was hat sich im Einzelnen geändert? Trifft es insbesondere zu, dass Rückführungen nach Gebietsverstößen beziehungsweise Verbringungen nach § 59 Asylverfahrensgesetz nicht mehr durchgeführt werden?

Seit dem 1. August 2010 führt die zuständige Ausländerbehörde keine Verbringungen mehr durch. Sofern in Hamburg Personen angetroffen werden, die gegen räumliche Beschränkungen verstoßen, wird ihnen die Auflage erteilt, selbstständig in den Bereich der zuständigen Ausländerbehörde zurückzukehren und sich dort zu melden.

Unberührt bleibt die Einleitung entsprechender Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren sowie in diesem Zusammenhang die Prüfung, inwieweit mögliche strafrechtliche Verstöße geeignet sind, um beim Amtsgericht Untersuchungshaft zu beantragen.

b) Wer hat die Änderung in der Vorgehensweise wann veranlasst, auf welchem Wege und aus welchen Gründen?

c) Hat die Behörde für Inneres diesbezügliche Entscheidungen allein getroffen? Inwieweit, wann und mit wem gab es Abstimmungen oder Absprachen mit anderen Behörden oder mit Bürgerschaftsfraktionen?

Auf Empfehlung der zuständigen Ausländerbehörde wurde im Juli 2010 in Absprache mit der Leitung der Behörde für Inneres entschieden, im Rahmen einer Prioritätensetzung auf eine zwangsweise Durchsetzung räumlicher Beschränkungen zu verzichten.

Die Erfahrung hatte gezeigt, dass die Betroffenen nach einer Verbringung häufig bereits nach kurzer Zeit wieder in Hamburg aufgegriffen wurden.

Abstimmungen oder Absprachen mit anderen Behörden und Fraktionen waren hierzu nicht erforderlich.

5. Wie viele Bedienstete der Polizei, des Einwohner-Zentralamtes, privater Sicherheitsunternehmen oder anderer Institutionen waren in der Vergangenheit regelmäßig mit der Überstellung und Rückführung von Ausländern nach Gebietsverstößen beschäftigt, welcher Personalaufwand wird nun betrieben? (Bitte soweit möglich aufschlüsseln.)

Bei der zuständigen Ausländerbehörde waren zwei Bedienstete schwerpunktmäßig mit der Verbringung befasst. Bedienstete von Sicherheitsfirmen wurden bei Bedarf angefordert.

Durchschnittlich wurden bei jeder Verbringung, die bis zu drei zu überstellende Personen umfasste, ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde sowie 1,5 Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes eingesetzt.

6. Wann genau hat die bisherige Leitung der Behörde für Inneres ­ Präses Christoph Ahlhaus oder Staatsrat Schulz ­ davon erfahren, dass Verbringungen nach Gebietsverstößen nur noch eingeschränkt oder überhaupt nicht mehr erfolgen? War sie in die Entscheidung eingebunden, wann und inwiefern?

Siehe Antwort zu 4. b).

7. Ist der Senat der Auffassung, dass Gebietsverstöße von Intensivdealern in Hamburg konsequent zu beenden sind?

Wenn nein, weshalb nicht?

Der Senat hat sich hiermit nicht befasst.

8. Wie wird künftig sichergestellt, dass Verletzungen räumlicher Beschränkungen ­ insbesondere durch Intensivdealer ­ konsequent beendet werden? Welche Vorschriften gibt es insoweit und durch welche Maßnahmen werden sie umgesetzt?

Siehe Antwort zu 4. a).