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Mit dem hier vom Senat vorgelegten Entwurf zur Änderung des Sielabgabengesetzes sollen die Grundlagen für die Entscheidung über die Einführung getrennter Sielbenutzungsgebühren für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung in der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) geschaffen werden.

1. Hintergrund

Der Hamburger Stadtentwässerung ­ AöR ­ (HSE) obliegt die Aufgabe der Abwasserbeseitigung im Gebiet der FHH. Hierfür erhebt sie Sielbenutzungsgebühren. Seit der Einführung zum 1. Januar 1984 werden in der FHH die Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung nach dem so genannten Frischwassermaßstab als kombinierte Schmutzund Niederschlagswassergebühr (Einheitsgebühr) auf die Bürger umgelegt. Dabei wird nach § 13 des Sielabgabengesetzes in der Fassung vom 12. Juli 2005 (HmbGVBl. S. 292) die einem Grundstück zugeführte Wassermenge (i.d.R. die von der Hamburger Wasserwerke GmbH (HWW) bezogene Frischwassermenge) der Gebührenberechnung als gebührenpflichtige Abwassermenge zu Grunde gelegt.

Die Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung sind in diesen Entwässerungsgebühren mit einem Anteil von 0,44 Euro pro Kubikmeter Frischwasserbezug enthalten. Insgesamt zahlen die Bürger für die Beseitigung des Schmutzund Niederschlagswassers nach § 1 Absatz 1 der Verordnung über die Höhe der Sielbenutzungsgebühr vom 2. Dezember 1997 (HmbGVBl. S. 533), zuletzt geändert durch Artikel 7 der Verordnung vom 2. Dezember 2008 (HmbGVBl. S. 409, 422), eine Sielbenutzungsgebühr von 2,67 Euro je Kubikmeter Abwasser. Für Grundstücke, die keinen Zugang zu einem Misch- oder Regenwassersiel und somit keine Einleitmöglichkeit haben oder nachweislich das anfallende Niederschlagswasser anderweitig entsorgen (z.B. versickern), wird eine verminderte Sielbenutzungsgebühr in Höhe der reinen Schmutzwasserbeseitigungskosten von 2,23 Euro pro Kubikmeter erhoben (vgl. auch § 1 Absatz 2 der Verordnung über die Höhe der Sielbenutzungsgebühr). Für Grundstücke mit einer gebührenpflichtigen Abwassermenge von mehr als 5.000 m³ pro Jahr besteht bereits jetzt gemäß § 15a des Sielabgabengesetzes die Möglichkeit, die Niederschlagswassergebühr nachträglich nach der bebauten und befestigten Fläche berechnen zu lassen.

Die Gebührenbemessung für die Niederschlagswasserbeseitigung nach dem Frischwassermaßstab stellt ein einfaches, praktikables und insbesondere kostengünstiges Gebührenmodell dar. Gleichwohl stellt sich zunehmend die Frage, ob dieses Gebührenmodell hinreichend verursachungsgerecht und damit rechtssicher ist. In der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird in Deutschland zunehmend die Auffassung vertreten, dass der Frischwassermaßstab für die Gebührenbemessung für die Niederschlagswasserbeseitigung nicht zulässig sei (vgl. insbesondere Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 18. Dezember 2007 ­ Az.: 9 A 3648/04 ­ und Verwaltungsgerichtshof Kassel, Urteil vom 2. September 2009 ­ Az.: 5 A 631/08 ­). Bundesweit haben zahlreiche Änderung des Sielabgabengesetzes zwecks Flächenerhebung für die Umstellung auf getrennte Sielbenutzungsgebühren für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung

Städte und Gemeinden bereits getrennte Abwassergebühren eingeführt. Im Hamburger Umland sind dies u.a. die Städte Pinneberg, Wedel, Elmshorn, Ahrensburg sowie Reinbek in Schleswig Holstein und die Städte Buxtehude, Stade, Buchholz in der Nordheide und Lüneburg in Niedersachen. Auch wegen infrastruktureller Erweiterungen und Veränderungen in der FHH, insbesondere durch Nachverdichtungen, gewinnen Überlegungen an Bedeutung, die die Verursachungsgerechtigkeit des Frischwassermaßstabes hinterfragen. Mit einer getrennten und flächengestützten Niederschlagswassergebühr kann ein Anreiz geschaffen werden, Flächen auf den Grundstücken zu entsiegeln oder nicht neu zu versiegeln und dadurch den in Hamburg festzustellenden Trend der Bodenversiegelung umzukehren.

Eine lokale Versickerung von Niederschlagswasser führt zur vermehrten Grundwasserneubildung im Stadtgebiet.

Der Oberflächenabfluss wird vergleichmäßigt, Abflussspitzen werden reduziert, wodurch Hochwässer verringert und die Siele entlastet werden. Zudem wird auch die lokale Verdunstung gefördert und dadurch eine Verbesserung des städtischen Mikroklimas erreicht. Dies sind ökologisch gewünschte Entwicklungen, die Teil der Klimaanpassungsstrategie sind und auf dem Gebiet der Abwasserbeseitigung einen Beitrag Hamburgs als europäische Umwelthauptstadt Europas liefern.

2. Umstellung auf getrennte Sielbenutzungsgebühren

Vor diesem Hintergrund hat der Senat die Voraussetzungen und Folgen für die Einführung getrennter Sielbenutzungsgebühren für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung geprüft. Bei getrennten Sielbenutzungsgebühren bleibt der Gebührenmaßstab für die Schmutzwasserbeseitigung weiterhin das bezogene Frischwasser, da ein klarer Bezug zwischen der bezogenen Frischwasser- und der eingeleiteten Schmutzwassermenge besteht. Grundlage für die getrennte Niederschlagswassergebühr werden hingegen die an das Sielnetz der HSE angeschlossenen bebauten und befestigten (versiegelten) Flächen eines Grundstücks sein.

Durch die Umstellung des Gebührenmodells von der Einheitsgebühr zu getrennten Sielbenutzungsgebühren für das Schmutz- und Niederschlagswasser entstehen bei der HSE keine Mehreinnahmen. Es müssen die Kostenanteile für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung neu ermittelt werden, was zu einer Umverteilung der Gebührenlast bei den Sielbenutzungsgebührenschuldnern führen wird.

3. Bemessungsgrundlage für die flächengestützte Niederschlagswassergebühr

Für die Einführung von getrennten Sielbenutzungsgebühren in anderen Städten und Gemeinden wurden bislang unterschiedliche Modelle angewendet. Diese Modelle unterscheiden sich in der Genauigkeit der erfassten Flächen, die für die Veranlagung herangezogen werden.

Beispielsweise sieht das „Freiburger Modell" vor, lediglich die versiegelten Flächen solcher Grundstücke exakt auszuwerten, die eine Fläche von mehr als 1.000 m² haben. Bei kleineren Grundstücken würde die Erhebung der Abwassergebühren weiterhin allein nach dem Trinkwasserbezug erfolgen. Bezogen auf Hamburg würde dieses Gebührenmodell zur Folge haben, dass eine Vielzahl der Grundstücke (ca. 66 %) weiterhin nach der Einheitsgebühr veranlagt werden würde. Im Ergebnis könnte dann aber kaum eine ökologische Lenkungswirkung mangels ausreichender Anreize zur Entsiegelung von Flächen erzielt werden. Daneben dürfte fraglich sein, ob dieses Gebührenmodell hinreichend rechtssicher ist, da die Einheitsgebühr nicht in Gänze aufgegeben wird. Es ist somit nicht sinnvoll, bei der Einführung getrennter Sielbenutzungsgebühren in der FHH auf das „Freiburger Modell" zurückzugreifen.

Bei dem so genannten „Stuttgarter Modell" wird nur ein Teil der relevanten Flächen exakt mittels Luftbildauswertung erfasst. Wohngrundstücke mit und ohne Mischnutzung (mit Gewerbe) und einer Fläche bis 1.000 m² werden in zwei Größenklassen zusammengefasst und der Gesamtumfang der versiegelten Flächen auf Basis der Gebäudegrundflächen geschätzt. Hierzu ist ein so genannter „Zuschlagsfaktor" ermittelt worden, der multipliziert mit der Gebäudegrundfläche auf einem Grundstück die vermutete versiegelte Fläche ergibt. Für alle anderen Grundstücke werden die versiegelten Flächen mittels Luftbildauswertung erfasst. Bei dem „Stuttgarter Modell" reduziert sich der Erhebungsaufwand gegenüber der einheitlichen Flächenvollerfassung, da die von der Schätzung erfassten Wohngrundstücke einen großen Anteil aller Grundstücke ausmachen. Allerdings kann unter Hamburger Gegebenheiten kein zuverlässiger Zuschlagsfaktor ermittelt werden.

Auch nivellieren sich hier die Kostenvorteile des Stuttgarter Modells.

Die so genannte Flächenvollerfassung ist das genaueste und damit gerechteste Verfahren zur Einführung von getrennten Gebühren. Hierbei werden sämtliche Flächen im Sieleinzugsgebiet (das sind die Gebiete innerhalb der Stadtgrenzen, in denen zur Beseitigung des Niederschlagswassers Regen- oder aber Mischwassersiele hergestellt und betrieben werden) durch Auswertung von Luftbildern exakt erfasst. Auf der Grundlage der auf diese Weise ermittelten versiegelten Flächen erfolgt als nächster Schritt eine Befragung der Grundstückseigentümer zu diesen Flächen.

Dies ist insbesondere deshalb erforderlich, da die Luftbildauswertung keine Rückschlüsse darauf liefern kann, ob die ermittelten versiegelten Flächen auch tatsächlich in die öffentlichen Sielanlagen entwässern oder aber z. B. in den Garten, eine Zisterne oder eine Versickerungsanlage. Das Modell der Flächenvollerfassung wurde unter anderem in Berlin gewählt.

Vor diesem Hintergrund eignet sich nach Auffassung des Senats nur die Flächenvollerfassung als gerechte und transparente Basis für die Einführung von getrennten Sielbenutzungsgebühren in der FHH.

4. Zu erwartende Gebührenentwicklung

Zur Veranschaulichung der Auswirkungen werden für ausgewählte Mustergrundstücke die aktuellen und die zukünftig erwarteten Belastungen nach Einführung des Gebührensplittings aufgezeigt:

Im Ergebnis ist folglich eine Gebührenentlastung etwa von Mehrfamilien-, Einfamilien- und Reihenhäusern zu erwarten. Mehrkosten dürften etwa für Bürogebäude, Supermärkte, Logistikbetriebe und Schulen entstehen.

Für den Haushalt der FHH ist mit der Einführung einer getrennten Sielbenutzungsgebühr eine Mehrbelastung von ca. 1,7 Mio. Euro für die Entwässerung der von öffentliche Wegen, öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen, öffentlichen Kinderspielplätzen und öffentlichen Hochwasserschutzanlagen verbunden. Demgegenüber stehen Einsparungen von voraussichtlich 3,0 Mio. Euro bei Hilfeleistungen an solche Personen, die zur Deckung der Kosten der Unterkunft nach SGB II und XII Leistungen beziehen.

Dies wird bei zukünftigen Haushaltsplanaufstellungen zu berücksichtigen sein.

Die Auswirkung der Gebührentrennung auf die Liegenschaftgrundstücke kann vorab nicht ermittelt werden.

5. Möglichkeiten einer Abmilderung zukünftiger Kostenbelastungen

Die geplante Ausgestaltung des getrennten Gebührenmodells ermöglicht es den Grundstückseigentümern, die Höhe der von ihnen zu zahlenden Gebühren durch die Abkopplung angeschlossener Grundstücksflächen zu beeinflussen.

Hierdurch haben es die Grundstückseigentümer selbst in der Hand, etwaige zusätzliche Kostenbelastungen durch die Einführung getrennter Sielbenutzungsgebühren abzumildern. Hierbei wird für konkrete bauliche und technische Fragestellungen ein Beratungsangebot seitens der HSE zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere auch soweit rechtliche Hindernisse einer schlichten Entsiegelung entgegenstehen. Es ist außerdem vorgesehen, die Möglichkeit zu prüfen, wie im Zuge der Einführung der getrennten Niederschlagswassergebühr entstehende wirtschaftliche Härten durch entsprechende Anwendung der Härtefallregelung abzumildern wären.