Großforschungsprojekt XFEL

Die baulichen Anlagen des Röntgenlaserprojektes XFEL umfassen einen 3,4 Kilometer langen Tunnel vom DESY-Gelände in Bahrenfeld nach Schenefeld: Dieser wird auch unter mehr als 60 Privatgrundstücken verlegt. Die betroffenen Eigentümer und Erbbauberechtigten haben nach der Gewährung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Der Senat antwortete auf meine erste Kleine Anfrage zu diesem Thema, dass noch die diesbezüglichen Rechte bei 14 Grundstücken erworben werden müssten (vergleiche Drs. 19/7223 vom 17.09.2010) Anwohner berichten, dass sie beim Verkauf ihrer Wohnungen mit Verweis auf die anstehende Untertunnelung und etwaige Risiken wie zum Beispiel Reststrahlung durch XFEL eine Wertminderung von mehreren Tausend Euro hinnehmen mussten, welche nicht durch die Entschädigungsleistung kompensiert wurden. Senatsangaben zufolge kann die Geschäftsstelle des Gutachterausschuss jedoch keine Auskunft darüber geben, inwieweit der maßgebliche Verkehrswert des Grundstücks von einer Untertunnelung überhaupt tangiert wird.

Diese Auskunft hat bei den betroffenen Anwohnern für Irritationen gesorgt.

Um diese und andere Fragen zu klären, frage ich den Senat:

1. Bei welcher Behörde sind die Anträge auf Teilenteignung mit sofortiger Besitzeinweisung gestellt worden?

Bei der Finanzbehörde als Enteignungsbehörde.

2. Wie läuft nun das entsprechende Verfahren ab? Welche Einspruchsmöglichkeiten verbleiben den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern?

Die Enteignungsbehörde wird auf der Grundlage des Staatsvertrags zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Land Schleswig-Holstein über die Schaffung der planerischen Voraussetzungen für die Errichtung und den Betrieb eines Freie-Elektronen-Lasers im Röntgenlaserbereich vom 28. September 2004 (HmbGVBl. S. 461) über die vorliegenden Anträge auf vorzeitige Besitzeinweisung und (Teil-)Enteignung entscheiden.

Notwendige Voraussetzungen für eine Besitzeinweisung sind die Vollziehbarkeit des zugrunde liegenden Planfeststellungsbeschlusses, die grundsätzliche Zulässigkeit der Enteignung, die Verfügbarkeit der erforderlichen finanziellen Mittel, die Ablehnung eines auskömmlichen Angebots für den freihändigen Erwerb durch den Grundeigen

tümer und die Dringlichkeit der geplanten Baumaßnahme. Über die Höhe der Entschädigung wird nicht im Rahmen des Besitzeinweisungsverfahrens, sondern erst im nachfolgenden Enteignungsverfahren (Hauptsacheverfahren) auf der Grundlage eines Gutachtens des Gutachterausschusses für Grundstückswerte entschieden.

Gegen alle Entscheidungen der Enteignungsbehörde kann ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden mit der Folge, dass das Landgericht Hamburg ­ Kammer für Baulandsachen ­ die Sache vollen Umfangs überprüft.

3. Der Gutachterausschuss bezieht sich in Schreiben an die betroffenen Bürgerinnen und Bürger darauf, dass die Höhe der zu leistenden Entschädigung für den Erwerb der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit unter anderem vom jeweiligen Bodenwert abhängt. Im BauGB wird hingegen im § 95 (Entschädigung für den Rechtsverlust) der Verkehrswert als maßgebliche Bemessungsgrundlage bestimmt.

In der Drs. 19/7223 führt der Senat nun aus, dass der Gutachterausschuss für Grundstückswerte sich bereits im Jahr 1994 intensiv mit der Frage der Entschädigung von Tunneldienstbarkeiten für die vierte Elbtunnelröhre auseinandergesetzt habe und in diesem Zusammenhang die damals vorliegende Entschädigungspraxis und Rechtsprechung ausgewertet hatte.

a. Wie sah die seinerzeitige Praxis und Rechtsprechung aus?

b. Sind den zuständigen Behörden neuere Gerichtsurteile in dieser Angelegenheit bekannt, die zwischen 1994 und 2010 verkündet worden sind?

Wenn ja, welche und mit welchen Inhalten? Bitte darstellen.

Zur Praxis und Rechtsprechung siehe nachfolgende Quellen:

- Debus: Entschädigungsermittlung für Bahn-Unterfahrungen, in: Grundstücksmarkt und Grundstückswert (GuG) 1994 Seiten 7 ­ 11,

- Kleiber: Verkehrswertermittlung von Grundstücken, Ziffer 4.2.7.6 Bahnunterfahrung,

- Gerardy/Möckel: Praxis der Grundstücksbewertung, Ziffer 5.2.4 Seiten 77 ­ 81,

- BGH, Urteil vom 2.4.1981 ­ III ZR 186/79 ­ (Entscheidungssammlung zum Grundstücksmarkt und zur Grundstückswertermittlung ­ EzGuG 19.38),

- BGH, Urteil vom 1.2.1982 ­ III ZR 93/80 ­ EzGuG 14.69,

- KG Berlin, Urteil vom 19.7.1983 ­ U 61 31/82 ­ EzGuG 14.74a,

- BGH, Beschluss vom 28.6.1984 ­ III ZR 187/83 ­ EzGuG 14.77,

- OLG Frankfurt, Urteil vom 31.3.1988 ­ 1 U 15/85 ­ EzGuG 14.82a,

- OLG Hamm, Urteil vom 3.7.1989 ­ 22 U 185/88 ­ EzGuG 14.85a,

- LG Bielefeld, Urteil vom 16.4.1990 ­ 5 O 356/86 ­ EzGuG 14.89a.

Seit 1994 sind ­ soweit der zuständigen Behörde bekannt ­ keine weiteren, von der bisherigen Rechtsprechung abweichenden Urteile ergangen.

4. Weiterhin führt der Senat in der Drs. 19/7223 aus, dass auf eine Gebäudewertermittlung verzichtet werden könne, da die absolute Höhe des Boden- beziehungsweise Verkehrswerts der betroffenen Grundstücke insoweit nicht maßgeblich sei. Im BauGB wird hingegen im § 95 (Entschädigung für den Rechtsverlust) der Verkehrswert als maßgebliche Bemessungsgrundlage bestimmt.

a. Wie begründen der Senat, die zuständige Behörden und der Gutachterausschuss ihre anderslautende Rechtsauffassung?

Bei der Ermittlung der Dienstbarkeitsentschädigung ist die Frage nach dem „Was" von der Frage nach dem „Wie" zu unterscheiden. Was zu entschädigen ist, ist zweifellos die Verkehrswertminderung des Gesamtgrundstücks einschließlich der Gebäude. Bei der Frage, wie diese zu berechnen ist, kommt es jedoch nach Auffassung des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Hamburg nicht auf die konkrete Bebauung an. Die Wertminderung trifft seiner Meinung nach ein unbebautes Grundstück in der gleichen Höhe wie ein Grundstück, das mit einem dem Grundstück angemessenen Neubau bebaut ist. Entsprechend hat der Gutachterausschuss den Entschädigungsrahmen unter Berücksichtigung einer fiktiven üblichen Neubau-Bebauung gestaltet.

Wenn man den Verkehrswert anstelle des Bodenwerts als Rechenparameter einführen würde, wären die Prozentsätze des Entschädigungsrahmens entsprechend niedriger zu wählen.

b. Die Landesbausparkasse (LBS) gibt den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, sich über den „marktorientierten Verkehrswert" im jeweiligen Stadtteil zu informieren, damit der Wert der betroffenen Grundstücke den Eigentümern bekannt wird. Hat sich der Gutachterausschuss an diesem Wert orientiert?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum (noch) nicht und beabsichtigt er, dies in seine Wertermittlung zu übernehmen?

Der Gutachterausschuss verwendet ausschließlich Daten der bei ihm geführten amtlichen Kaufpreissammlung, die im Hinblick auf Vollständigkeit und Verlässlichkeit die sicherste Datengrundlage bildet.

5. Der Senat führt in der Drs. 19/7223 den „Entschädigungsrahmen" auf, den der Gutachterausschuss aufgestellt habe. Was ist hierunter konkret zu verstehen? Von welchen Rechtspositionen wird dieser Entschädigungsrahmen getragen?

Der Entschädigungsrahmen ist eine Aufstellung von Prozentsätzen der Bodenwerte, die die Verkehrswertminderung zu untertunnelnder Grundstücke in Abhängigkeit von verschiedenen Einflussgrößen in allgemeiner Form darstellen. Die verschiedenen Einflussgrößen sind in der Drs. 19/7223 näher ausgeführt. Der Entschädigungsrahmen bildet eine Selbstbindung des Gutachterausschusses, um eine einheitliche und nachvollziehbare Handlungsweise des Gutachterausschusses in vergleichbaren Fällen zu gewährleisten. Er bindet auch die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses bei deren Wertermittlungen, die die Grundlage für die Verhandlungen des Immobilienmanagements mit den betroffenen Eigentümern bilden.

6. Weiter führt der Senat in der gleichen Drucksache aus, dass nach Einschätzung der European XFEL GmbH für die Phase des Tunnelbaus leichte Erschütterungen oder Setzungen durch das Tunnelvortriebsverfahren nicht ausgeschlossen werden. Die Eigentümer der betroffenen Grundstücke problematisieren den Umstand, dass sie ohne ein Beweissicherungsverfahren Schäden, welche durch den Tunnelbau entstehen können, nicht dem Verursacher in Rechnung stellen können und somit gegebenenfalls die entsprechenden Kosten alleine tragen müssten.

a. Wie beurteilen der Senat und die zuständigen Behörden diese Bedenken grundsätzlich?

b. Wird von den zuständigen Behörden für die betroffenen Gebäude ein Beweissicherungsverfahren angestrebt?

Wenn ja, durch wen und wann?

Wenn nein, warum nicht?

Nach Planfeststellungsbeschluss für das Projekt XFEL vom 20. Juli 2006 hat der Vorhabenträger ein Beweissicherungsverfahren durchzuführen (Ziffer 1.4.2.2.2). Die Beweissicherung hat bereits in einem ersten Block begonnen. Die Beweissicherung erfolgt durch ein unabhängiges Hamburger Ingenieurbüro. Die Bedenken sind damit gegenstandslos.