Gefahr von Einsturzbeben im Hamburger Westen

Betreff: Gefahr von Einsturzbeben im Hamburger Westen: Wie realistisch wäre die Entstehung eines Riesenkraters wie aktuell in Thüringen? Auch dort war ein Salzstock Mitverursacher einer Beinahe-Katastrophe! Welche Konsequenzen hat dies für den Senat?

Unsere parlamentarischen Nachfragen zur Gefahr von Einsturzbeben im Hamburger Westen (vergleiche Drs. 19/6773 und 19/6906) behandeln ein Thema, das leider jüngst wieder Aktualität erreicht hat: Im thüringischen Schmalkalden hat ein entsprechendes Einsturzbeben ein 30 mal 30 Meter großes und 20 Meter tiefes Loch aufgerissen ist. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt: Allerdings mussten mehrere Häuser evakuiert werden.

Mittlerweile steht fest, dass dieser Krater nicht durch bergmännische Tätigkeiten verursacht worden ist, sondern unterhalb der Erdoberfläche ein Hohlraum in sich zusammengebrochen ist. Verursacht wurde dies dadurch, dass salzhaltige Schichten durch Kontakt mit Grundwasser ausgewaschen wurden, sodass es anschließend zu entsprechenden Bodenbewegungen gekommen ist.

Die Parallele zu Hamburg ist frappierend: Auch auf unsere Anfragen führte der Senat aus, dass sich unter Hamburg mehrere Salzstöcke befinden.

Wäscht Sickerwasser das unter der Erde liegende Material aus, kann dieses nachgeben. Bodenabsackungen und im Extremfall kleine Erdbeben wären die Folge. Nachdem im schleswig-holsteinischen Quickborn Teile eines Spielplatzes 80 Zentimeter tief im Boden versanken, weil der Hohlraum eines darunterliegenden Salzstocks einstürzte, haben die aktuellen Medienberichte die Bevölkerung verunsichert.

Daher fragen wir den Senat:

1.) Aus welchen Gründen kam es nach Kenntnis der zuständigen Behörden in Thüringen zum besagten Einsturzbeben?

Nach Auskunft der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie ist die Entstehung des Erdfalls von Schmalkalden aller Voraussicht nach auf natürliche Vorgänge zurückzuführen. Unter quartärem Lockergestein und den tiefsten Schichten der Calvörde-Folge (Sandsteine mit Schluffsteinlagen, Grenze Perm/Trias) folgen die vermutlich von Auslaugung betroffenen Zechstein-Schichten mit Sulfat- und Karbonatgesteinen und gegebenenfalls auch Resten von Steinsalz. In der 45. Kalenderwoche beginnende Erkundungsbohrungen sollen weitere Aufklärung bringen.

2.) Kann der Senat ausschließen, dass es in Hamburg zu einem vergleichbaren Einsturzbeben wie dem in Thüringen kommen kann?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

3.) Wie wurde bei den bisherigen Risikobewertungen der Umstand berücksichtigt, dass komplexe geologische Dynamiken etwa durch Wassereintritte, Temperaturschwankungen und unterschiedliche Lastveränderungen die Gefahr von Einsturzbeben mit beeinflusst?

Bei der Klassifizierung von Erdfalltypen und einer Risikobewertung sind Parameter wie Auslaugungsprozess, Lösungstransport, Art und zeitlicher Ablauf von Massenverlagerungen et cetera ­ soweit bekannt beziehungsweise qualifiziert abschätzbar ­ berücksichtigt worden.

4.) Gibt es von den zuständigen Behörden Evakuierungspläne beziehungsweise Katastrophenschutzpläne für eine Reaktion auf entsprechende Einsturzbeben?

Wenn ja, wie sehen diese aus und von welcher Behörde werden diese federführend erarbeitet und begleitet?

Wenn nein, warum nicht?

5.) Haben sich die zuständigen Behörden zum Thema „Einsturzbeben" mit den Behörden der Nachbarländer abgestimmt, um Erkenntnisse auszutauschen sowie etwaiges Vorgehen abzustimmen?

6.) Gibt es zu diesem Thema eine innerbehördliche Arbeitsgruppe?

Wenn ja, von welchen Behörden und mit welchem Arbeitsauftrag?

Wenn nein, warum nicht?

Nein. Es bestehen aber überbehördliche Kontakte insbesondere zu den zuständigen bezirklichen Dienststellen.

7.) Sind den zuständigen Behörden neben dem Forschungsprojekt „Hamburg - ein dynamischer Untergrund", das von der Universität Hamburg und der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt umgesetzt wurde, weitere Untersuchungen und Abhandlungen zu diesem Thema bekannt?

Wenn ja, welche und mit welchem Inhalt? Bitte ausführen.

Die folgende Auswahl von Abhandlungen, die sämtlich in der Bibliothek „Geowissenschaften" der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt eingesehen werden können, behandelt schwerpunktmäßig den Themenkomplex Salzstöcke, Erdfälle und ihre Auswirkungen in Hamburg beziehungsweise im norddeutschen Raum. Darüber hinaus ist eine Vielzahl von Untersuchungen und Veröffentlichungen aus dem internationalen Bereich verfügbar: BALDSCHUHN, R., BINOT, F., FLEIG, S., KOCKEL, F. (2001): Geotektonischer Atlas von Nordwest-Deutschland und dem deutschen Nordsee-Sektor. Strukturen, Strukturentwicklung, Paläogeographie. - Geologisches Jahrbuch, A 153, 88 S. + 3 CD-ROMs.

BECK, B. F. (ed.) (2005): Sinkholes and the engineering and environmental impacts of Karst. Proceedings of the 10th multidisciplinary conference, September 24 ­ 28 San Antonio, Texas. American Society of Civil Engineer, Special Publication 144, 677 pp.

BÜCHNER, K.-H. (1991): Die Gefährdung von Bauwerken durch Erdfälle im Vorland des Westharzes. - Geologisches Jahrbuch, C 59, 40 S. EHLERS, J. (1995): Geologische Karte von Hamburg 1:25 000, Erläuterungen zu Blatt 2425 Hamburg, 164 S.

GEOLOGISCHES LANDESAMT HAMBURG (Hrsg.) (2008): Geotouren in Hamburg. Erweiterte Neuauflage, 168 S. GRUBE, F. (1970): Baugeologie der Lockergesteine im weiteren Hamburger Raum. In: Grundbau Taschenbuch Band I Ergänzungsband: 109 ­ 160. Berlin, München, Düsseldorf: Ernst & Sohn.

GRUBE, F. (1974): Ingenieurgeologische Erkundung der Erdfälle im Bereich des Salzstockes Othmarschen-Langenfelde (Hamburg). ­ Proceedings of a Symposium of the International Association of Engineering Geology, T4 ­ B1-7, Hannover - Essen.

GUNN, J. (2004): Encyclopedia of Caves and Karst Science. - London: Fitzroy Dearborn, 902 pp.

JARITZ, W. (1973): Zur Entstehung der Salzstrukturen Nordwestdeutschlands. - Geologisches Jahrbuch, A 10, 77 S. KOCH, E. (1918): Der Bahrenfelder See. - Beiheft zum Jahrbuch der Hamburgischen Wissenschaftlichen Anstalten, XXXV, 1917.

KOCKEL, F. et al. (1985): Geotektonischer Atlas von Nordwest-Deutschland. - Unveröffentlichter Abschlussbericht der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, 68 S., 4 Anl.

NIEDERMAYER, J. (1962): Die geologischen Verhältnisse im Bereich des Salzstockes von Hamburg-Langenfelde. - Abhandlungen und Verhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins in Hamburg, NF, 4: 167-175.

PFEFFER, K.-H. (2010): Karst. Entstehung ­ Phänomene ­ Nutzung. - Stuttgart: Borntraeger. 338 S.