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Deshalb stimmen wir mit dem überein, Herr Hinners, was Sie gefordert haben, mit dem, was Herr Senator Mäurer auch schon im Rahmen der Innenministerkonferenz vertreten hat: Wir brauchen eine Erlaubnispflicht für den Betrieb einer Prostitutionsstätte, eine Erlaubnispflicht, die sicherstellt, dass nicht jeder unabhängig von seinem Vorleben und seiner persönlichen Eignung ein Bordell eröffnen kann, sondern die ausschließt, dass Straftäter, die wegen Menschenhandel oder Sexualdelikten vorbestraft sind, ein solches Bordell betreiben.

Wir wollen, dass dort, wo legal viel Geld mit Prostitution verdient wird, im Übrigen ja häufig nicht von den Frauen, sondern von den Betreibern der Bordelle, auch ordentlich Steuern gezahlt werden, und wir wollen, dass dort, wo illegal Prostitution stattfindet, konsequente Strafverfolgung und Vermögensabschöpfung stattfindet. Das Ziel, das wir gemeinsam verfolgen, ist, die Prostitution aus dem Verborgenen zu holen, die Graubereiche auszuleuchten, klare Regeln zu schaffen sowie konsequente Kontrolle und strikte Ahndung bei Verstößen durchzuführen.

Diese Forderungen finden sich in dem hier von der Koalition vorgelegten Antrag wieder, und ich will nur noch auf einige Beispielpunkte eingehen.

Wie im Vorfeld angesprochen, fordern wir auch in unserem Antrag einen stärkeren Gesundheits- und Arbeitsschutz. Hier ist ­ und darauf will ich hier eingehen, weil es im Vorfeld etwas belächelt worden ist ­ die Einführung einer Kondompflicht thematisiert worden. Das Ganze ist, das sage ich auch, ein Beispiel und war nicht Kern dieses Antrags, aber es ist trotzdem sinnvoll, in Zeiten von Geschlechtskrankheiten und HIV mehr als ein Scherz, es geht nämlich um eine existenzielle Gefährdung von Frauen und Männern, die diesem Beruf nachgehen. Wenn man so etwas gewahr wird ­ wir haben ja von Kontrollen gesprochen ­ und wenn die Gewerbeaufsicht vorbeigeht und feststellt, es sind gar keine Kondome da, dann wollen wir, dass daraus Konsequenzen folgen.

Ich sage Ihnen ganz klar, dann wollen wir, dass der Laden geschlossen wird.

Ich will noch hinzufügen, das hat sich die Bremer SPD nicht irgendwie in den letzten Wochen in einer lustigen Runde ausgedacht, sondern in Bayern ist das Ganze im Rahmen der Hygieneverordnung seit 2002 vorgeschrieben, also ganz so abwegig scheint das ja doch nicht zu sein!

Ich will aber auch sagen, es ist ein Beispiel unter vielen. Es gibt andere Dinge, über die man nachdenken kann, ganz banal, das Zurverfügungstellen ausreichender Sanitäranlagen zum Beispiel, oder aber die Auflage, im Rahmen des Arbeitsschutzes in jedem Zimmer eine Alarmeinrichtung vorzuhalten, damit die Frauen im Falle des Falles auch um Hilfe rufen können. Zusammenfassend: Wir brauchen neue Regelungen. In diesem Kontext sind wir auch gefragt worden: Warum dieser Vorstoß in Bremen, mit dem der Senat aufgefordert wird, auch in Bremen tätig zu werden, obwohl doch auch viel über bundeseinheitliche Regelungen gesprochen wird?

Wir haben nichts gegen bundeseinheitliche Regelungen, wir haben auch nichts gegen die Initiativen von Herrn Mäurer in der Innenministerkonferenz und auf anderer Ebene und dass man sich auch bundesweit dem Problem annimmt, aber ich will auch sagen, wenn man ein Problem erkannt hat, muss man auch das einem selbst Mögliche tun, um das Problem zu lösen.

Seit der Föderalismusreform II liegt das Gewerberecht bei den Ländern. Vor diesem Hintergrund haben wir nichts dagegen, wenn bundesrechtliche Regelungen hinzutreten, aber wir haben kein Interesse daran, solange die Füße auf den Tisch zu legen, bis sich in Berlin das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesinnenministerium verständigt haben, wer denn zuständig sein könnte. Wir haben hier Regelungsbedarf, und darum müssen wir auch in Bremen unserer Pflicht gerecht werden. Vizepräsidentin Dr. Mathes: Das Wort hat der Abgeordnete Fecker.

Abg. Fecker (Bündnis 90/Die Grünen): Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema beschäftigt heute nicht das erste Mal die Bremische Bürgerschaft, und die Debatte war bisher auch immer von einer hohen Sachlichkeit geprägt. Das finde ich bemerkenswert und ausgezeichnet, und das sollte auch so bleiben.

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In den Diskussionen haben wir immer wieder die Frage der Regulierung aufgeworfen, aber nicht mit dem Ziel der Überwachung von Menschen, sondern ganz klar mit dem Ziel des Schutzes von Menschen, (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD) denn noch immer sind Schlagwörter wie Zwangsprostitution oder Menschenhandel ein Problem in unseren beiden Städten. Auch wenn wir anerkennen, dass das Innen- und das Justizressort und die Sozialbehörde ihr Möglichstes tun, stellen wir fest, dass es immer noch Handlungsbedarf gibt.

Wir haben in den zahllosen Diskussionen auch feststellen müssen, dass es innerhalb des Wirtschaftsressorts durchaus Bedenken gibt, die die gewerberechtliche Anmeldung betrifft, und wir wollen heute als Bürgerschaftsfraktionen dem Wirtschaftsressort auch einen klaren Auftrag mit auf den Weg geben.

Bremen hat drei Bedarfe! Erstens, wir brauchen eine klare gewerberechtliche Regelung mit Auflagen für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz, aber auch mit der klaren Aufgabe der gewerblichen Kontrollen, so, wie sie jede Frittenbude und jedes Eiscafe über sich ergehen lassen müssen, genauso müssen auch die Kontrolleure des Gewerbeamtes zukünftig Bordelle auf die Einhaltung der Auflagen überwachen dürfen.

Zweitens: Wir haben feststellen müssen, dass im Bereich des ältesten Gewerbes der Welt eine ganze Menge Geld verdient wird, eine ganze Menge Geld im Umlauf ist, der Staat aber von diesem Geld nicht allzu viel abbekommt. Das sollte ein Bundesland wie Bremen, das nicht gerade auf Rosen gebettet ist, natürlich hellhörig werden lassen, sodass wir heute auch einen klaren Auftrag formulieren: Das Einkommen, das dort erzielt wird, muss auch versteuert werden!

Wir sagen auch, das Thema Zwangsprostitution und Menschenhandel ist damit noch nicht beendet, das sehen Sie im Beschlusspunkt drei unseres Antrages. Es muss aus Sicht der SPD und der Grünen oberste Priorität unserer Behörden sein, konsequent strafrechtlich zu verfolgen und dagegen vorzugehen, wenn Menschen in diesen beiden Städten zwangsprostituiert werden, mit ihnen gehandelt wird oder sie zu dieser Arbeit gezwungen werden. Der Staat muss dann weiterhin eingreifen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Unser Ziel ist, glaube ich, klar: Wir wollen einen regulierten Markt, wir wollen keine hysterischen Debatten um die Ausweitung, sodass man die ganze Stadt zu einem Sperrbezirk erklärt, weil wir auf der anderen Seite auch anerkennen müssen, dass dort ein entsprechender Bedarf besteht. Ein Fragezeichen setzen wir, Herr Senator Mäurer, allerdings bei Ihrer Initiative auf Bundesebene, die die Altersbeschränkung betrifft. Ich glaube, wir müssen insgesamt sehr vorsichtig mit allen Maßnahmen sein, die dazu führen, dass dieser Bereich weiterhin in die Illegalität gedrängt wird. Das heißt jetzt nicht, dass sich die grüne Bürgerschaftsfraktion dagegen ausspricht, die Altersgrenze von 18 auf 21 Jahre zu setzen, aber ich glaube, darüber muss man noch einmal in aller Ruhe sprechen, denn das Ziel kann nicht sein, dass wir alles Mögliche tun, um diesen Bereich aufzuhellen, und dann mit anderen Maßnahmen junge Mädchen in die Illegalität drängen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Der Unterschied zwischen unserem und dem Antrag der Christdemokraten ist auch deutlich: Wir sagen, wir möchten das, was konkret machbar ist, hier vor Ort machen. Die CDU hat großes Vertrauen zum Bund. Dieses Vertrauen teilen weder die Grünen noch die SPD. Ich glaube, die letzten Jahre haben gezeigt, da die Probleme ja bekannt sind, dass wir auf bundeseinheitliche Regelungen ­ wahrscheinlich wie in vielen anderen Bereichen ­ noch lange warten müssen. Deswegen lassen Sie uns gemeinsam hier vor Ort das tun, was wir für die Menschen tun können. Ich bitte um die Unterstützung unseres Antrags. ­ Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD) Vizepräsidentin Dr. Mathes: Das Wort hat der Abgeordnete Timke.

Abg. Timke (BIW): Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Neben anderen kriminellen Bereichen unterliegt auch das Rotlichtmilieu einem ständigen Wandel. Zuhälter und Bordellbetreiber sind seit Jahren bemüht, ihr Image in der Gesellschaft aufzubessern und damit die kriminelle Schmuddelecke zu verlassen. Man ist darauf bedacht, nach außen einen Anschein der Legalität zu wahren, indem man die Bordelle als normalen Geschäftsbetrieb präsentiert.

Diese Strategie, meine Damen und Herren, hat ihre Wirkung nicht verfehlt, denn auch der Gesetzgeber hat mit seinem im Jahr 2002 geschaffenen Prostitutionsgesetz die Prostitution beziehungsweise die Bordellbetriebe als normalen Geschäftsbetrieb eingestuft.

Auch die Gerichte sind dieser Einschätzung gefolgt und haben mittlerweile mehrfach entschieden, dass das Verhältnis zwischen Prostituierten und ihren Zuhältern beziehungsweise Bordellbetreibern weitgehend einem regulären Beschäftigungsverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleicht, in dem Zuhälter jederzeit den Prostituierten Weisung erteilen können. Tatsächlich werden aber viele Etablissements eben nicht von seriösen Geschäftsleuten

72. Sitzung am 26.08.10 5483 betrieben, sondern oftmals von Kriminellen, die keinerlei soziale Verantwortung für die Prostituierten übernehmen und ausschließlich einem persönlichen Profit nachgehen. Diese Profitorientierung wird dann häufig mit Drohungen oder Anwendung von Gewalt durchgesetzt.

Das neue Prostitutionsgesetz hat also nicht den gewünschten Erfolg erzielt, nämlich einen besseren Schutz für die Prostituierten zu gewährleisten. Das Gegenteil ist eigentlich der Fall: Durch das Prostitutionsgesetz wurde die Rechtsposition der Bordellbetreiber und Zuhälter nachhaltig gestärkt und leider die der Prostituierten deutlich geschwächt. Das liegt unter anderem auch daran, dass das Prostitutionsgesetz keine positiven Regelungen bezüglich der Arbeitsbedingungen enthält, sondern allein auf den Abbau zivil- und strafrechtlicher Hürden abzielt.

Aber auch in einem anderen Bereich hat das Prostitutionsgesetz zu Hindernissen geführt. Seit der Einführung des Gesetzes haben die Ermittlungsbehörden immer größere Schwierigkeiten, Zwangsprostitution, Menschenhandel oder andere Verstöße zu erkennen und aufzuklären, denn sowohl die Polizei als auch das Gewerbeaufsichtsamt dürfen diese Betriebsstätten nur dann aufsuchen, wenn eine Gefahr bevorsteht oder Straftaten erkennbar sind. Nach seriösen Schätzungen gehen in Deutschland etwa 400 000 Frauen der Prostitution nach, wovon ungefähr 200 000 Frauen zwangsprostituiert werden. Das sind immerhin 50 Prozent. Würde man diese Prozentzahl jetzt auf das Bundesland Bremen übertragen, sähe es folgendermaßen aus: In der Stadt Bremen gibt es etwa 1000

Prostituierte, in Bremerhaven sind es etwa 180, wir müssten also davon ausgehen, dass sich im Land Bremen ungefähr 590 Frauen zwangsprostituieren.

Demgegenüber, und das sollte man hier nicht unerwähnt lassen, stehen aber nur 47 Ermittlungsverfahren im Bereich des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, die im Jahr 2009 in Bremen und Bremerhaven eingeleitet wurden. Diese erschreckend niedrige Zahl von Ermittlungsverfahren hat mehrere Gründe: Zum einen ist es dem Personalmangel bei der Polizei geschuldet. Erst im Februar dieses Jahres hat sich ein für den Menschenhandel zuständiger Polizeibeamter gegenüber Radio Bremen geäußert, dass sich der Personalmangel massiv auf seine Arbeit auswirkt. Ich zitiere aus dem Interview: Schuld daran ist unter anderem eine Polizeireform, in deren Folge Abteilungen zusammengelegt und umstrukturiert wurden, um Kosten zu sparen. Leider ist unsere personelle Situation so schlecht, dass wir seit längerem keine Aufklärung mehr betreiben können. Die Szene reagiert sofort darauf: Wenn es keine Kontrollen gibt, dann werden mehr Frauen geholt und zur Prostitution gezwungen.

Ein anderer Grund, warum es so wenige Ermittlungsverfahren im Bereich des Menschenhandels gibt, ist sicherlich der bereits erwähnten fehlenden Handhabe geschuldet, Bordell- und Modelwohnungen ohne konkreten Anlass kontrollieren zu können. Diese Gesetzeslücke muss geschlossen werden. Durch eine Änderung der gewerberechtlichen Bestimmungen müssen staatliche Behörden die Kontroll- und Zugangsrechte für Bordelle und Modelwohnungen erhalten, um einerseits Zwangsprostitution und Menschenhandel aufklären und andererseits Auflagen erteilen zu können, zum Beispiel im Bereich der Hygiene oder der Arbeitsbedingungen. Darauf zielen ja die beiden vorliegenden Anträge ab. Sie sind sinnvoll und werden deshalb auch von mir unterstützt.

Allerdings vermisse ich in diesen Anträgen die Aufforderung an den Senator für Inneres, die personellen und materiellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, um die Kontrollen dann auch zeitnah umsetzen zu können. Wir können ja nicht einerseits den staatlichen Behörden mehr Befugnisse zur Kontrolle von Bordellbetrieben und Modelwohnungen an die Hand geben und andererseits fragen, wo denn das Personal bleibt, um diese Befugnisse dann auch wirksam durchzusetzen und anzuwenden. Dann werden die Kontroll- und Zugangsrechte ein zahnloser Tiger, der den Zwangsprostituierten in keiner Weise hilft. ­ Vielen Dank!

Vizepräsidentin Dr. Mathes: Das Wort hat der Abgeordnete Tittmann.

Abg. Tittmann (parteilos): Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ehmke, das hat sich alles sehr gut angehört, was Sie da ausgeführt haben, zum Beispiel sollte die Kondompflicht eigentlich selbstverständlich sein.

Tatsache ist aber auch, dass viele Frauen und Mädchen dazu gezwungen werden, es ohne Kondome zu machen, weil damit mehr Geld zu verdienen ist.

Einige diesbezügliche Vorfälle in Bremen-Walle beweisen eindeutig, dass deutlich stärkere Kontrollen von Bordellbetreibern und sogenannten Modelwohnungen dringend erforderlich sind. Darüber hinaus gibt es in Bremen circa 300 Modelwohnungen, die wirklicher Kontrolle weitgehend entzogen sind, und die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Das ist ein nicht mehr hinnehmbarer Zustand, der umgehend beendet werden muss.

Tatsache ist aber auch, dass unzählige Frauen und Mädchen mit äußerst brutaler Gewalt und unzähligen Vergewaltigungen bestialisch dazu gezwungen werden, ihr Gewerbe in solchen Bordellen oder Modelwohnungen auszuüben. Beweisbare Zeugenaussagen sind, wenn überhaupt, nur sehr selten. Die Täter, die wie auch ihre Opfer meistens aus Osteuropa stammen, schüchtern die Frauen und Mädchen mit einer unvorstellbaren Brutalität dermaßen ein, dass fast keine Frau mehr dazu bereit ist, ihr eigenes Leben durch eine Aussage zu gefährden. Hinzu kommt noch, dass sehr viele Frauen, teilweise vielleicht sogar zu Recht, überhaupt kein Vertrauen mehr in unsere Justiz haben.