Vorfälle gegen Minderjährige in der Obhut/Betreuung von Jugendämtern

Am 22. September 2010 gegen 06.50 Uhr wurde eine 16-jährige Deutsche von einem Zeugen im Stadtpark, Südring, 22303 Hamburg, an einem Baum hängend tot aufgefunden. Hinweise auf ein Fremdverschulden hätten sich nicht ergeben.

Dem Mädchen wurde seit April 2010 Hilfe zur Erziehung nach § 34 SGB VIII gewährt. Zuständig war eine Hamburger Jugendhilfe-Einrichtung.

Wie der Senat auf unsere Schriftliche Kleine Anfrage (Drs. 19/7854) mitteilte, sei von der zuständigen Jugendhilfe-Einrichtung keine Vermisstenanzeige aufgegeben worden, „da das Mädchen zu dem Zeitpunkt, als die Einrichtung die Nachricht von ihrem Freitod erhielt, dort noch nicht vermisst wurde".

Wie der Senat auf eine weitere Anfrage (Drs. 19/7939) mitteilte, hätte das Mädchen um spätestens 23 Uhr in der Einrichtung sein müssen. Ab 24 Uhr werden normalerweise von Jugendhilfe-Einrichtungen Vermisstenanzeigen aufgegeben.

Eine weitere Anfrage (Drs. 19/8158) ergab nun, dass das Mädchen am 21. September 2010 abends um 23 Uhr in der Jugendhilfe-Einrichtung gewesen sei. Ein Anlass zur nächtlichen Anwesenheitsüberprüfung hätte nicht bestanden. Noch vor der üblichen „Aufstehkontrolle" ­ also dem Wecken ­ hätte dann die Einrichtung die telefonische Nachricht des Auffindens des Mädchens erreicht. Der Anruf sei um 9.15 Uhr gekommen.

Die sogenannte Aufstehkontrolle in der Einrichtung ­ so der Senat ­ erfolge individuell, entsprechend den jeweiligen Notwendigkeiten der betreuten jungen Menschen.

Das Mädchen hätte sich nachts aus der Einrichtung entfernt, über den Zeitpunkt und genaue Umstände sei nichts bekannt.

Aus den Senatsantworten auf unsere weitere Schriftliche Kleine Anfrage ­ Drs. 19/8240 ­ ergeben sich weitere Fragen.

Wir fragen den Senat:

1. In der Einrichtung sind nach Auskunft des Senats (Drs. 19/8240) sieben Fachkräfte tätig, sechs mit sozialpädagogischer und eine Fachkraft mit erzieherischer Qualifikation.

In der Nacht vom 21. auf den 22. September 2010 sei ab 23 Uhr, bis zum Eintreffen des Tagesdienstes am nächsten Morgen, eine erzieherische Fachkraft in der Einrichtung gewesen.

Welchen Berufs-/Ausbildungs- beziehungsweise Universitätsabschluss hatte die erzieherische Fachkraft, die in der Nacht vom 21. auf den 22. September 2010 in der Einrichtung tätig war?

Der Träger der Einrichtung hat der Stelle in der zuständigen Behörde mitgeteilt, dass die erzieherische Fachkraft 1999 einen Abschluss zum staatlich anerkannten Erzieher erworben sowie ein fünfsemestriges Studium der Sozialpädagogik (ohne Abschluss) absolviert hat.

2. Welche Bestimmungen über die Qualifikation für Personal insbesondere bei der Nachtbetreuung existieren für Wohngruppen und stationäre Einrichtungen der Jugendhilfe?

Die Qualifikation des in Wohngruppen oder anderen stationären Einrichtungen einzusetzenden Personals wird im Rahmen der Leistungsvereinbarungen nach § 78b SGB VIII festgelegt. Dazu hat die gemäß Hamburger Rahmenvertrag nach § 78f SGB VIII eingesetzte Vertragskommission einen Beschluss gefasst, wonach für das pädagogische Betreuungspersonal folgende Qualifikationen gelten: „Dipl. Sozialpädagoginnen/Dipl. Sozialpädagogen bzw. Dipl. Sozialarbeiterinnen/Dipl. Sozialarbeiter mit Fachhochschulabschluss/Hochschulabschluss und staatlicher Anerkennung bzw. Bachelor- oder Masterabschluss oder Fachpersonal in dieser Tätigkeit mit vergleichbarer Qualifikation (z.B. Diplompädagoginnen/Dipl. Pädagogen, Heilpädagoginnen/Heilpädagogen mit Fachhochschul-/Fachschulabschluss, Erzieher bzw. Erzieherinnen mit Fachschulabschluss und entsprechender Berufserfahrung und/oder Zusatzqualifikation).

Ein davon abweichender Einsatz mit einer anderweitigen Qualifikation bedarf der vorherigen Zustimmung seitens der Behörde, sofern eine Marge von 10 % des pädagogischen Betreuungspersonals überschritten wird."

3. Die Heimaufsicht der zuständigen Behörde hat für den zuständigen Träger im Zeitraum von Dezember 2005 bis zum 20. Dezember 2010 insgesamt 76 meldepflichtige besondere Vorkommnisse erfasst (Drs. 19/8240). Eine weitergehende Beantwortung der Fragen würde eine Einzelauswertung aller entsprechenden, überwiegend bereits archivierten Akten voraussetzen. Dieses konnte bislang nicht erfolgen, da die Hauptregistratur der Behörde in der Zeit vom 23. bis 30. Dezember 2010 personell nicht besetzt war. Daher fragen wir zu den 76 meldepflichtigen besonderen Vorkommnissen (erneut):

a. Wann haben sich diese jeweils ereignet?

b. Welcher Art waren die jeweiligen meldepflichtigen besonderen Vorkommnisse (Kategorie, gegebenenfalls Alter/Geschlecht der Opfer und Täter)?

Der Heimaufsicht der zuständigen Behörde wurden für den Träger im Zeitraum Dezember 2005 bis einschließlich 20. Dezember 2010 insgesamt die folgenden 76 meldepflichtigen besonderen Vorkommnisse zur Kenntnis gebracht: Lfd.