Integration

„Grund sind die im III. und IV. Quartal 2006 nicht mehr einhaltbaren Termine im politischen Prozess der Beauftragung des Investors (ADAMANTA). Auch wäre man dann nicht mehr innerhalb des Haushaltes der FHH für 2007, was weitere Probleme für die Finanzierung des Projektablaufs hervorrufen würde."

In der weiteren Entwicklung des Projekts haben sich die antizipierten Risiken beider Szenarien gegenüber dem ursprünglich verfolgten Ziel einer vollständig durchgeplanten Ausschreibung im August 2008 weitgehend bestätigt, wobei zum gegenwärtigen Stand der Ermittlungen über die mögliche Höhe der Mehrkosten im Falle einer späteren Ausschreibung noch keine belastbare Schätzung abgegeben werden kann.

Insofern sollen im Weiteren lediglich die tatsächlich eingetretenen Auswirkungen der unterlassenen Verschiebung der Ausschreibung dargestellt werden, wobei neben den direkten Folgen unvollständiger Entwurfsplanung auch deren indirekte Auswirkungen auf die spätere Integration der Investorenplanung betrachtet werden sollen.

1. Auswirkungen der unvollständigen Entwurfsplanung

Die Unvollständigkeit der Entwurfsplanung bestand einerseits in einer allgemeinen, in den Plänen bestehenden geringen Detailtiefe der später auszuführenden Massen und Mengen, andererseits aus der bewussten Entscheidung für den Verzicht auf die Planung einzelner Bereiche, wie z. B. der Szenografie zum Zeitpunkt der Ausschreibung.

a) Geringe Detailtiefe der Planung

Die geringe Detailtiefe der Planung führte in einigen Fällen zu Missverständnissen in Folge falscher Annahmen über die Einkaufspreise einzelner Gebäudeteile und damit zunächst zu Kostensteigerungen bei ADAMANTA: „Kein Mensch kann an diesen zwei Strichen erkennen, dass dort nachher ein Wandaufbau und eine flächendeckende Beleuchtung mit LED oder sonst was, mit tollster Technik, ist und alle diese Beleuchtungskörper nachher Handunikate sind."

Daneben erwiesen sich andere Gebäudeteile im Verlauf der Planungsdetaillierung gegenüber der ursprünglichen Entwurfsplanung als erheblich komplexer, in ihrer Planung zeitaufwendiger und damit als Ursache für Verzögerungen des Bauverlaufs anderer Bauteile, welche zu Mehrkosten auf der Baustelle führten, so z. B. die Schalldämpfung und die Klimatisierung des Konzertsaals: „Aber ich glaube, das hat der Planer in der Konsequenz, wie es jetzt umgesetzt werden musste, mit den Federn und mit den Komplikationen, niemals ­ und ich muss sagen, wir auch nicht ­ erkennen können. Das ist wirklich Hightech, dass da die 2300 Leute dann in einer gedämpften Schale sitzen, und diese Zugänglichkeit dieser Federn in Komplexität mit einer akustisch geräuschlosen Klimatisierung. Das ist also grenzwertig gewesen und das ist nicht abgebildet im Entwurf."

Drittens wurden im Verlauf der Konkretisierung der Planung durch den Generalplaner auch zusätzliche neue Ideen zur weiteren Steigerung der Gebäudeattraktivität eingebracht, welche jedoch ebenso bei ADAMANTA Mehrkosten zur Folge hatten: „Das hat HOCHTIEF total ausgenutzt, weil natürlich tatsächlich so viele Änderungen waren und so viele Dinge, die auch teilweise technisch wünschenswert, ideal waren, aber eigentlich gar nicht realitätsnah, weil die Architekten eben an jeder Stelle, an jeder Kachel, an jeder Ecke, jedem Handlauf sich verewigten."

Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass die in Teilen geringe Detailtiefe der Planung zu dem Umfang des eingetretenen Claim Managements wesentlich beigetragen hat, wie es auch die ReGe gegenüber der Stadt darstellte: „Demgegenüber liegen sehr starke finanzielle Risiken beim Baukonzern. Er hat nicht nur die Kostensenkungsrunde vor Vertragsschluss (minus 44 Mio.) sondern auch die Baukostensteigerungen (ca. 15% seit Vertragsangebot 15.09.2006) zu verkraften. Mir ist bekannt, dass konzernintern eine schwarze 2,5% als finanzielles Projektziel vorgegeben ist. Daraus ergibt sich enormer Druck seitens Hochtief auf den Bauherrn, jede sich bietende Möglichkeit zu nutzen, sich finanzielle Vorteile zu verschaffen und Risiken abzuwälzen."

Ob dieser Umstand der geringen Planungstiefe und seiner Auswirkungen für ein Claim Management durch ADAMANTA bereits vor Vertragsschluss erkannt und bei der Preisbildung berücksichtigt wurde oder ob diese Erkenntnis erst durch die spätere tatsächliche Entwicklung der Baukosten mit ihren Auswirkungen auf die Rentabilität des Projekts bei ADAMANTA entstanden ist, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden.

b) Kalkulationsbudgets für nicht durchgeplante Bereiche

Einige Bereiche, insbesondere die Szenografie, konnten aufgrund von weiterhin notwendigen Nutzerabstimmungen sowie eines Verzugs der Fachplaner675 zum Zeitpunkt der Planübergabe an die Bieter im August 2008 auch nicht unter Verzicht auf Details durchgeplant werden, sondern bedurften vielmehr weiterer grundlegender Planung.

Aus diesem Grund wurden für diese Bereiche Kosten geschätzt, die nach Ansicht des Projektsteuerers nicht durch Pläne oder Angebote der Fachplaner hinterlegt waren, wobei im Fall der Szenografie ein solches Angebot in Höhe von zunächst 12,0 Mio. im April 2006 dann in Höhe von 12,7 Mio. (inkl. Bestuhlung, die später in einem eigenen Budget abgebildet wurde), durch den Fachplaner vorlag. Zum Zeitpunkt der Ausschreibung wurde dieser Sachverhalt zunächst nicht berücksichtigt, sodass die Kosten der Szenografie auch nicht in den Gesamtkosten des Angebots vom 15. September 2006 enthalten waren. Im Rahmen der Verhandlungen über Kostensenkungen zwischen der ReGe und ADAMANTA ist die Szenografie dann mit einem Budget von 7,0 Mio. in die Angebotssumme vom 3. November 2006 neu aufgenommen worden. Im November 2007 lag seitens der ADAMANTA eine Kostenschätzung für diesen Bereich vor, die sich auf 17,9 Mio. belief, wobei die Mehrkosten seitens der ReGe sowohl auf Preissteigerungen als auch auf veränderte Nutzeranforderungen zurückgeführt wurden. Spätestens im April 2008 war in der Kulturbehörde die Entscheidung gefallen, dass das Budget von 7,0 Mio. um 9,2 Mio. (= 16,2 Mio. im Nachtrag 4) zu überschreiten sei, um die von Nutzerseite gewünschte Ausstattungsqualität sicherzustellen. 673 Lohr, Protokoll der Sitzung vom 4. November 2010, S. 11.

Ob diese Kostensteigerung vor dem Hintergrund der ursprünglichen Schätzung von 12,7 Mio. (inkl. Bestuhlung) vertretbar ist, lässt sich nach den bisherigen Ermittlungen noch nicht bewerten. Jedoch war gleichzeitig das im November 2006 eingestellte Budget von 7,0 Mio. für die Beteiligten erkennbar zu gering angesetzt. Daher ist nicht auszuschließen, dass die Einsetzung dieses seinerzeit ersichtlich zu niedrigen Budgets auch dem Ziel geschuldet war, den Entscheidungsträgern einen möglichst niedrigen „Pauschalfestpreis" präsentieren zu können.

2. Auswirkungen aus der Integration der Investorenplanung

Die Vergabeunterlagen bis einschließlich des Stadiums des zweiten indikativen Angebots sahen vor, dass der kommerzielle Mantel der Elbphilharmonie in das Eigentum des Investors übergehen sollte, sodass damit einhergehend auch die Planung dieser Bereiche hauptsächlich in der Verantwortung des Investors lag. Nach Umstellung der Vertragskonstruktion auf ein sog. Forfaitierungsmodell sollte hingegen die Stadt als Eigentümerin und Bauherrin des gesamten Gebäudes fungieren, wobei jedoch die Planungsleistung für den kommerziellen Mantel im Vertragswerk weiterhin dem Investor oblag und durch einen vorgegebenen Mindeststandard, insbesondere für den Hotelbereich, bestimmt wurde. Eine Verlagerung der Planungsverantwortung des kommerziellen Mantels auf die Stadt war wiederum nicht ohne Weiteres durchführbar, da die Anforderungen an diese Planung von verschiedenen zukünftigen Nutzern (Pächtern) formuliert werden sollten. Insofern ergab sich die Notwendigkeit einer Abstimmung der Planungen der Stadt mit den Plänen des Generalunternehmers, welche auch als „Integration der Investorenplanung" oder „Tektur" bezeichnet wurde.

Da die Pläne des Investors ursprünglich erst nach Vertragsschluss vorliegen sollten, sollte die Planungsarbeit erst hiernach durchgeführt werden. Gleichzeitig sah der Generalplaner jedoch vor, nach Fertigstellung der für die Ausschreibung notwendigen Pläne (Maßstab 1:200) bis Ende November 2006 eine sog. „Anschubplanung" und damit die Werkpläne der ersten Geschosse zu erstellen (Maßstab 1:50). Diese Anschubplanung stand jedoch unter der Bedingung, dass es seitens der Investoren keine Änderungswünsche an den mit der Ausschreibung versandten Plänen geben solle.

Dabei war den Beteiligten bewusst, dass diese Annahme zu späteren Terminrisiken führen könnte.

Dennoch wurde vertraglich für den Fall von Planungsänderungen nach Baubeginn zwischen der Stadt und ADAMANTA später vereinbart, dass zwar grundsätzlich die Kosten und das Terminrisiko jener Änderungen der ADAMANTA zuzurechnen waren, auch von ADAMANTA getragen werden sollten, jedoch als Ausnahmeregelung bei der Integration der Investorenplanung in die restliche Planung das Kosten- und Terminrisiko bei der Stadt lag.

Eine solche Situation wurde von den Beteiligten dennoch als wenig problematisch angesehen, da wegen der am Anfang der Bauphase durchzuführenden Arbeiten am Kaispeicher ein Zeitpuffer von bis zu einem Jahr für die Lieferung der abgestimmten Pläne geschätzt wurde. Diese optimistische Einschätzung des Planungszeitpuffers aufseiten der ReGe in Verbindung mit der einseitigen Zuweisung von Kosten- und Terminrisiken aus der Integration der Investorenplanung führte zu einer geringen Robustheit des Projekts gegenüber möglichen Planungsverzögerungen beim Generalplaner, obwohl zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus den Erfahrungen der Vormonate monatelange Planungsverzögerungen zumindest als wahrscheinlich eingeschätzt werden konnten.