Vertragskonzept ­ Pauschalfestpreis und funktionale Leistungsbeschreibung

Ob diese Möglichkeit überhaupt bestand, wurde noch nicht hinreichend untersucht. Es fehlt dazu zumindest die Zeugenaussage der Generalplaner, wie auch der Generalunternehmer. Denn deren Einverständnis setzte die Ausübung des Optionsrechts zur Übertragung der Verantwortung der Ausführungsplanung auf den Generalunternehmer und Durchführung in dessen Auftrag durch den Generalplaner voraus.

Fraglich erscheint zudem, ob in der Gestaltung des Optionsrechts, das zur Ausübung von der Zustimmung des Generalunternehmers und des Generalplaners abhängig war, eine vertragliche Schwäche vorlag, auf die externe Berater nicht hinwiesen.

II. Vertragskonzept ­ Pauschalfestpreis und funktionale Leistungsbeschreibung:

Der Gliederungspunkt II. des Abschnitts A. des 3. Berichtsteils ist teilweise weniger inhaltlich als sprachlich missglückt. Mögliche Missinterpretationen werden als Tatsachen deklariert. Zudem erscheint fraglich, inwiefern Fachbegriffe von befassten Abgeordneten der Bürgerschaft eigenverantwortlich zu entschlüsseln bzw. zu hinterfragen sind. Unterstellend wird hier eine Bringschuld zur Aufklärung unterstellt, wo möglicherweise eine Holschuld besteht. Der Begriff „Pauschalfestpreis" ist nicht suggestiv, sondern gängiger Begriff mit fester Definition. Der Berichtsteil wird wie folgt gefasst.

Der Leistungsvertrag Bau zwischen der Bau KG und der ADAMANTA bedient sich der Instrumentarien der funktionalen Leistungsbeschreibung und des Pauschalfestpreises.

Das sind in der Baupraxis übliche Gestaltungsvarianten. In der Kombination der beiden eilt ihnen der Ruf voraus, dass sie die Kostenthematik positiv beeinflussen können. Beide Instrumentarien bedingen sich. Mit der Leistungsbeschreibung wird das sog. Bausoll festgelegt. Die Definition des Bausolls ist sehr uneinheitlich, soll hier aber in dem Sinne verstanden werden, welche Leistungen der Unternehmer zum vertraglich vereinbarten Preis zu erbringen hat.

Der Preis bzw. die Vergütung stellt insofern die Gegenleistung des Bauherrn für die Erstellung dieses Bausolls durch den Bauunternehmer dar.

1. Bedeutung des Pauschalfestpreises:

Ein Pauschalfestpreis ist nur für das vertraglich festgelegte Bausoll ein „Festpreis".

Soweit sich nach Abschluss des Vertrags das Bausoll verändert, besteht für den Bauunternehmer eine Preisanpassungsmöglichkeit. Der Begriff „Pauschalfestpreis" ist ein Fachbegriff, der bei flüchtiger Rezeption und Unkenntnis mit „Festpreis" verwechselt werden kann. Der Begriff hat jedoch eine klar umrissene Bedeutung. Das vertragliche Bausoll kann sich entsprechend abweichend vom „Festpreis" beim „Pauschalfestpreis" auf verschiedene Art und Weisen ändern.

Die Pauschalität des vereinbarten Preises beruht darauf, dass der Bauunternehmer nicht einzelne ausgeführte Massen bzw. Mengen nach einem bestimmten Einheitspreis abrechnen kann, also z. B. nicht X m² Fassade zu Y pro m², sondern der Unternehmer das gesamte Gebäude und damit auch, um beim Beispiel zu bleiben, die gesamte Fassade zu einem pauschalen Preis schuldet. Auf den einzelnen Quadratmeter Fassadenfläche kommt es bei der Abrechnung nicht an.

Es bleibt festzuhalten, dass ein Pauschalfestpreis nur dann keine Änderung erfährt, wenn das vertraglich festgelegte Bausoll unverändert bleibt.

2. Bedeutung der funktionalen Leistungsbeschreibung:

Das vertragliche Bausoll sollte hier durch eine funktionale Leistungsbeschreibung und ein darauf basierendes funktionales Angebot des Investors festgelegt werden.

Der Bauherr hat im Rahmen der Ausschreibung und Vertragsgestaltung die Wahl, die Leistung funktional oder detailliert, z. B. durch Erstellung von Leistungsverzeichnissen mit einzelnen konkret benannten Leistungspositionen, zu beschreiben.

Die Funktionalität einer Beschreibung beruht auf der Idee, dass dem Bauunternehmer mit einer eher nur fließtextlichen Beschreibung bestimmte abstrakte Leistungsziele bzw. funktionale Erfolge vorgegeben werden, die er zu erreichen hat. Der Bauunternehmer soll auf Basis einer solchen Beschreibung selbständig die einzelnen Bauleistungen, die zum Erreichen der Erfolge notwendig sind, ermitteln und ausführen.

Durch diese Art der Leistungsbestimmung wird das Bausoll im Vergleich zu einer detaillierten Beschreibung mit Leistungsverzeichnissen unbestimmter und damit auch weiter. Damit wird es für den Bauunternehmer schwieriger, eine nachträgliche Preisanpassung zu erreichen. So die Theorie.

In der Praxis und so auch bei dem hier vorliegenden Leistungsvertrag Bau zeigt sich jedoch ein anderes Bild. Die Reinheit der Theorie lässt sich oftmals in der Praxis nicht umsetzen. Kaum ein Bauherr ist bereit, das von ihm ersonnene Gebäude rein funktional zu beschreiben. Das hätte zur Folge, dass der Bauunternehmer in Eigenregie wesentliche Planungsaufgaben in Form der Konkretisierung des vom Bauherrn nur funktional vorgegebenen Leistungsziels übernimmt. Damit würde der Bauunternehmer die Architektur und die Technik im Detail maßgeblich bestimmen. Gerade bei einem Gebäude mit dem Anspruch von „Weltarchitektur" und mit ganz bestimmten nutzerspezifischen Ausgestaltungen (Philharmonie) ist das nicht geeignet. Aus diesem Grund werden funktionale Ausschreibungen häufig mit Planungen der Architekten oder zumindest mit sog. Leitdetails hinterlegt.

Vorliegend bestehen die Ausschreibungsunterlagen aus über 40 Ordnern. Hier sind neben textlichen Ausführungen und Funktionalbeschreibungen auch Pläne und technische Grundlagengutachten enthalten. Das bedeutet, dass die Kalkulation und das funktionale Angebot des Investors auf diesen Plänen und Grundlagengutachten beruhen. Sie beeinflussen das Bausoll. Werden im Bauverlauf Änderungen zu diesen Plänen und Grundlagengutachten ersichtlich, ist fraglich, ob der vertraglich vereinbarte Preis anzupassen ist, da sich das vertragliche Bausoll als Äquivalent zu dem vereinbarten Preis geändert haben könnte.

Ob eine Preisanpassung vorzunehmen ist, hängt neben der baufachlichen Frage der Leistungsbeschreibung im Vertrag von dessen juristischer Ausgestaltung ab. Grundsätzlich kann nur eine Änderung des Bausolls Grundlage einer Nachtragsforderung sein. Die Prüfung, ob eine Änderung oder lediglich eine Konkretisierung des Bausolls vorliegt, orientiert sich zunächst an einer baufachlichen Inhaltsbestimmung. Bei der Elbphilharmonie war zu prüfen, was in den Ausschreibungsunterlagen aus über 40

Ordnern steht. Anschließend wäre in einem zweiten Schritt eine Nachtragsforderung juristisch zu prüfen. Nicht jede Bausolländerung berechtigt zur Nachforderung. Vielmehr kommt es auf den Vertrag an. Denn die Parteien können vereinbaren, dass der Auftragnehmer auch solche Mehrleistungen ohne Anspruch auf Mehrvergütung zu erbringen hat, die dadurch entstehen, dass der Auftraggeber nach Vertragsschluss die dem Vertrag zugrunde liegende Planung ändert.

Geschwächt werden kann die in der Theorie bestehende höhere Preisstabilität der funktionalen Idee durch die Praxis, dass der Generalplaner im Auftrag des Bauherrn die baubegleitende Ausführungsplanung übernommen hat. Es wurde bereits dargestellt, dass im Rahmen der Funktionalität einer Leistungsbestimmung der Bauunternehmer theoretisch die Planungsaufgaben zur konkreten Ausgestaltung der vorgegebenen Leistungserfolge übernehmen soll. Dazu bietet es sich an, die funktionale Ausschreibung auf Basis der Entwurfsplanung des Architekten vorzunehmen. In der Folge kann der Bauunternehmer mit „seinem" Architekten diese Planung in die Ausführungsplanung überführen und anhand der Leistungsziele in eigener Verantwortung fortschreiben.

Übernimmt der Architekt im Auftrag des Bauherrn die Ausführungsplanung, plant der Bauherr selbst und in eigener Verantwortung. Er füllt selbst die beschriebenen Leistungsziele aus. Dem Bauunternehmer wird im Ergebnis entgegen der eigentlichen Idee alles Maßgebliche vorgegeben. Hieraus resultiert die Gefahr, dass durch die seitens des Bauherrn veranlasste Fortentwicklung der Planung Diskussionen um Änderungen und Widersprüche zu der Beschreibung und Planung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entstehen. Zu klären ist im Einzelfall, ob es sich noch um eine Fortschreibung der ursprünglichen Planung unter Berücksichtigung der vereinbarten Funktion handelt oder ob bereits eine Änderung der Planung und damit eine Änderung des Bausolls vorliegt.

Die hier aufgezählten Durchbrechungen einer rein funktionalen Leistungsbeschreibung bzw. deren Umsetzung dürften bereits zum Vertragsschluss ersichtlich und damit als Risikopotenzial erkennbar gewesen sein. Fraglich ist wie von wem darauf hingewiesen wurde und wie mit dieser Risikoeinschätzung umgegangen wurde.

3. Zusammenfassung:

Zusammenfassend lässt sich Folgendes feststellen:

(1) Der Pauschalfestpreis ist nur für das vertraglich vereinbarte Bausoll ein Festpreis.

Änderungen des Bausolls führen zu einer Preisanpassung, wenn Mehr- oder Minderkosten bei der Bauausführung entstehen und keine vertragliche Abfederung vorgesehen ist.

(2) Das Bausoll wird durch die Leistungsbeschreibung bestimmt. Rein funktionale Ausschreibungen in der Kombination mit der Verpflichtung und der Möglichkeit des Bauunternehmers, die funktional bestimmten Ziele eigenständig auszufüllen, können in Kombination mit einem Pauschalfestpreis eine höhere Gewähr für eine Preisstabilität bieten.

(3) Das Bausoll bestimmt sich auch bei funktionalen Leistungsbestimmungen auf Grundlage der der Ausschreibung beigefügten Pläne und Grundlagengutachten.

Ergeben sich im Laufe der Baumaßnahme planerische Änderungen, die über eine reine Fortschreibung hinausgehen, oder Abweichungen von Annahmen aus den Grundlagengutachten, können sich das vertragliche Bausoll und damit der Preis ändern.

Vorliegend lagen vor Vertragsschluss mit ADAMANTA folgende potenziell das Bausoll ändernde Umstände vor:

(1) Die Planung des Gebäudes enthielt in Einzelheiten technische Neuerungen, die noch nie zuvor realisiert worden waren, wie z. B. die Fassade. Deshalb konnte nicht sichergestellt werden, dass technische Annahmen, die in die Leistungsbeschreibung Einzug hielten, bestätigt werden würden (z.B. Kühlung des Gebäudes). Diese Problemlage hätte jedoch auch bei einem konstruktiv beschriebenen Leistungsumfang auftreten können und bei dieser Alternative aufgrund der Detailtiefe immer zu einer Bausolländerung geführt.

(2) In Teilbereichen war die Entwurfsplanung durch den Generalplaner nicht vollständig hergestellt (z.B. Ausbau großer Konzertsaal und Szenografie). Fraglich ist, ob dies vom Generalplaner oder vom Bauherrn verschuldet wurde.

(3) Aufgrund der baubegleitenden Ausführungsplanung durch den Generalplaner im Verantwortungsbereich des Bauherrn konnte nicht ausreichend sichergestellt werden, dass die Ausführungsplanung nur die Entwurfsplanung fortschreibt und keine Änderungen hierzu vornimmt. Ob eine Alternative bestand, wäre noch zu untersuchen.