Kapitalmarkt

Die Sichtweise der Ratingagenturen auf die Banken sei kritisch. So habe es, wie auch bei der HSH Nordbank durch S&P, diverse Outlook-Verschlechterungen gegeben. Für die HSH Nordbank drohe sogar ein Downgrade, da die Bank im Vergleich zur Peergroup nach wie vor nicht marktgerecht kapitalisiert sei. Diese Unterkapitalisierung komme besonders stark in Kapitalmarktkrisen wie dieser zum Tragen. Fitch sehe daher beeinträchtigte Wachstumsmöglichkeiten. Neben der Unterkapitalisierung sähen die Ratingagenturen für die HSH Nordbank zusätzliche Kritikpunkte darin, dass die Erwartungen bezüglich der Steigerung der Profitabilität enttäuscht worden seien sowie in der nicht angemessenen Größe des CIP in Bezug zur Größe der Bank. Aus diesen Punkten müsse der Schluss gezogen werden, dass das Single-A-Rating in Gefahr sei und damit auch das Geschäftsmodell, das auf diesem Rating basiere.

Die Bank habe erste Gegenmaßnahmen eingeleitet und es müssten weitere, gerade in der Erarbeitung befindliche Aktivitäten folgen, um die Gefahr eines Downgrading zu verringern. Dazu gehörten im ersten Schritt die Optimierung der Kapitalposition und Reduzierung der Bewertungsrisiken, die konsequente Priorisierung des Neugeschäfts sowie die Optimierung der Kostenstruktur. Die im CIP gebundenen RWA sollten von derzeit 17 Mrd. EUR auf 8 bis 10 Mrd. EUR abgeschmolzen werden. Im Jahr 2008 sollten bereits 4 bis 5 Mrd. EUR umgesetzt werden. Die Umsetzung hänge allerdings von der Marktsituation ab.

Der PUA hat auch die Strafanzeige des Rechtsanwalts Dr. Gerhard Strate vom 31.03.2009 einschließlich ihrer Ergänzungen insbesondere vom 03.02.2010 und 21.03.2010 in seine Untersuchung einbezogen.

Darin zitiert er eine dem PUA nicht im Original vorliegende Vorstandsvorlage, um die Motivation der RWA-Transaktionen darzustellen: „Ausblick: Die RWA-Transaktionen dienten lediglich der Verbesserung der genannten Quoten zum Jahresultimo. Deshalb werden sich die höheren Quoten auch nicht in einer veränderten Wahrnehmung der Ratingagenturen über die HSH Nordbank niederschlagen. Als zwingendes Ziel verbleibt daher weiterhin dringlich eine Verbesserung der Kapitalquoten, um ein Downgrade und eine damit verbundene grundsätzliche Hinterfragung des Geschäftsmodells zu vermeiden."

(b) Zeugen des PUA

Die zu den RWA-Transaktionen der Bank im Allgemeinen durchgeführten Zeugenvernehmungen führen zu folgenden Feststellungen.

In seiner Vernehmung vom 30.04.2010 bekundete der ehemalige Vorstandsvorsitzende Berger auf die Frage, ob diese Transaktionen dazu gedient haben, zusätzliche Liquidität zu erhalten, dass die Transaktionen eine Reaktion darauf gewesen seien, dass die Bank im zweiten Halbjahr 2007 nicht wie geplant habe syndizieren und verbriefen können. Es handelte sich um eine Reaktion darauf, dass die Bank ihre Ziele nicht habe halten können.

Der Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Nonnenmacher nahm im Rahmen seiner zusammenhängenden Stellungnahme vom 05.02.2010 Stellung zu den RWA-Entlastungstransaktionen der Bank. Die HSH Nordbank habe 2007 im Rahmen der geltenden rechtlichen Regeln RWA-entlastende Transaktionen durchgeführt. Diese seien branchenüblich und aufsichtsrechtlich zulässig. Mit Einführung des Advanced Approach von Basel II im Jahre 2008 hätten RWA-Entlastungstransaktionen für die HSH Nordbank betriebswirtschaftlich keinen Sinn mehr ergeben. Die Bank hätte im Geschäftsjahr 2007 auch ohne RWA-Entlastungstransaktionen die aufsichtsrechtlich geforderte Mindestkapitalquote deutlich überschritten.

Auf Nachfrage nach den Gründen der RWA-Entlastungstransaktionen im Allgemeinen führte der Zeuge Prof. Dr. Nonnenmacher aus, dass eine Bank Risiken kaufe und gleichzeitig Risiken auch an den Kapitalmarkt weitergebe. Beispielsweise habe die Bank Immobilienrisiken aus ihrer Bilanz entfernen wollen, um Luft für Neugeschäft zu schaffen. Dann sei es ein probates Instrument, jemanden zu suchen, der diese Risiken kaufe oder gegen Ausfall versichere. Basel II habe für Banken ungeheure Veränderungen mit sich gebracht, weil nach Presseveröffentlichungen Basel II eine gewisse sogenannte Prozyklizität gezeigt habe. Gehe es der Wirtschaft gut, müsse eine Bank unter Basel II die Geschäfte mit wenig Eigenkapital unterlegen, und genau dann, wenn die Wirtschaft wegbreche, müsse sie dieselben Geschäfte mit mehr Kapital unterlegen. Daher habe das Regelwerk von Basel II und auch von IFRS eine beschleunigende Wirkung in der gesamten Finanzkrise gehabt.

Auf die Frage nach einer neuen Risikostrategie in diesem Zusammenhang führte der Zeuge Prof. Dr. Nonnenmacher aus, die Bank habe hier in relativ kurzer Zeit relativ viele RWA-Steuerungsmaßnahmen durchgeführt. Das Kreditersatzbuch sei „nach unten gegangen". Es handele sich aber um „ganz normale" RWA-Steuerungsmaßnahmen, die man als interne Steuerung typischerweise über ein ganzes Jahr betreibe.

Krisenbedingt hätten diese Transaktionen dann Ende 2007 stark kumuliert stattgefunden.

Hinzugekommen sei, dass mit dem Fall bestimmter Banken sich sämtliche Probleme des Subprime-Marktes plötzlich auf den gesamten Kapitalmarkt ausgeweitet hätten. In diese Diskussion sei auch die Bank Ende 2007 eingetreten. 471

Die Bank habe strukturelle RWA-Steuerungsmaßnahmen auch in den Vorjahren durchgeführt, in 2008 und 2009 aber keine neuen Maßnahmen aufgesetzt, weil regulatorisch gesehen kein Grund mehr dafür bestanden habe. Dies sei von den Verlusten zu trennen, die die Bank im Kreditersatzbuch gehabt habe, und da hätten Vorstand, Aufsichtsrat und alle Beteiligten um den Jahreswechsel 2007/2008 entschieden und eine Änderung der Risikostrategie herbeigeführt. Man habe aktiv entschieden, das Kreditersatzbuch signifikant „nach unten zu fahren."

Der Zeuge Prof. Dr. Nonnenmacher nahm ferner Bezug auf die Information des Aufsichtsrats über die RWA-Transaktionen in der Aufsichtsratssitzung vom 10.12.2007: „Und jetzt hatten Sie (...) zitiert, aus dem (...) Aufsichtsratsprotokoll am 10. Dezember im Aufsichtsrat. Und da hat man den Aufsichtsrat offensichtlich ­ aber dazu müsste ich das Protokoll sehen ­ auch darüber informiert, dass solche RWA-Steuerungsmaßnahmen stattfinden werden (...), diese RWA-Steuerungsmaßnahmen (...) das sind völlig legale Transaktionen, die gemacht worden sind (...). Das hat ja in dem Sinne nichts mit, ja, mit Risiken, so, wie man es vielleicht in der Allgemeinheit hier versteht, zu tun. Wir reden hier über 0,8 Prozent der Eigenmittelquote."

Auf die Frage nach der Wahrnehmung der RWA-Transaktionen durch die Aufsichtsbehörden bekundete der Zeuge Prof. Dr. Nonnenmacher, dass die BaFin diese Transaktionen abgefragt habe, die Bank habe ihre Transaktionen daraufhin offengelegt.

Dazu habe es zu verschiedenen Transaktionen Nachfragen gegeben, schließlich habe irgendwann die Bundesbankprüfung stattgefunden, die sich das Ganze „auch noch mal angeschaut" habe.

Der Zeuge Dr. van Gemmeren bekundete in seiner Vernehmung vom 11.06.2010 auf die Frage nach den Auswirkungen der RWA-Transaktionen auf die Liquiditätssituation der Bank, es habe einen Zusammenhang zwischen der Überschreitung der Limite einerseits und der Kapitalentlastung andererseits gegeben. Die RWA-Entlastungstransaktionen würden jedoch nicht die Liquiditätssituation entlasten.

Der Zeuge Dr. van Gemmeren erklärte: „Meiner Einschätzung nach hat das Thema Kapitalquoten des DSGV-Haftungsverbundes eine wesentliche Rolle für die Forcierung des Kapitalmanagements im 3. Quartal 2007 gespielt. Dabei war es nicht der alleinige treibende oder gar auslösende Faktor, hatte aber, sofern es dies bedurfte, verstärkenden Charakter. Denn die Gesamtkennziffer lief im 3. Quartal ernsthaft Gefahr, unter die Grenze von 9,3 Prozent zu fallen, welches den Status gelb im DSGV-Monitoring bedeutet hätte."

(c) Vernehmungen des Sachverständigen Dr. Emde am 05.03.2010, 28.05. und 31.08.

In seinen Vernehmungen am 05.03.2010, 28.05.2010 und 31.08.2010 bekundete der Sachverständige Dr. Emde zu den RWA-Entlastungstransaktionen der Bank Folgendes:

Ihr Zweck habe nicht darin bestanden, Positionen aus der Bilanz zu eliminieren.

Zweck und Effekt der Transaktionen sei gewesen, bestimmte Bilanzrisiken abzusichern und dadurch mehr Eigenkapital frei verfügbar zu machen, weil es vorhandenen Risiken nicht habe zugeordnet werden müssen. Dies sei aber ein Geschäftszusammenhang, der außerhalb einer bilanziellen Betrachtung liege.

Zur Motivation für die RWA-Transaktionen führte der Sachverständige Dr. Emde aus, dass diese aus aufsichtsrechtlicher Sicht nicht geboten gewesen seien. Die Erwartung des Kapitalmarkts, dass die Eigenmittel der Bank Ende 2007 nicht so stark in Anspruch genommen würden und es deswegen im Interesse der Bank gelegen habe, durch RWA-Entlastungstransaktionen die Inanspruchnahme der Eigenmittel zu reduzieren, sei für ihn eine nachvollziehbare Motivationslage.

Es sei nicht gewünscht gewesen, planwidrig mehr Risikoaktiva in den Büchern zu haben und damit mehr Eigenkapital zu binden, als zu Beginn des Jahres vorgesehen.

Die RWA-Transaktionen seien durchgeführt worden, um diesen unwillkommenen Effekt der bereits ausgebrochenen Krise zu kompensieren. Die Transaktionen seien aufsichtsrechtlich nicht geboten gewesen und hätten nach Wahrnehmung von BDO auch die Ratingagenturen nicht besonders beeindruckt.

Auf die Frage der Beschlussfassung zu diesen Transaktionen in den Gremien der Bank hat der Sachverständige Dr. Emde ausgeführt, dass es keinen förmlichen Beschluss des Gesamtvorstands gegeben habe, FIG-London mit den RWA-Entlastungstransaktionen zu beauftragen. Er habe zwar den Eindruck, dass sich der Gesamtvorstand mit der RWA-Entlastungsthematik in vielfältiger Hinsicht auseinandergesetzt habe, die Veranlassung der Geschäfte aber eher verschiedenen Ressortvorständen zuzuordnen sei, die von den RWA-Entlastungen tendenziell für ihre Ressorts hätten profitieren können.

Bilanzauswirkungen dieser Transaktionen verneinte der Sachverständige.

Zur Verantwortlichkeit der handelnden Personen in der Bank im Zusammenhang mit RWA-Transaktionen führte er aus, es hätte nahegelegen, vorsichtiger zu agieren. Es müsse aber konzediert werden, dass im Markt unter den professionellen Marktteilnehmern bis zum Jahre 2007 die Einschätzung vorherrschte, es handele sich um vorübergehende Krisenphänomene. In Ansehung dieses Umstands erschien es dem Sachverständigen Dr. Emde aus der Sicht des Vorstandes unternehmerisch noch vertretbar zu der Einschätzung zu gelangen.