Risikoausschussvorlage

Zur Risikoausschusssitzung am 13.02.2008 wurde über St. Pancras berichtet, da es im Berichtszeitraum die größte Einzeltransaktion war.

Hatten die Entscheidungsvorlagen für den Vorstand noch dargestellt, dass die Due Diligence nicht den Standards der HSH Nordbank entspreche, auf den Zahlen der Hypo Real Estate beruhe und das anfänglich zugrunde gelegte AAA-Rating nicht erreichen werde beziehungsweise sich noch verschlechtern könne, wird in der Erläuterung zum Risikoausschussantrag formuliert: „(...) die HSH-Nordbank [hat] jeden einzelnen Kredit (...) detailliert analysiert und der Aufnahme jeden einzelnen Kredites in das Referenzportfolio zugestimmt."

Während der Änderungsantrag zur Entscheidungsvorlage noch mit dem Verlust des 20%igen Sicherheitsaufschlages und der damit einhergehenden Risikoerhöhung begründet wurde,593 erklärt die Risikoausschussvorlage hierzu, dass dieses „First-LossPiece" zur weiteren Reduzierung des Risikos vereinbart worden sei.

Die der Vorlage angefügte Liste des Portfolios ist mit derjenigen des Änderungsantrages identisch.

Ein Hinweis auf eine zwischenzeitliche Neubewertung findet sich nicht.

(gg) Vertrag über den CDS zwischen HSH und Ranadon596

Im Vertragswerk des CDS ist das sogenannte Regulatory Event, das „Regulatorische Ereignis" definiert worden, das dazu berechtigte, vor Ablauf einer Kündigungsfrist und nach Einhaltung einer Vorankündigungsfrist den Vertrag zu beenden („optional termination").

Hierdurch wurde ­ vereinfacht dargestellt­ eine Kündigung bei Rechtsänderungen aller Art ermöglicht. Ausdrücklich genannt worden sind Rechtsänderungen, die mit der Tätigkeit des Basel Committee on Banking Supervision oder der daraus folgenden innerstaatlichen Umsetzung in Zusammenhang standen. Klarstellend ist ausdrücklich festgehalten worden, dass es für die Berechtigung zur Kündigung unerheblich sei, dass die Rechtsänderungen bei Abschluss des Vertrages bereits bekannt waren.

Daher war für die Kündigungsmöglichkeit auch ohne Bedeutung, dass die HSH Nordbank bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit den Änderungen vertraut war, die mit Basel II einhergingen. Ausweislich des Geschäftsberichts der HSH Nordbank für das Geschäftsjahr 2007 hatte diese nämlich nicht nur die Voraussetzungen für Meldungen nach Basel II in der Option „Standardansatz" für operationelle Risiken hergestellt, sondern schon im November 2007 die Zulassung zur Anwendung des über den Standardsatz hinausgehenden Ansatzes im Rahmen von Basel II ­ beginnend mit dem Jahr 2008 ­ erreicht.

Der Geschäftsbericht 2007 der HSH führt dazu aus: „Damit verwendet die Bank für die regulatorische Meldung die gleichen Parameter, die bereits intern in der Risikosteuerung und im Ausfallrisikomanagement Anwendung finden, und nutzt die damit verbundenen Eigenkapitalentlastungen."

Im November 2007 war also bereits HSH-intern die Ermittlung der Eigenkapitalbelastung nach Basel II erfolgt. Ausstehend waren lediglich die „wenigen Restarbeiten", die im Berichtsjahr 2007 abgeschlossen worden sind. Festlegung des Käufers [gemeint ist: HSH Nordbank AG], aus Gründen, die außerhalb der Kontrolle des Käufers liegen, und nach Ergreifen angemessener Maßnahmen (ohne Maßnahmen, die den Einsatz nennenswerter Zahlungen, oder Kapital oder anderer Aufwendungen von dem Käufer oder dem Verkäufer erfordern) i) der Käufer und/oder der Verkäufer materiellrechtlich daran gehindert ist, irgendeine seiner Verpflichtungen aus den Ranadon Credit Linked Notes zu erfüllen oder ii) der Käufer (aufgrund freiwilliger Verpflichtung oder durch anwendbares Recht) weniger vorteilhaften Eigenkapital-Vorschriften ausgesetzt ist im Hinblick auf diese Transaktion, das Referenzportfolio (unter Berücksichtigung aller Erleichterungen dieser Transaktion) und/oder die Höhe des freigesetzten Eigenkapitals in Bezug auf irgendeinen Kredit aus dem Referenzportfolio, eingeschlossen die Reduzierung von risikobelastenden Faktoren für diesen Referenzkredit, im Vergleich zu der Situation die bei Vertragsbeginn, direkt nach Ausgabe der Ranadon Credit Linked Notes vorlag."(Hervorhebungen nur hier)

Die Beendigung der St.-Pancras-Transaktion ist gleichwohl am 30.01.2008 durch E-Mail des Geschäftspartners Hypo Real Estate eingeleitet worden. Hiermit hat sie formell ihre Kündigungsabsicht angezeigt.

Unter dem 15.04.2008 ist schließlich zwischen den Beteiligten die Beendigung der Transaktion vereinbart worden.

Weder in der Beendigungsvereinbarung noch anhand der von der Hypo Real Estate gesandten E-Mail oder aus anderen dem PUA vorgelegten Unterlagen lässt sich erkennen, ob die Voraussetzungen einer Kündigung aufgrund eines Regulatory Events vorgelegen haben oder geprüft worden sind.

(b) Vernehmungen des Zeugen Prof. Dr. Nonnenmacher am 05.02.2010 und 19.02.

In seinen Vernehmungen am 05.02.2010 und 19.02.2010 beschrieb der Zeuge Prof. Dr. Nonnenmacher das Geschäft unmittelbar nach ersten Presseveröffentlichungen hierzu Anfang Februar 2010 wie folgt:

Die HSH Nordbank AG habe im Rahmen einer Verbriefungstransaktion, Projekt St. Pancras, ein Immobilienportfolio mit einem Nominalvolumen von circa 3,46 Milliarden USD abgesichert. Die Transaktion sei gemeinsam mit einer anderen Bank geplant und umgesetzt worden. Auch der Geschäftspartner habe im Rahmen dieser Transaktion ein Immobilienkreditportfolio mit einem Nominalvolumen von 3,45 Milliarden USD abgesichert. Es seien lediglich Risiken synthetisch wechselseitig abgesichert worden.

Die jeweiligen Forderungen seien beim jeweiligen Institut verblieben.

Die Einschaltung von Zweckgesellschaften sei bei derartigen Verbriefungstransaktionen üblich und zur synthetischen Risikoübertragung notwendig. Der Abschluss gegenläufiger Geschäfte sei nicht unüblich und aufsichtsrechtlich unbedenklich.

Der bezüglich der Transaktion geäußerte Vorwurf der Bilanzfälschung sei absurd. Es liege für jedes Geschäftsjahr ein uneingeschränktes Testat durch Wirtschaftsprüfer vor.

Unter den damals gültigen Basel-I-Vorgaben seien RWA-Entlastungstransaktionen branchenüblich und aufsichtsrechtlich zulässig gewesen.

BDO habe bestätigt, dass sich das gesamte Geschäft im Rahmen des Aufsichtsrechts bewegt habe.

Wegen der Umstellung von Basel I für 2007 auf Basel II für 2008 sei die beiderseitige Kündigungsmöglichkeit für den Fall vorgesehen worden, dass die Transaktion unter

Schreiben HSH Nordbank vom 21.12.2007, S. 6, in englischer Sprache, PUA0352, Bl. 12 ­ 12R.

Anlage 1 zur Strafanzeige von Rechtsanwalt Dr. Strate vom 03.02.2010, PUA0903, Bl. 12.

Termination Agreement vom 15.04.2008, PUA0353, Bl. 486 ff. Danach sei 2008 verfahren worden.

Die Bank sei sich der anstehenden Basel-II-Umstellung bewusst gewesen. Die HSH Nordbank sei die erste Landesbank und eine der ersten Banken überhaupt gewesen, denen der sogenannte Advanced Approach nach Basel II von den Aufsichtsbehörden erteilt worden sei. Es sei damals nicht klar gewesen, welche Auswirkungen Basel II auf die regulatorische Seite für die Bank haben würde. Die Erwartungshaltung sei gewesen, dass Basel II durch die Anerkennung der ganzen Ratingsysteme der Bank eine Entlastung geben würde. Die Höhe der Entlastung habe aber zu dieser Zeit niemand gekannt.

Die Bank habe St. Pancras um den 20. Dezember durchgeführt. Die erste Basel-II-Meldung sei am 31. März 2008 erfolgt. Das ergebe sich aus dem Risikobericht des 1. Quartals 2008.

(c) Vernehmungen des Sachverständigen Dr. Emde am 05.03.2010, 28.05. und 31.08.

In seinen Vernehmungen am 05.03.2010, 28.05.2010 und 31.08.2010 wies der Sachverständige darauf hin, dass er sich mit diesem Geschäft nicht intensiv beschäftigt habe, weil es sich aus Sicht der Bank um keinen wesentlichen Kostenfaktor gehandelt habe.

Er hat dazu weiter ausgeführt, dass er sich die Transaktion daraufhin angesehen habe, ob sie zu einem Schaden geführt habe. Einen solchen habe er aber nicht festgestellt.

Die Bank habe die Eigenkapitalentlastungstransaktionen im Herbst 2007 in Gang gesetzt, nachdem sie erkannt gehabt habe, zu viele Risiken auf ihre Bücher genommen zu haben, weil Kredite, die ausplatziert, syndiziert, werden sollten, nicht mehr haben syndiziert werden können. Deswegen sei das Eigenkapital durch die große Zahl der Risikoaktiva stärker ausgelastet worden, als das der eigenen Planung entsprochen habe.

Zur Meldung der Transaktion an die Aufsichtsbehörde hat der Sachverständige ausgeführt, die St.-Pancras-Transaktion sei genau wie die anderen Jahresabschlusstransaktionen der BaFin gemeldet worden. Ob diese Transaktionen „genauso minimalistisch" gemeldet worden seien wie Omega, wisse er nicht. Er nehme an, dass dieses Thema bei St. Pancras vermutlich eher nicht bestanden habe, weil die Transaktion einen konventionelleren Charakter gehabt habe.

Aus heutiger Sicht sei das St.-Pancras-Geschäft nicht notwendig gewesen, weder als RWA-Entlastungstransaktion noch aufsichtsrechtlich. Dies habe man in der Bank seinerzeit möglicherweise anders beurteilt.

(d) Zusammenfassende Bewertung

Nach den übereinstimmenden Erkenntnissen aus den dargestellten Urkunden und den Aussagen von Zeugen und Sachverständigen handelte es sich bei dem Geschäft St. Pancras um eine RWA-Entlastungstransaktion zum Jahresende 2007. Das Geschäft war Teil eines Bündels von Geschäften, mit denen die HSH Nordbank Ende 2007 das Ziel verfolgte, ihre Risikoaktiva zu entlasten.

Für den PUA hat das Geschäft jedoch ­ anders als Omega 55 ­ geringere über die RWA-Problematik hinausgehende Relevanz, weil sich weder aus den Urkunden noch aus anderen Beweismitteln ergeben hat, dass dieses Geschäft eine eigenständige negative Auswirkung auf die Krise der HSH Nordbank gehabt hat, die Auslöser für die Untersuchung gewesen ist. Die HSH Nordbank lieferte zu dieser Transaktion zunächst keinerlei Unterlagen.