Definition des Ziels der Kapitalmarktfähigkeit

Mit der Definition des Ziels der Kapitalmarktfähigkeit ging das Ziel einher, sich am Kapitalmarkt refinanzieren zu können und für private Investoren interessant zu werden. Schließlich sollte die Bank an die Börse geführt werden, um den Kapitalmarkt zur Beschaffung von Eigenkapital nutzen zu können und um die Eigenkapitalbasis der Bank zu erweitern. Hiermit waren die Grundlagen der Geschäfts- und Risikostrategieentwicklung vorgegeben.

Die Vorstandsmitglieder machten deutlich, dass ihre konkrete geschäfts- und risikostrategische Planung sich an dieser Maßgabe zu orientieren hatte und sie mithin diese Vorgaben in der konkreten strategischen Planung der Bank zu berücksichtigen hatten.

Insbesondere das Ziel der Kapitalmarktfähigkeit mit den daraus resultierenden Anforderungen an die Rentabilität und die Internationalisierung der geschäftlichen Aktivitäten der HSH Nordbank waren hierbei Kernelemente. Diese haben die weiteren Risikostrategien ­ wie in der Folge zu zeigen sein wird ­ maßgeblich beeinflusst.

b. Geschäfts- und Risikostrategie nach der Fusion

Im Folgenden wird die Risikostrategie der HSH Nordbank von der Fusion bis zum strategischen Neuanfang dargestellt. In dieser Phase waren die Risikostrategien der HSH Nordbank weitgehend von den bei der Fusion festgelegten Zielen Kapitalmarktfähigkeit und Internationalisierung geprägt. Diese Phase endete mit dem „Programm Wetterfest", gefolgt von der kurz darauf folgenden sogenannten Strategischen Neuausrichtung. Diese stellt einerseits eine Zäsur in der strategischen Entwicklung der Bank dar. Andererseits verdeutlicht sie eine zumindest vorübergehende Abkehr von den Prämissen der Fusion.

aa. Urkunden

Die sich aus den vorliegenden Urkunden ergebenden Tatsachenfeststellungen und Bewertungen zur Geschäfts- und Risikostrategie nach der Fusion sollen mit folgender bemerkenswerter Feststellung der Prüfungsgesellschaft KPMG zum Strategieprozess eingeleitet werden: „Die Beschlüsse zur Umsetzung der Gesamtbankstrategie wurden nach den uns erteilten Auskünften in mehren Fällen in Vorstandsworkshops final entschieden, die regelmäßig nicht protokolliert wurden. Darüber hinaus gewannen wir den Eindruck, dass oftmals die in den Vorstandssitzungen getroffenen Entscheidungen nicht eindeutig nachvollziehbar waren. Die für unseren Untersuchungsgegenstand relevanten Entscheidungen wurden in den Protokollen häufig nicht konkretisiert und sehr allgemein, knapp und unklar dokumentiert. In dem Umstand, dass wesentliche Vorstandsentscheidungen, unter anderem auch solche zur Umsetzung der Gesamtbankstrategie soweit sie unseren Untersuchungsgegenstand betreffen - nicht beziehungsweise nicht nachvollziehbar dokumentiert wurden, sehen wir einen Verstoß gegen die Mindestanforderungen an das Risikomanagement."

Dieser von den Abschlussprüfern konstatierte Dokumentationsmangel hat vom Untersuchungsausschuss schon wegen der Unvollständigkeit der dem Ausschuss von der Bank bis zum vorzeitigen Abbruch der Untersuchung vorgelegten Unterlagen nicht vollen Umfangs nachvollzogen werden können. Zahlreiche vom Ausschuss bei der Bank angeforderte Unterlagen lagen bis zur Beendigung der Aufklärungsarbeit nicht vor. Die nachfolgende Analyse kann sich daher maßgeblich nur auf die vorliegenden, unvollständigen Unterlagen der Bank zur Risikostrategie stützen.

(1) Geschäfts- und Risikostrategie 2003

Im Anschluss an die Fusion ihrer Vorgängerinstitute hat die HSH Nordbank nach eigener Darstellung einen umfangreichen Strategieprozess durchgeführt.

Nach Einschätzung der Bank knüpfte die Gesamtbankstrategie an die bestehenden Strategien der Vorgängerinstitute an. Im Mittelpunkt stand die Weiterentwicklung der Strategien der Kompetenzzentren als Basis für die strategische Ausrichtung der Kundenbank bis 2006. Die neue Strategie stand unter dem Eindruck des bevorstehenden Wegfalls der KPMG-Bericht.

Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung.

Ansatzpunkte der neuen Strategie waren Qualitätswachstum und aktives Kapitalmanagement.

Weitere Rahmenbedingung der strategischen Planung war die Initiative Kapitalmarktfähigkeit. Die HSH Nordbank sollte sich vom „Loan Originator" hin zum „Asset Manager" entwickeln.

Zielvorgaben der neuen Strategie war die Sicherung des Ratings A+, die Verdopplung der ACE-Quote974 bis 2006 auf 5,0 %, die Steigerung der Eigenkapitalrentabilität (Return on Equity ­ RoE) von 11 % auf 17 % bis 2006 und die Senkung der CostIncome-Ratio975 bis 2006 auf unter 35 %. Dies sollte durch die optimale Nutzung des vorhandenen Eigenkapitals, die weitere Optimierung der Kapitalausstattung und durch die aktive Gestaltung der Risikoposition der Bank erreicht werden. Reserven § 340 g) Diagramm: Planung der Eigenkapitalrenditeentwicklung

Die einzelnen Leiter der Kompetenzcenter der Bank entwickelten für ihre jeweiligen Geschäftsbereiche Strategien, die seitens des Vorstandes in einer Gesamtstrategie zusammengeführt und genehmigt wurden. Auf der Grundlage dieser Gesamtbankstrategie wurde durch den Vorstand die Zusammenlegung der Kompetenzcenter Portfolio Management und Credit Investments zum neuen Kompetenzzentrum Portfolio Management and Investments (PMI) am 11.11.2003 beschlossen.

Als „Loan Originator" wird eine Bank bezeichnet, deren Hauptgeschäftsfeld die Vergabe von Krediten ist.

Als „Asset-Manager" wird eine Bank bezeichnet, die den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf die Verwaltung von Anlagen legt.

Das Rating A+ ist eine Ratingstufe, die aus der Ratingtabelle von Standard & Poors herrührt.

Sie wird im Zusammenhang mit der Langzeitbetrachtung verwendet.

ACE-Quote= dauerhaftes Eigenkapital, d.h. ohne Zahlungsverpflichtungen im Verhältnis zur Risikoaktiva, vgl. Initiative Kapitalmarktfähigkeit, Tischvorlage zu TOP 5 der Aufsichtsratssitzung vom 17.12.2003, PUA0004, Bl. 108.

Cost-Income-Ratio: Mit der Cost-Income-Ratio ist eine Größe mit der die Effizienz der Bank gemessen wird. Sie wird aus dem Verhältnis des Verwaltungsaufwands zu den Erträgen ermittelt. Wesentliche Aspekte der Gesamtbankstrategie im Kreditbereich war die Verstärkung einer „Buy-and-Sell-Strategie", bei dem mit Kreditgeschäft belegtes Eigenkapital durch Portfoliomanagementtransaktionen freigesetzt werden sollte, beispielsweise durch Verbriefung von einzelnen Kreditportfolien oder durch Syndizierung von Krediten.

Auch im Bereich der Credit Investments erfolgte der strategische Übergang von einer sogenannten Buy-and-Hold-Strategie zu einer sogenannten Buy-and-Sell-Strategie,979 was sich in die strategische Vorgabe einer Ertragssteigerung durch die Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit der Portfolien fügte. Konkretisierungen der das CIP betreffenden Strategie waren für die Abschlussprüfer des Geschäftsjahres 2008 (KPMG) ebenso wenig ersichtlich,980 wie aus den sonstigen Unterlagen des Untersuchungsausschusses.

Die Strategie hinsichtlich des Kompetenzcenters Portfolio Management and Investment (PMI) sah diversifikationsgetriebene Investitionen in eigenkapitalschonende Investitionen in „AAA/AA-Transaktionen über Conduit/SIV" vor. Hierbei handelt es sich um Investitionen, die über Zweckgesellschaften vorgenommen werden.

Hintergrund dieser Strategie ist, dass solche Investitionen bis zum Inkrafttreten der Basel-II-Regelungen nicht mit Eigenkapital zu unterlegen waren und daher einen Wachstum der Investitionsaktivitäten erlaubten, ohne dass insoweit Eigenkapitalressourcen zur Verfügung gestellt werden mussten. Ferner wurden als strategisches Ziel die Investitionen in „A/BBB-Transaktionen" sowie aktives Management eines „Sub-InvestmentGrade-Portfolios" formuliert.

Konkrete Daten hinsichtlich der geplanten Struktur und Entwicklung des Credit-Investment-Portfolios beziehungsweise des Kreditersatzgeschäftes konnten den dem Ausschuss vorliegenden Unterlagen nicht entnommen werden.

Die strategische Planung erschöpft sich auf die Bestimmung der AssetKlassen, in denen investiert werden sollte.

(2) Geschäfts- und Risikostrategie 2004

Die strategische Planung für das Jahr 2004 stand ebenfalls unter dem Eindruck des bevorstehenden Wegfalls der Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung und orientierte sich an den Kriterien der Kapitalmärkte. Die Gesamtbankstrategie für 2004 war daher durch das Handlungsprogramm Kapitalmarktfähigkeit geprägt, wobei an dem Ziel, die Kapitalmarktfähigkeit im Jahr 2006 zu erreichen, festgehalten wurde. Mit der strategisch festgelegten Ausrichtung der HSH Nordbank auf die Erlangung der Kapitalmarktfähigkeit war das Ziel verbunden, die Kapitalbasis der Bank zu stärken.

Angestrebt war die Erreichung einer Kernkapitalquote von mindestens 7 %.

Zur Erreichung dieses Zieles heißt es wörtlich: „Da weder das Kapital beliebig erhöht noch die Kapitalstruktur beliebig verändert werden kann, soll das Geschäftsvolumen weniger stark als in der Vergangenheit wachsen."

Die Erhöhung des Kernkapitals sollte vor allem durch Thesaurierung von Gewinnen und durch die Umwandlung von stillen Einlagen in Eigenkapital erfolgen.