Kreditinstitut

Verfügbarkeit kaum noch die Mindesterfordernisse der Bank erfüllte.

Im KPMG-Gutachten wird hierzu weiter wie folgt festgestellt: „Refinanzierungsmöglichkeiten bei Notenbanken waren weitgehend ausgeschöpft. Bis zu diesem Zeitpunkt war auch die Neukreditvergabe der Bank auf unvermeidliche Maßnahmen bei Schlüsselkundenbeziehungen reduziert worden. Ab Anfang Oktober 2008 war die Bank verpflichtet, der BaFin und der Bundesbank täglich über die Liquiditätslage zu berichten. Mit Schreiben vom 06. November 2008 beantragte die HSH Nordbank beim SoFFin eine Stabilisierungsmaßnahme in Form von Garantien gemäß § 6 FMStG in Höhe von 30 Mrd. EUR. In dieser Phase kamen konkrete Informationen über eine mögliche Herabstufung des externen Ratings hinzu."

Nachfolgend ist zunächst darzustellen, was unter einer bedrohlichen Liquiditätslage zu verstehen ist. Sodann folgt ein Hinweis auf den normativen Hintergrund. Anschließend wird erörtert, wann der Umstand einer bedrohlichen Liquiditätslage dem Vorstand bewusst geworden ist. Hierfür wird die Liquiditätsentwicklung für die beiden relevanten Jahre 2007 und 2008 anhand der Risikoberichte chronologisch nachgezeichnet. Abschließend wird dargestellt, welche Reaktion beziehungsweise Maßnahmen Vorstand und Aufsichtsrat hinsichtlich der bedrohlichen Liquiditätslage beschlossen haben.

1. Begriffsklärung und normativer Hintergrund

a. Klärung des Begriffs „bedrohliche Liquiditätslage"

Unter der Liquiditätslage wird nachfolgend die Lage in Bezug auf das Liquiditätsrisiko verstanden. Liquiditätsrisiken beschreiben die Gefahr, dass das Kreditinstitut seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann. Kurzfristige Liquiditätsrisiken bestehen, wenn die Zahlungsverpflichtungen zum jeweiligen Fälligkeitstermin nicht erfüllt werden können. Hierbei sind neben den tatsächlichen Zahlungsmitteln auch die Linien gegenüber Kontrahenten zu berücksichtigen, ebenso die freien Offenmarktkontingente. Mittel- bis langfristige Liquiditätsrisiken bestehen, wenn Gelder nicht in der geplanten Fristigkeit aufgenommen werden können. Durch das eigene Rating wird erheblich mitbestimmt, in welchem Umfang und insbesondere zu welchen Preisen liquide Mittel nicht nur am Geldmarkt, sondern auch am Kapitalmarkt beschafft werden können.

Die HSH Nordbank unterteilte ihr Liquiditätsrisiko in Zahlungsunfähigkeitsrisiko und Liquiditätsfristentransformationsrisiko (LFT-Risiko). Das Zahlungsunfähigkeitsrisiko bezeichnete die Gefahr, eigene fällige Zahlungsverpflichtungen oder Refinanzierungsbedürfnisse nicht oder nicht in dem gewünschten Umfang erfüllen zu können. Das LFT-Risiko beschrieb das Risiko, dass sich aus den abweichenden Konditionsbindungsfristen der Aktiva und Passiva, der sogenannten LFT-Position, und der Änderung des eigenen Refinanzierungsaufschlags ein unerwarteter Verlust ergab.

Als bedrohlich wird ein Liquiditätsrisiko dann einzustufen sein, wenn es geeignet ist, im Sinne des § 29 Absatz 3 Satz 1 KWG den Bestand der Bank zu gefährden oder ihre Entwicklung zumindest wesentlich zu beeinträchtigen. Ein solcher Fall ist bei der HSH Nordbank konkret am 19.11.2008 eingetreten. Die Prüfungsgesellschaft KPMG hat der BaFin am 19.11.2008 gemäß § 29 Absatz 3 Satz 1 KWG angezeigt, dass ihr bei der Prüfung Tatsachen hinsichtlich der Liquiditätslage bekannt geworden sind, die den Bestand des Instituts gefährden können. Im KPMG-Gutachten wird aus dem Schreiben an die BaFin wörtlich wie folgt zitiert: „Die uns zugänglichen Informationen über die Liquiditätslage der HSH Nordbank AG deuten mit dem heutigen Tag auf eine Konstellation hin, bei deren Eintreten die Zahlungsfähigkeit der Bank mit dem Verlauf der kommenden Woche gefährdet sein könnte. Dies gilt selbst bei Ausschöpfung aller Handlungsmöglichkeiten, über die die Bank ohne Zuhilfenahme Dritter in der zur Verfügung stehenden Zeit verfügt."

Von diesem Umstand wurden von der KPMG zeitgleich auch Vorstand und Aufsichtsrat der HSH Nordbank in Kenntnis gesetzt.

b. Normativer Hintergrund

Hinsichtlich des normativen Hintergrunds ist die Solvabilitätsverordnung und MaRisk BTR 3 einschlägig.

2. Gefahr einer bedrohlichen Liquiditätslage/Maßnahmen

Eine bedrohliche Liquiditätslage ergab sich in der Historie der HSH Nordbank zunächst Ende 2007 und sodann Ende 2008. Die nachfolgende Analyse beschränkt sich auf diesen Zeitraum.

a. Urkunden

Die Entwicklung der Liquiditätslage der HSH Nordbank wird vorliegend anhand der Risikoberichterstattung nachgezeichnet, weil dort über die fortlaufende Liquiditätslage der Bank berichtet wird. Per 30.06.2006 erfolgte die Berichterstattung erstmals auf Konzernbasis.

Bis zum 1. Quartal 2008 wurde im Risikobericht ausschließlich das Zahlungsunfähigkeitsrisiko berücksichtigt. Das Liquiditätsfristentransformationsrisiko (LFT-Risiko) wurde ab dem 1. Quartal 2008 in den Risikobericht aufgenommen.

Bis zum 30.06.2008 erfolgte die LFT-Risikomessung auf Institutsebene und ab diesem Datum auf Konzernebene.

Der Liquiditätsstatus wird zum einen hinsichtlich der Limitauslastungen der ersten 14 Tage und zum anderen für die Laufzeitbereiche drei Wochen bis zu zwölf Monaten betrachtet.

Die Liquiditätssteuerung erfolgt anhand der Festlegung einer sogenannten Obergrenze, die zum Beispiel aus liquiden Wertpapieren und dem Fundingpotenzial abgeleitet wird.

Dies wird als Liquiditätsdeckungspotenzial bezeichnet.

Mit Blick auf die Obergrenze werden dann Limite festgelegt, welche unterhalb der Obergrenze liegen und somit einen zusätzlichen Puffer bedeuten.

aa. Risikobericht Q2 2007

Hinsichtlich der Auslastungen der ersten 14 Tage per 30.06.2007 wird berichtet, per 30.06.2007 seien alle Limite eingehalten worden, wobei im April 2007 temporär Überziehungen der kurzfristigen Liquiditätslimite zum kumulierten Liquiditätsbedarf aufgetreten seien, was aber zu keinem Zeitpunkt zur Überschreitung der Obergrenzen geführt habe. Die Limitauslastungen der ersten 14 Tage haben am 14. Tag rund 77 % betragen.

Bei der Limitauslastung für die Laufzeitbereiche drei Wochen bis zu zwölf Monaten sei es ebenfalls zu keiner Limitüberschreitung gekommen. Im Quartalsvergleich wird verzeichnet, dass bei Limitauslastung bei Laufzeiten von drei Monaten und sechs Monaten ein stärkerer Anstieg zu verzeichnen sei.

bb. Risikobericht Q3 2007

Hinsichtlich der absoluten Limitauslastungen der ersten 14 Tage per 30.09.2007 seien alle Limite eingehalten worden, wobei die Limitauslastungen aber weiter angestiegen seien und am 13. Tag 97 % betragen hätten.

Im September 2007 habe es Limitüberschreitungen gegeben, die durch entsprechende Maßnahmen, wie zum Beispiel die Aufnahme von Langfristtendern bei der Europäischen Zentralbank und durch die Forcierung von kurz- und langfristigem Funding zurückgeführt worden seien. der Marktsituation seien die Fundingpotenziale reduziert worden, wodurch die Limite verringert worden seien. Zudem sei das Liquiditätspotenzial aus eingelieferten notenbankfähigen Sicherheiten ermittelt worden, um die Nutzung der Notenbanken als Liquiditätsspender stärker berücksichtigen zu können, und als Maßnahme gegen auftretende Limitüberschreitungen zu stellen.

Bei der Auslastung der Limite für die Laufzeitbereiche drei Wochen bis zu einem Jahr per 30.09.2007 seien alle Limite eingehalten worden, wenn auch vereinzelt Limite überschritten worden seien, die aber durch geeignete Maßnahmen zurückgeführt worden seien.

Insgesamt sei die Limitauslastung aufgrund der angespannten Liquiditätssituation an den Märkten angestiegen.

Um einer weiteren Belastung entgegenzutreten, habe das Treasury dem Vorstand Anfang Oktober 2007 geeignete Maßnahmen vorgestellt.

Bei diesen wird zwischen übergeordneten Maßnahmen, Maßnahmen durch den Unternehmensbereich Treasury und den Maßnahmen des Unternehmensbereichs Group Risk Management differenziert.

Als übergeordnete Maßnahmen wurde die strategische Maßnahmenplanung durch das Notfallkomitee und die Sensibilisierung der Markt-Unternehmensbereiche definiert.

Der Unternehmensbereich Treasury sollte folgende Maßnahmen ergreifen:

- Aufnahme längerfristiger Geldmarktrefinanzierung, wie zum Beispiel DreiMonats-Tender,

- Erhöhung der Liquiditätskosten und damit Anpassung an die Marktsituation,

- Selektive Prüfung des Kreditneugeschäfts,

- Verringerung des Volumens an unwiderruflichen Kreditzusagen,

- Kontrahierung langfristiger Refinanzierungsmittel im Zuge der Erhöhung der Liquiditätskosten und gezielte Erhöhung des Collateralpools1310 durch Identifizierung weiteren notenbankfähigen Vermögens (zum Beispiel Forderungen) und die Einlieferung bei den entsprechenden Notenbanken (Europäische Zentralbank, DNB1, FED1312).

Maßnahmen des Unternehmensbereichs Group Risk Management waren:

- die Reduzierung der Fundingpotenziale aufgrund der Markteinschätzung und damit die Reduktion der Limite,

- Berücksichtigung des erhöhten Liquiditätspotenzials aus notenbankfähigen Wertpapieren, um es gegen eventuelle Limitüberschreitungen zu stellen,

- Erhöhung der Volumen der Fundingpotenziale aus gedeckter Refinanzierung mit Pfandbriefen um bis zu 880 Mio. EUR in den entsprechenden Laufzeitbändern,

- volle Berücksichtigung der gegenüber einem Conduit der Sachsen LB abgegebenen Liquiditätsfazilität und

- Simulation einer gesonderten Stress-Liquiditätsablaufbilanz zur SubprimeKrise und Ableitung von Schlussfolgerungen.