Transaktionen

Es bleibt bei all den Transaktionen festzuhalten: Es gibt kein Indiz einer wirtschaftlich sinnvollen Gegenleistung und insofern liegt ­ auch wenn man die Frage nach der Einhaltung der Kapitalkennziffern und die Gefährdung des bestehenden Geschäftsmodells offen lässt ­ der Verdacht vor, dass hier eine Schädigung der Eigentümer erfolgt ist.

Im PUA-Bericht wird auf die Aussage von Dr. Nonnenmacher verwiesen: »Zu dem Ziel von RWA-Entlastungstransaktionen bekundete der Zeuge, dass es sich um banktypische Geschäfte gehandelt habe, die vollkommen rechtmäßig seien. Wenn man Risiken abgebe, müsse man dafür bezahlen.« (Bericht Teil C, I, 1, bb, (3), (b), (dd), S. 93) Banktypisch war aber nicht:

· das Volumen der Entlastungsoperation,

· damit verbunden ein hoher Kostenfaktor für das Abgeben von Risiken,

· die unzureichende Information der BaFin,

· der Rückgriff auf Nebenabreden.

Partnerbanken und Zweckgesellschaften, zum Beispiel mit Namen »St. Martin«, die für diese Transaktionen notwendig waren, gewährte man unvertretbare Zugeständnisse und ging unverhältnismäßig hohe Risiken ein. Der spätere Interne Prüfungsbericht führt dazu wie folgt aus: »Anlass war, dass am Jahresende 2007 für die Bank die Notwendigkeit bestand, RWA-Entlastungen herbeizuführen... Parallel zum Entlastungsgeschäft hat die HSH Nordbank eine Liquiditätsfazilität für 49 % des Portfolios des SPV Omega 55, dessen Gesamtvolumen 4,82 Mrd. Euro betrug, zugesagt...«

Und weiter: »...Organisatorische Schwächen in den Prozessen sind grundsätzlich nicht ursächlich für die eingetretenen Verluste, jedoch haben die unzureichende Prozessanwendung und Entscheidungen im Prozessverlauf zu evtl. ungewollt risikohaften Kreditentscheidungen und zur Späterkennung beigetragen (...) am 5. November 2008 wurden weitere Geschäfte bezogen auf die FIG London als Teil des UB Capital Markets Clients vom Vorstandsvorsitzenden untersagt (...) Omega 52 und 55 sind dem FIG (Financial Institution Group London) und nicht dem CIP-Portfolio zugeordnet, das vergleichbare Strukturen enthielt und in der fachlichen Verantwortung des Kapitalmarktvorstandes lag. Damit wurden diese Engagements bei Analysen und Reports nicht einbezogen. Eine Zuordnung zum CI-Portfolio hätte zumindest zu einer frühzeitigeren Prüfung der Bewertung und zur Umstellung auf MtM (mark to market) führen können. Beschlüsse zur Reduzierung des CI-Portfolios, das vergleichbare Risiken enthielt, wurden vom Vorstand ab September 2007 gefasst.«

Gleichzeitig wurde mit der BNP Paribas, und zwar auf Initiative der BNP, eine Nebenvereinbarung (side-letter) getroffen, in der sinngemäß die HSH Nordbank die BNP von allen Risiken und evtl. auftauchenden Problemen, u.a. mit der BaFin, freistellte. Ein Zitat hieraus: »Wir bestätigen, gem. den Vorschriften für redliche Geschäftszwecke und nicht für unangemessene Bilanzierungszwecke diese Transaktionen eingegangen zu sein...« Die Nebenabrede hatte allein den Sinn, die Verantwortlichkeit bei einer Prüfung der BaFin ausschließlich der HSH zuzuweisen.

Zutreffend wird im Rechtsgutachten von Freshfields etc. festgehalten: »Die Vorlage [der Vorstandsbeschluss ­ Anm. J.B.] enthält keinen Hinweis auf den Abschluss eines side-letters (...) das Verschweigen der intensiven Verhandlungen mit der BNP über Abschluss und Insistieren der BNP auf dem Side Letter [bringt eine Unsicherheit zum Ausdruck ­ Anm. J.B.] bezüglich der Transaktionskosten«, die möglicherweise die anderen Vorstände hätte anders urteilen lassen.

Der Auftrag an FIG London, Strukturen für RWA-Optimierung zu finden, erfolgte bereits im September 2007. Den Kreditbeschluss fasste der Gesamtvorstand am 20. Dezember 2007, weil aufgrund der Größenordnung oberhalb der bankinternen Großkreditgrenze über 750 Mio. Euro Beschlüsse vom Gesamtvorstand getroffen werden mussten. Am 21. Dezember 2007 wurde der side-letter nach interner Abstimmung mit UB Recht und Group Compliance sowie mit dem Vorstand erstellt. Am gleichen Tag erfolgte der Geschäftsabschluss des RWA-Deals. Im März 2008 wurde die Fazilität mit rund 130 Mio. Euro erstmals in Anspruch genommen, dadurch gab es einen klaren Hinweis auf negativen MtM in dieser Größenordnung.

Am 31. März 2008 wurde der RWA-Teil des Deals zum Stichtag 21. April 2008 gekündigt, am 27. November 2008 die Zuständigkeit für Omega 52 und 55 auf die UB Group Risk Management übertragen. Am 19. Dezember 2008 erfolgte die Verlängerungsgenehmigung von Omega 55 um weitere 364 Tage, und zwar wiederum durch den Gesamtvorstand. Die jeweiligen Prolongationen um 364 Tage wurden einzig und allein aus folgendem Grund beschlossen: Ab einer Prolongation von 365 Tagen hätte man anteilig Eigenkapital für die Transaktion binden müssen, und dieses galt es aus Vorstandssicht auf jeden Fall zu verhindern. Noch am selben Tag unterzeichneten die Vorstände Rieck und Strauß das Papier. Aus Riecks Ressort stammten die zu veräußernden Immobilienpapiere, die Prüfer unterstanden dem damaligen RisikoRessortleiter Strauß. Dr. Nonnenmacher und drei weitere Vorstände quittierten diese Vorlage. Die Transaktion wurde damals als »Befreiungsschlag« gefeiert.

Das Geschäft selbst wurde gegenüber der Finanzaufsicht offenbar verschleiert. Die HSH übernahm im Gegenzug Risiken anderer Banken und steckte sie in außerbilanzielle Zweckgesellschaften ­ ein fragwürdiges Geschäft oder eine Kreislaufoperation, sagen selbst Wohlmeinende. Die toxischen Papiere verschwanden aus der Bilanz ­ im Jahr 2008 mussten dann 2,7 Mrd. Euro Verlust ausgewiesen werden, zu einem gewichtigen Teil aus diesen Geschäften.

Das Freshfields-Gutachten weist die alleinige Verantwortlichkeit an den Vorgängen im Hause HSH Nordbank den operativen Vorständen Friedrich, Rieck und Strauss zu.

Die Vorsitzenden Berger und Dr. Nonnenmacher werden im Freshfields-Gutachten entlastet. Diese Entlastung erfolgt mit einer nicht nachvollziehbaren Argumentation.

Neben dem Verschweigen des side-letters hatte die Beschlussvorlage weitere grobe Fehler, die die Vorstandsmitglieder hätten erkennen müssen. Bei Freshfields lesen wir folgende Bewertung: Herrn Berger, Herrn Visker und Herrn Dr. Nonnenmacher »oblag daher grundsätzlich eine Überwachungspflicht zur Prüfung der Schlüssigkeit der Vorlage. Zu prüfen ist daher, ob sie ihrer Überwachungspflicht nachgekommen sind.

Hiergegen könnte zunächst sprechen, dass... die Vorlage deutlich erkennbare Mängel aufwies. Hinzu kommt, dass nicht nur der Kapitalmarktvorstand Friedrich, sondern auch die übrigen Vorstände angesichts der enormen Bedeutung des CIP im Zuge der einsetzenden Finanzkrise umfassend mit dem CIP befasst waren. Allerdings neigen wir zu der Einschätzung, dass die Mängel der Vorlage ­ wiewohl gravierend ­ nicht derart offensichtlich waren, dass sie den Herren Berger, Visker und Nonnenmacher zwingend ins Auge fallen mussten.«

Diese Argumentation halten die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE nicht für begründet.

Unsere Bewertung lautet davon abweichend wie folgt:

· Die Finanzkrise war seit Mitte 2007 für alle Finanzexperten überdeutlich.

· Die Mängel in der Bank waren allen Vorständen bewusst und daher wäre bei solchen Entscheidungen besondere Sorgfaltspflicht Bedingung gewesen.

· Der BaFin gegenüber sollten die Schranken dieser Transaktion nicht aufgedeckt werden.

· Die Transaktionskosten ­ im Kontext der RWA-Ausplatzierungen ­ machten die ungewöhnliche Operation offenkundig.

· Der Zeitrahmen wurde ausdrücklich so gewählt, dass die Vorschriften umgangen werden konnten.

Gegenüber vier Vorstandsmitgliedern fordert die Bank zu Recht, dass sie für einen Teil des Schadens aufkommen müssten. »Sie hätten nach Ansicht der Bank bei >einer Reihe von Transaktionengroße zweistellige Millionensumme<. in den f von zwei vor10>Hierzu Freshfields S. 369, auch PUA Akte lfd. Nr. 257. standsmitgliedern, von denen sich die Bank im Herbst 2009 getrennt hatte, soll das Verlangen voraussichtlich in laufende Schiedsverfahren eingebracht werden. Zwei weiteren Managern, die das Institut schon früher verlassen hatten, hat die HSH ihre Forderungen bereits vorgelegt. Vom noch amtierenden Vorstandsvorsitzenden Nonnenmacher verlangt die Bank hingegen keinen Schadensersatz. Denn die HSH stützt ihre Forderungen wesentlich auf ein Gutachten der Kanzlei Freshfields, das die Prüfer Ende 2009 dem Aufsichtsrat vorgelegt hatten. Die Gutachter sahen damals Nonnenmachers Verhalten im Zusammenhang mit dem verlustträchtigen Omega 55-Geschäft als >noch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbarDas damalige Vorstandsmitglied Dr. Nonnenmacher trägt wie die anderen damals agierenden Vorstände die Verantwortung für die Geschäfte und deren fehlende Transparenz. Auch die Aufsichtsräte waren in diese Geschäftspolitik voll eingebunden. Es gab ein unzureichendes Risikomanagement, was in der Konsequenz zu hohen Abschreibungen und massiven Wertverlusten auf Seiten der Bank führte. Insofern waren auch der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Peiner und die anderen Aufsichtsräte nach unserer Auffassung mitverantwortlich, bewusst oder unbewusst, die Situation der Bank im Herbst 2007 gegenüber den Aufsichtsorganen und den Eigentümern zu verschleiern.

Im Internen Revisionsbericht wird auf die fehlerhaften Bewertungen hingewiesen. Von Anfang an wurde, bewusst oder unbewusst, falsch und verschleiernd gebucht und positioniert. Die Gesamtsumme von Omega 55 betrug 4,83 Mrd. Euro, kreditiert von HSH und BNP mit jeweils 2,4 Mrd. Euro, und zwar auch bilanztechnisch nur als »Kredit« gebucht. Am Rande weist man darauf hin, dass die Assets (also die eigentlichen Wertpapiere) falsch den Krediteinheiten zugeordnet wurden, so dass in Folge lediglich die Kredite in der Bilanz auftauchten. Die fatalste Folge hieraus war, dass die Papiere lediglich als eine Art Sicherheit für den Kredit angesehen und nicht selbst nach der MtM-Methode bewertet wurden. So wäre möglicherweise bereits im März 2008 die Katastrophe aufgefallen und man hätte gegensteuern können. Denn parallel dazu wurden CDOs gezogen, deren Fazilitäten zu Lasten der HSH immer der Höhe der MtM-Verluste entsprachen. Dazu hatte man sich zwar vertraglich verpflichtet, dieses ist jedoch aufgrund der fehlenden MtM-Bewertung der zugrunde liegenden Wertpapiere weder aufgefallen noch überhaupt mit irgendeinem Mechanismus fortgeschrieben worden, so dass der ganze Umfang der Katastrophe erst Ende 2008 auffiel, als es viel zu spät war.

In seiner Zeugenvernehmung am 4. Dezember 2009 führte Dr. Peiner vor dem PUA dazu aus: »Omega, hat sich herausgestellt, ist jedenfalls in der Breite nicht dem Aufsichtsrat vorher zur Entscheidung vorgelegt worden, musste es möglicherweise auch nicht. Es ist über den liquiditätswirksamen Teil Anfang 2008 der Risikoausschuss informiert worden, aber das ist ja in der Tat auch der Grund gewesen, warum ich dann, als der Verlust hochkam, sofort angeordnet hatte, eine Sonderprüfung durch die KPMG vorzunehmen, weil das in der Tat, wie ich meine, eine sehr ungewöhnliche Transaktion war. Wie ungewöhnlich sie dann ist, das war genau ja der Zweck der Sonderprüfung. Und dass ich im Anschluss an diese Sonderprüfung Freshfields beauftrage, zu prüfen, ob da auch ordnungsgemäß von den Vorständen gehandelt wurde, zeigt ja, dass meine Einschätzung schon war, dass es sich um eine nicht normale Transaktion gehandelt hat.«

c. Prozessschwächen in der Bank

Die vom Vorstandsvorsitzenden Dr. Nonnenmacher benannten Prozessschwächen waren allen Aufsichtsgremien und Aufsichtsorganen bekannt. Als Wirtschaftsprüfer fungierten

· 2003 bis 2007: BDO Deutsche Warentreuhand Aktiengesellschaft, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft,

· seit 2008: KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.