Sonderprüfungen

Die BDO hielt sich mit expliziten kritischen Bewertungen zurück; sachkundige Leser der Berichte konnten jedoch deutliche Kritik an der Geschäftstätigkeit und Geschäftsführung der HSH erkennen, insbesondere in den beiden letzten BDO-Jahren 2006 und 2007. Auch die BDO war bereits mit Sonderprüfungen beauftragt worden, z.B. Depotprüfungen mit dem Inhalt, kritische Wertpapierpositionen, getätigte RWATransaktionen, ausgelagerte Portfolien usw. zu erkennen und zu bewerten.

Die KPMG wurde dann sofort im ersten Jahr ihrer Prüfungstätigkeit (2008) mit diversen Sonderprüfungen betraut, insbesondere im Auftrage der BaFin, der Bundesbank sowie des Aufsichtsrates. Der von der KPMG erstellte Jahresabschlussbericht 2008 führt offen eine Vielzahl von Monierungen (über 350) auf, die Vorstand und Aufsichtsrat hätten alarmieren müssen. Diese jedoch hatten schnell einen Schuldigen gefunden: die weltweite Finanzkrise. Die Monierungen betrafen nahezu alle Geschäftsfelder und Abteilungen, die die HSH überhaupt vorhielt: mangelndes Risikomanagement, Verstöße gegen KWG-Vorschriften, kein konzernübergreifendes Controlling, fehlende Protokolle von Vorstandssitzungen, nicht sachgerechte Kreditgenehmigungsbeschlüsse, falsche Bewertungsansätze von Immobilien und Wertpapieren, unterschiedliche, nicht kompatible EDV in den einzelnen Konzerntöchtern, falsche Bilanzansätze etc.

Im Rahmen der Prüfung des Jahres- und Konzernabschlusses der HSH Nordbank AG, Hamburg und Kiel, zum 31. Dezember 2008 hatte der Aufsichtsrat der HSH Nordbank mit Schreiben vom 13. November 2008 einen Prüfungsschwerpunkt im Bereich Kreditrisiko festgelegt. Der Prüfungsschwerpunkt umfasste: Buchkreditpositionen, Kreditrisikostruktur, Risikoverteilungsmechanismus, Externe Rechnungslegung, Ordnungsmäßigkeit (Compliance). Also alle Positionen zum ordnungsgemäßen Ablauf innerhalb einer Bank. In dieser Sonderprüfung befasste sich die KPMG als erstes mit dem am 5. November 2008 von Dr. Nonnenmacher an den Aufsichtsrat gemeldeten voraussichtlich bilanziell erfolgswirksamen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe aus den beiden Transaktionen Omega Capital Funding Limited (Omega 52 und Omega 55).

Die Prüfung des Jahres- und Konzernabschlusses sowie des Lageberichts der HSH Nordbank zum 31. Dezember 2008 fassten die Vertreter von KPMG (Krall und Madsen) wie folgt zusammen:

· Fehlen einer geschäftsübergreifenden Organisation im Institut und Konzern, stark marktorientierte Geschäftsorganisation. Das heißt, es fehlten die Kontrolleinheiten der »Marktfolgebereiche«,

· laufender Informationsfluss organisatorisch nicht sichergestellt,

· seit Ende 2007 Identifikation und Aufarbeitung durch die Finanzfunktion,

· Lücken im internen Kontrollsystem,

· Intransparenz und Fehler in der Rechnungslegung,

· Vermögens- und Ertragslage über Wochen unklar.

Die von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in ihren Berichten aufgeführten mehr als 300 schwerwiegenden Fehler und Beanstandungen wurden bis zum heutigen Tage von der Bank noch immer nicht vollständig abgearbeitet. Laut Aussagen der Bankverantwortlichen hat man sich bisher mit etwa 170 dieser Beanstandungen überhaupt nur »befasst«. Abgestellt wurde selbst hiervon lediglich ein Bruchteil. Zu Recht verweisen die Wirtschaftsprüfer darauf, dass die gravierenden Defizite seit 2007 bekannt waren.

Für die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE im Untersuchungsausschuss ist allerdings die These nicht begründet, dass seit Ende 2007 an einer Identifikation der Prozessschwächen und deren Aufhebung gearbeitet würde. Entscheidender Beleg für die unzureichende, verschleppte Auseinandersetzung mit den Prozessschwächen ist für uns der Bericht über die Prüfung der Mindestanforderungen an das Risikomanage13

PUA Akte 101, S. 41 bis 41 w. ment der Deutschen Bundesbank vom 17. September 2007 und der bankinterne Umgang damit.

Laut Schreiben der Bank an den PUA vom 29. April 2010 gab es ergänzende Angaben zu den Zeugenaussagen von Dr. Nonnenmacher: »Die BaFin hat den Prüfungsbericht der Bundesbank mit Schreiben vom 1. Oktober 2007... übermittelt. In einer EMail des Leiters der internen Revision vom 8. Oktober 2007, die an alle Mitglieder des Vorstandes mit Ausnahme von Herrn Professor Nonnenmacher adressiert war, wird referiert, dass der Bericht nach Eingang in Umlauf gegeben war.« Laut Angaben der Bank wurde mit diesem Bericht in üblicher Weise verfahren. Zum Bericht und der »üblichen Weise« liegt dem PUA ein Schreiben der Bundesbank vom 24. April 2009 vor.

Die Bundesbank moniert mit drastischen Worten, dass sie mit der Wiedergabe ihrer Prüfungsergebnisse nicht einverstanden ist, falsch zitiert worden und dieses nicht akzeptabel sei. Es ist schon ungewöhnlich, dass die wichtige Kontrollinstanz etliche Monate nach dem Beinahe-Konkurs feststellen muss, dass eine gutachterliche Wertung völlig ins Gegenteil verkehrt wurde. Fakt ist: Im Herbst 2007 wurde der Bankführung bescheinigt, dass in Teilbereichen Prozesse mit Mängeln behaftet waren ­ zum Teil mit wesentlichen Mängeln. Die Stellungnahme wird wie jedes andere Papier in die Vorstandszirkulation eingespeist und letztlich wird daraus eine Bestätigung der Geschäftsstrategie und der Gesamtbankorganisation.

Dieser gesamte Vorgang ist charakteristisch für den Zustand und die Einstellung der Führungsorgane der Bank im Spätsommer 2007. Zusammengefasst:

· Schon zu Beginn der Finanzkrise wurden erhebliche Mängel in der Geschäftsorganisation aufgedeckt.

· Die Führungsorgane der Bank beschritten den »üblichen Weg«. Letztlich wurde der kritische Bericht in ein positives Prüfungsergebnis umgedeutet.

· Die Aufsichtsbehörden gaben zwar Sonderprüfungen über die Subprimekrise in Auftrag, zeigten aber wenig Entschlussfreudigkeit, auf die Abstellung von Mängeln zu dringen.

· Im weiteren Verlauf erwiesen sich die Mängel als außerordentlich folgenreich.

d. Zum Zustand der HSH Nordbank zu Beginn des Krisenjahres 2007

Martin Halblaub, bis Ende 2006 Bereichsleiter Kapitalmarkt, konnte aus Zeitgründen in Hamburg leider nicht mehr angehört werden. Seine Einlassung im PUA Kiel bestätigte allerdings, dass die Bank sowohl personell als auch organisatorisch nicht gut aufgestellt in das Krisenjahr 2007 hineinging. Die erkennbaren Schwächen sind vom Aufsichtsrat nicht energisch zurückgedrängt worden, insofern erfolgte das spätere Scheitern zwangsläufig und nicht nur die Vorstände, sondern auch die Mitglieder des Aufsichtsrates tragen dafür die volle Verantwortung.

Martin Halblaub verließ die Bank zusammen mit

· Alexander Stuhlmann, Vorsitz Vorstand

· Franz Waas (Ende 2005), Kapitalmarktvorstand

· Eckehard Dettinger-Klemm

· Walter Groll, Bereichsleiter Kapitalmarkt.

Halblaub beschrieb die Situation der Bank wie folgt: »Das Geschäftsmodell der Landesbank Schleswig-Holstein im Jahr 2001 bestand im Wesentlichen aus der sog. Funding Arbitrage. Das bedeutet, dass man sich auf der Grundlage der staatlichen Garantien (Anstaltslast und Gewährträgerhaftung) zu sehr günstigen Konditionen und faktisch ohne Limit am Kapitalmarkt Liquidität beschaffen konnte und dieses unter Hinzurechnung einer Marge wieder angelegt hat.«15

PUA Akte lfd. Nr. 132, S. 523 ff.

Martin Halblaub vor dem Kieler PUA, PUA-Akte HH lfd. Nr. 901 ­ 908. Die folgenden Zitate stammen aus dieser Aussage.

Dieses Geschäftsmodell funktionierte besonders gut, wenn man das aufgenommene Geld im Kreditgeschäft sehr schnell, großvolumig und langfristig anlegen konnte. Aus diesem Grund spielten die kapitalmarktorientierten Geschäftsfelder

· Refinanzierung anderer deutscher und internationaler Banken (die nicht über den Vorteil staatlicher Garantien verfügten) und Leasinggesellschaften

· paketweiser Ankauf von Leasingforderungen

· Teilnahme an der Syndizierung von internationalen Großfinanzierungen für Immobilien, Flugzeuge etc. sowie eben auch

· der Erwerb von Wertpapieren und später auch Kreditderivaten zur Eigenanlage (Kreditersatzgeschäft im eigentlichen Sinne) eine große Rolle.

Im vierten Quartal 2006 platzte die 12 Bill.-US-$-Immobilienblase in den USA. Der Zusammenhang des Crashs in den USA mit dem Weggang des gesamten Kapitalmarktbereiches und des damaligen Vorstandsvorsitzenden Stuhlmann wirft Fragen auf, die nie abschließend geklärt werden konnten. »Bis Mitte 2007­ zum Beginn der Finanzkrise ­ waren nach meiner Einschätzung die entscheidenden Kapitalmarktvorstände sowohl im Vorstand als auch auf Bereichsleiterebene nicht besetzt.« Hausgemachte interne Fehler ­ hier die Nichtbesetzung wichtiger Bereiche ­ machten den Zusammenbruch der Bank erst möglich.

Das Kreditersatzgeschäft wurde von Halblaub sehr kritisch dargestellt: Die Landesbank fokussierte sich »sehr einseitig auf das Kreditersatzgeschäft als Ertragsbringer.

Während andere Banken das tendenziell ertragsschwache Kreditgeschäft mit Ergänzungsprodukten (Zinsswaps, Währungssicherungsgeschäfte, Kapitalmarktemissionen für Kunden etc.) aufwerteten, war die Landesbank im Wesentlichen ein Einproduktlieferant«. Das eigentliche Geschäft der Bank ­ Kreditvergabe an Kunden ­ wurde sträflich vernachlässigt. Die Hinwendung der Bank zur kapitalmarktorientierten Investmentbank ohne direkten Kundenbezug fand bei der HSH Nordbank ihren besonderen Niederschlag.

Der Vorstand der Bank (Stuhlmann bis 2006 ­ danach Berger) hat zusammen mit dem Aufsichtsrat (Heide Simonis bis Mai 2005 ­ danach Wiegard/Dr. Peiner) das Geschäftsmodell »Investmentbank« vorangetrieben. Dadurch ergab sich ein gewisser »Handlungsbedarf«, dazu Halblaub: »Die Entscheidung der EU aus dem Jahre 2001 zum Wegfall der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung bis Ende 2005 [gemeint ist Juli 2005 ­ Anm. J.B.] beeinflusste daher die zukünftige Ausrichtung der Landesbanken nachhaltig und führte in der Folge zu einem als dringend empfundenen Handlungsbedarf.« Letzteres steht im krassen Widerspruch zur Aussage mehrerer Zeugen (u.a. Heide Simonis, Ole von Beust), dass für den Ausbruch der Krise bei der HSH Nordbank der Zusammenbruch der »Lehman Brothers« entscheidend gewesen sei. Es gab einen »als dringend empfundenen Handlungsbedarf«, dem offenbar nur höchst ungenügend seitens des Aufsichtsrates und des Vorstandes nachgekommen wurde. Halblaub führte in seiner Zeugenbefragung in Kiel wie folgt dazu aus: »Bis Mitte 2007 ­ zum Beginn der Finanzmarktkrise ­ waren nach meiner Einschätzung die entscheidenden Kapitalmarktpositionen sowohl im Vorstand als auch auf Bereichsleiterebene nicht besetzt.«

Noch im Jahr 2005 wurde unter dem damaligen Kapitalmarktvorstand Franz Waas beschlossen, das Kreditersatzgeschäft im eigentlichen Sinne grundsätzlich nicht weiter wachsen zu lassen und langfristig zugunsten der Kerngeschäftsbereiche der Bank zu verkleinern. Nach nur elf Monaten verließ auch Eckehard Dettinger-Klemm, der Nachfolger von Waas, die Bank. Die Bank ging damit ohne Kapitalmarktvorstand und mit vakanten Positionen auf der ersten Führungsebene in diesem Bereich in das Finanzmarktkrisenjahr 2007.

Zu den strategischen Fehlentscheidungen des Bankmanagements ließ sich Herr Halblaub wie folgt aus: »Im Jahr 2004 wurde im Rahmen der Teilinitiative Value Based Management die Entscheidung ­ nach meiner Erinnerung konnte sich der damalige