Neuverhandlungen zum Glücksspielstaatsvertrag

Betreff: Neuverhandlungen zum Glücksspielstaatsvertrag ­ Position der Hamburger Regierung Glücksspielsucht ist eine der häufigsten Suchtformen in Deutschland. Die Folgen für die Betroffenen sind oft verheerend, den Abhängigen und ihren Familien drohen der finanzielle Ruin und die soziale Isolation. Schätzungen zufolge sind mehr als 100.000 Menschen in Deutschland spielsüchtig. Die Ergebnisse der SCHULBUS-Sondererhebung aus dem Jahre 2009 belegen zudem für Hamburg, dass bereits bei den 14- bis 18-Jährigen über 80 Prozent schon mindestens einmal an einem Glücksspiel teilgenommen haben und 17 Prozent der männlichen Jugendlichen dieses Alters ­ illegal ­ mehrmals monatlich Glücksspiel spielen. Besonders häufig sind dabei Poker, Sportwetten und das Spielen an Geldspielautomaten.

In Deutschland regelt der Glücksspielstaatsvertrag das staatliche Monopol im Bereich Glücksspiel. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Entscheidung zur Rechtmäßigkeit staatlicher Wettmonopole im September 2010 geurteilt, dass die gesetzlichen Glücksspielregelungen in Deutschland nicht kohärent und damit in der bisherigen Form nicht zulässig sind. Der EuGH führte in seiner Entscheidung aus, dass die Zulässigkeit eines staatlichen Wettmonopols entscheidend davon abhängig sei, ob alle Formen des Glücksspiels mit Suchtgefahr vergleichbaren Regelungen unterworfen und diese auch durchgesetzt würden. Diese Kohärenz war nach Ansicht des EuGH im deutschen Falle nicht gegeben, insbesondere da beispielsweise Lotterien durch den Glücksspielstaatsvertrag umfassend reguliert, Automatenspiele aber trotz weitaus höherem Suchtpotenzial nicht erfasst und weniger streng reguliert würden. Dieses Urteil macht eine Neuregelung des Glücksspiels in Deutschland und des Glücksspielstaatsvertrages notwendig.

Am 10. März 2011 haben sich nun die Ministerpräsidenten der Länder auf ihrer Konferenz für eine Beibehaltung des Lotteriemonopols bei einem gleichzeitigen Konzessionsmodell für Sportwetten ausgesprochen. Eine Entscheidung, die vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH Fragen aufwirft. Sportwetten sind mit einem höheren Suchtpotenzial behaftet als Lotterien. Daher besteht die Gefahr, hier erneut eine nicht kohärente und damit nicht gerichtsfeste Regelung zu schaffen. Auch eine Erweiterung der Begründung des staatlichen Monopols auf die Manipulations- und Betrugsbekämpfung erscheint wenig geeignet, um die unterschiedliche Gewichtung von Sportwetten und Lotterien beim staatlichen Monopol zu rechtfertigen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Manipulations- und Betrugsgefahr bei Sportwetten vonseiten der europäischen Ebene im Vergleich zu Lotterien kritischer beurteilt wird und damit das staatliche Lotteriemonopol insgesamt infrage gestellt bleibt. Eine solche Gefahr wäre bei der Beibehaltung des Lotterie- und Sportwettenmonopols bei gleichzeitiger Verbesserung des staatlichen Sportwettenmonopols geringer einzuschätzen gewesen.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Entscheidung in der Rechtssache Carmen Media (C-46/08) vom 8. September 2010 festgestellt, dass das im Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV) geregelte staatliche Monopol zur Veranstaltung von Lotterien und Sportwetten dann nicht mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar sei, wenn der ihm vom Verwaltungsgericht Schleswig geschilderte Sachverhalt zutreffe. Ob aufgrund dieser Entscheidung des EuGH die Monopolvorschriften des GlüStV nicht mehr angewendet werden dürfen, ist noch nicht verwaltungsgerichtlich abschließend geklärt. Die Notwendigkeit einer Neuregelung des Glücksspiels ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass der GlüStV von vornherein nur bis zum 31. Dezember 2011 befristet zwischen den Ländern geschlossen wurde.

Die Ministerpräsidenten haben am 10. März 2011 eine Arbeitsgruppe der Staats- und Senatskanzleien der Länder Sachsen-Anhalt, Bayern, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein beauftragt, einen Vorschlag zur Ausgestaltung des Konzessionsmodells zur Regulierung der Sportwetten zu erarbeiten und in Aussicht gestellt, sich mit dem Entwurf am 6. April 2011 abschließend zu befassen. Eine Entscheidung, ob und wie vielen Anbietern und unter welchen Bedingungen der künftige Staatsvertrag die Erteilung von Konzessionen ermöglichen soll, haben die Ministerpräsidenten noch nicht getroffen.

Die Meinungsbildung des Senats ist sowohl hinsichtlich ordnungsrechtlicher als auch hinsichtlich gewerberechtlicher sowie steuer- und abgabenrechtlicher Regelungen noch nicht abgeschlossen.

Der Senat sieht in ständiger Praxis davon ab, sich zum Inhalt der Beratungen in Ministerpräsidentenkonferenzen zu äußern.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Ist Hamburg im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz für das Modell einer konzessionierten Öffnung des Sportwetten-Angebotes unter Beibehaltung des Lotteriemonopols eingetreten?

a. Wenn ja, mit welcher Begründung? Welche Bedenken sprechen in diesem Fall aus Sicht Hamburgs gegen das ebenfalls im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz diskutierte Modell einer Weiterentwicklung des Lotterie- und Sportwettenmonopols?

Siehe Vorbemerkung.

b. Wenn nein, welches Modell hat Hamburg favorisiert?

Entfällt.

2. Mit welcher Begründung soll die unterschiedliche Behandlung von Lotterien und Sportwetten in dem nun gewählten Konzessionsmodell ­ auch vor dem Hintergrund verfassungs- und unionsrechtlicher Anforderungen an eine kohärente Regelung ­ gerechtfertigt werden? Stimmt der Senat dieser Begründung zu?

Nationale Regelungen, die den freien Dienstleistungsverkehr beeinträchtigen, müssen nicht nur dem Schutz wichtiger Gemeinwohlinteressen dienen, sondern auch geeignet sein, den jeweiligen spezifischen Gefahren für die Gewährleistung dieser Gemeinwohlinteressen zu begegnen. Lotterien und Sportwetten haben ein unterschiedliches Gefährdungspotenzial im Hinblick auf Sucht und Kriminalität.

Eine abschließende Beurteilung ist erst möglich, wenn alle Details der gegenwärtig diskutierten Regelungen auf Bundes- und Landesebene entscheidungsreif ausgearbeitet sind.

3. Wurde im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz bezüglich des nun gewählten Konzessionsmodells bereits erörtert, wie die effektive Besteuerung und vollständige Abschöpfung der Erträge der Veranstalter zugunsten gemeinnütziger und öffentlicher Zwecke garantiert werden sollen?

a. Wenn ja, wie soll dies garantiert werden? Soll hierzu eine neue Steuer oder Abgabe geschaffen werden?

Wenn ja, in welcher Form?

b. Wenn nein, welche anderen Formen der Besteuerung und Abschöpfung der Erträge wurden favorisiert?

Eine Erörterung hat nicht stattgefunden.

c. Welche Position vertritt der Senat hierzu?

Siehe Vorbemerkung.

4. Stimmt der Senat der Auffassung zu, dass sich durch eine Ausweitung der Sportwetten im Rahmen eines Konzessionsmodelles die Gefahr von Spielmanipulationen und Betrugsversuchen im Sport erhöhen würde?

a. Wenn ja, wie sollen derartige Entwicklungen verhindert werden und steht dieser Befund nicht im Widerspruch zur Ungleichbehandlung von Lotterien und Sportwetten im Bereich des Glücksspielmonopols?

b. Wenn nein, warum nicht?

Mit dem in Grundzügen vorgelegten Konzessionsmodell ist keine Ausweitung der Sportwetten, sondern eine bessere Kanalisierung des Wettbedürfnisses hin zu wenigen erlaubten Wettanbietern und damit eine bessere Kontrolle beabsichtigt. Spielmanipulationen im Bereich der Sportwetten haben zur notwendigen Voraussetzung, dass neben dem Wettbetrüger ein am Sportereignis Beteiligter mitwirkt. Der Wettveranstalter ist typischerweise unbeteiligt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

5. Wurden im Rahmen der Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz bereits Kriterien festgelegt, nach denen im nun favorisierten Konzessionsmodell die Konzessionäre ausgewählt werden sollen?

Nein.

a. Wenn ja, um welche Kriterien handelt es sich und erachtet der Senat diese als ausreichend? Welche Kriterien sollen im Hinblick auf den Jugend- und Spielerschutz und die Zuverlässigkeit des Veranstalters festgelegt werden?

Entfällt.

b. Wenn nein, welche Kriterien erachtet der Senat als notwendig?

Siehe Vorbemerkung.

6. Welche Schutzmechanismen ­ etwa in Form von Werbebeschränkungen oder der Teilnahme an einem Sperrdateisystem ­ sind zudem für das Konzessionsmodell geplant, um eine Ausweitung der Spielsucht in diesem Bereich zu verhindern? Welche Maßnahmen erachtet der Senat für sinnvoll?

Die Arbeitsgruppe hat den zum 6. April 2011 erwarteten Vorschlag für die Ausgestaltung eines Konzessionsmodells noch nicht vorgelegt.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

7. Welche Position wird Hamburg bei der nächsten Sitzung der Ministerpräsidentenkonferenz am 06. April 2011 bezüglich der Ausgestaltung des nun gewählten Konzessionsmodelles einnehmen?

Zu den laufenden Verhandlungen nimmt der Senat zur Wahrung der Unbefangenheit des Verhandlungsprozesses nicht Stellung. Im Übrigen ist der Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen.

Es ist begrüßenswert, dass sich die Ministerpräsidentenkonferenz für strengere Auflagen bezüglich der Glücksspielautomaten ausgesprochen hat.

Strengere Auflagen in diesem Bereich sind sowohl aufgrund des hohen Suchtpotenzials dieser Glücksspielform als auch für eine rechtlich sichere Lösung bei der Neuauflage des Glücksspielstaatsvertrages notwendig. Gewerbliche Spielhallen und Automatenspiele unterliegen derzeit der bundesweiten Gewerbeordnung. Einige Bundesländer haben allerdings die begrenzten Möglichkeiten auf Landesebene genutzt, um diese Glücksspielform strenger zu regulieren. So haben Bremen und Berlin beispielsweise die Vergnügungssteuer auf Geldgewinnspielgeräte entsprechend erhöht. Seit Inkrafttreten der Föderalismusreform 2006 ist es den Ländern zudem möglich, eigene Spielhallengesetze zu erlassen, die beispielsweise Vorgaben zu personalen Voraussetzungen, zum Standort ­ etwa mit Abstandsgeboten für Spielhallen zu Schulen und Jugendeinrichtungen ­ enthalten können. Der Berliner Senat hat Anfang dieses Jahres angekündigt, als erstes Bundesland von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.

Vor diesem Hintergrund frage ich ergänzend den Senat:

8. Plant der Senat, über die Initiative der Ministerpräsidentenkonferenz hinaus auf Landesebene ordnungs- und steuerrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, um gewerbliche Spielhallen und Automatenspiele insgesamt im Sinne einer verbesserten Suchtprävention strenger zu regulieren?

a. Wenn ja, in welcher Form?

b. Wenn nein, warum nicht?

9. Hält der Senat es für sinnvoll, auf Hamburger Ebene ­ ergänzend zu den Bemühungen für eine strengere Regulierung auf Bundesebene ­ ein Spielhallengesetz zu erlassen?

a. Wenn ja, plant der Senat eine entsprechende Gesetzesinitiative?

b. Wenn nein, warum nicht?

Die Meinungsbildung ist sowohl hinsichtlich ordnungsrechtlicher Maßnahmen als auch hinsichtlich eines eventuellen Spielhallengesetzes auf Landesebene mit Rücksicht auf geplante Änderungen der Gewerbeordnung und der Spielverordnung auf Bundesebene und die ausstehende Entscheidung über den genauen Inhalt eines künftigen Glücksspielstaatsvertrages noch nicht abgeschlossen.