Anträge von Polizei und Staatsanwaltschaft zur Überwachung der Telekommunikation

In einem Bericht des „Hamburger Abendblattes" vom 15.4.2011 mit der Überschrift „Kriminalbeamte: „Der Staat wird von Chaoten vorgeführt"" wird der Gerichtssprecher Dr. Conrad Müller-Horn zur rechtlichen Problematik bei der Überwachung der Telekommunikation folgendermaßen direkt und indirekt zitiert: „Die Funkzellenauswertung ist in der Strafprozessordnung geregelt und wird von den Ermittlungsrichtern in der Praxis auch angeordnet, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen." Eine der Voraussetzungen sei, dass es Anhaltspunkte gebe, dass der Verdächtige sein Handy bei der Tat dabeihatte. Diese Einschränkung der Telekommunikationsüberwachung sei dadurch gerechtfertigt, dass bei einer Funkzellenauswertung regelmäßig die Daten einer Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern erfasst werden, die in keiner Weise einer Straftat verdächtig seien. „Mit der Datenerhebung wird in das Fernmeldegeheimnis, also in die Rechte dieser Menschen eingegriffen.

Ein solcher Eingriff ist nur dann verhältnismäßig, wenn er nicht ins Blaue hinein erfolgt, sondern wenn eine konkrete Vermutung dafür spricht, dass die Datenerhebung auch tatsächlich zur Ermittlung des Täters führt", so Dr. Müller-Horn.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Wie viele Anträge haben Polizei und Staatsanwaltschaft auf Überwachung der Telekommunikation aufgrund welcher Sachverhalte und Rechtsgrundlagen in der StPO in welchen Monaten beziehungsweise Jahren bei welchen Gerichten gestellt? Bitte bei der Beantwortung dieser und der anderen Fragen zwischen Kfz-Brandstiftungen und anderen Strafverfahren sowie Funkzellenabfragen und anderen Maßnahmen für einen Zeitraum von fünf Jahren differenzieren.

2. Wie viele dieser Anträge wurden von welchen Gerichten mit welchen Begründungen abgelehnt? Bitte detailliert darstellen.

3. Wie viele Anordnungen auf Überwachung der Telekommunikation hat die Staatsanwaltschaft wegen „Gefahr im Verzug" gemäß § 100b Absatz 1 Satz 2 StPO selbst getroffen? Bitte darlegen, aufgrund welcher Sachverhalte und welcher Rechtsgrundlagen in welchen Monaten beziehungsweise Jahren.

4. Wie häufig wurden diese Anordnungen der Staatsanwaltschaft gemäß § 100b Absatz 1 Satz 3 StPO binnen drei Werktagen von welchem Gericht bestätigt? Wie häufig wurden diese Anordnungen der Staatsanwaltschaft von welchem Gericht mit welchen Begründungen nicht bestätigt, sodass sie außer Kraft traten?

5. In § 100b Absatz 1 Satz 4 StPO heißt es: „Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen." Für welchen Zeitraum ergingen die Anordnungen auf Überwachung der Telekommunikation? Bitte detailliert darstellen.

6. Wie häufig wurden die Anordnungen auf Überwachung der Telekommunikation gemäß § 100b Absatz 1 Satz 5 StPO um weitere drei Monate verlängert? Bitte detailliert darstellen.

Die zur Beantwortung der Fragen benötigten Daten werden von der Staatsanwaltschaft Hamburg nur in dem Umfang erfasst, der zur Erfüllung der kalenderjährlichen Berichtspflicht gemäß § 100b Absatz 5 StPO beziehungsweise § 100g Absatz 4 StPO erforderlich ist. Eine über diese statistische Erfassung hinausgehende Beantwortung würde eine Ermittlung und Einzelfallauszählung der unten mitgeteilten Verfahren erforderlich machen, die durch die drei sich derzeit im Dienst befindenden Dezernenten der Grundsatzabteilung der Staatsanwaltschaft in der Kürze der zur Beantwortung der Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht vorgenommen werden kann. Hiervon wurden in neun Fällen die beantragten Beschlüsse erlassen. In einem Fall wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft mangels Erfolgsaussicht der beantragten Maßnahme abgelehnt.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass weder eine Auffindungsvermutung im Einzelfall bestehe noch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit Ermittlungserfolgen durch Datenabgleich zu rechnen sei. Über einen weiteren Antrag ist bislang noch nicht entschieden worden.

7. Wie häufig haben die Telekommunikationsdienste die Herausgabe von Handy-Verbindungsdaten mit welcher Begründung gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft verweigert?

Nach Kenntnis der zuständigen Behörde gab es keinen Fall, in dem ein Telekommunikationsdienstleister die Herausgabe vorhandener Handy-Verbindungsdaten verweigert hat.

8. Wurden gegenüber den Telekommunikationsdiensten Ordnungs- oder Zwangsmittel angedroht, weil sie die Herausgabe von HandyVerbindungsdaten verweigert haben?

Wenn ja, welche und aufgrund welcher Sachverhalte?

9. Wie viele Strafanzeigen beziehungsweise Ermittlungsverfahren haben Polizei und Staatsanwaltschaft aufgrund der Weigerung der Telekommunikationsdienste, die Verbindungsdaten im Zusammenhang mit KfzBrandstiftungen herauszugeben, gegenüber Verantwortlichen der Telekommunikationsdienste erstattet?

10. Welchen Ausgang hatten diese Verfahren vor den Gerichten?

Entfällt.

11. Welche Anordnungsvoraussetzungen für die Funkzellenabfrage hat die Rechtsprechung welcher Gerichte in der Bundesrepublik gemäß § 100g StPO entwickelt?

Die Anordnungsvoraussetzungen für eine Funkzellenabfrage sind in § 100g StPO geregelt. Zu den Kriterien, die die Rechtsprechung in Hamburg bei der Auslegung dieser Vorschrift im Rahmen von Anträgen der Staatsanwaltschaft auf Anordnung einer Funkzellenabfrage anwenden, gehören unter anderem die Länge und die Uhrzeit des abgefragten Zeitraums, das zu vermutende Datenaufkommen und damit zusammenhängend die Zahl der tatunbeteiligten Drittbetroffenen, das Vorliegen konkreter Hinweise darauf, dass der Beschuldigte tatsächlich ein Mobiltelefon benutzt hat, der konkrete Standort der Funkzelle und die Schwere der aufzuklärenden Straftat. Die Auswertung der Rechtsprechung der Gerichte anderer Länder und des Bundes liegt außerhalb des Verantwortungsbereiches des Senats und der parlamentarischen Kontrolle der Bürgerschaft und wird daher auch vom parlamentarischen Fragerecht nicht erfasst.