Bereich des abwehrenden Katastrophenschutzes

Im Bereich des abwehrenden Katastrophenschutzes ist allerdings eine gut funktionierende Kommunikation zwischen den Einsatzkräften verschiedener Hamburger Katastrophenschutzbehörden, mit auswärtigen Kräften anderer Länder und des Bundes sowie den beteiligten Einsatzführungsstellen in den betroffenen Ländern von sehr hoher Bedeutung.

Mit der modernen bundeseinheitlichen Digitalfunktechnik können Einsatzkräfte organisations- und länderübergreifend untereinander kommunizieren. In Hamburg ist der Aufbau abgeschlossen, die angrenzenden Bereiche folgen zeitnah. Das Funksystem verfügt über zahlreiche Rückfallstufen, selbst bei vollständigem Ausfall kann über örtliche Strukturen kommuniziert werden.

i. Auf welche Weise und wie schnell können Messungen der Strahlenbelastung durchgeführt werden?

j. Wie viele Messpunkte lassen sich mit der derzeitigen Ausrüstung einrichten?

Hamburg verfügt über einen Online-Zugang zu den Messdaten von 30 Messstationen des Bundesamts für Strahlenschutz und 24 Messstationen der Kernkraftwerksfernüberwachung des Landes Schleswig-Holstein. Davon befinden sich acht Stationen innerhalb Hamburgs, weitere sieben in der Nähe der Landesgrenze. Diese Messstationen registrieren alle zehn Minuten die Gammastrahlung aus der Umgebung und können auch sehr geringe Abweichungen vom normalen Hintergrundpegel anzeigen.

Anhand der gemessenen Werte der Ortsdosisleistung können im Falle einer Katastrophe die Fachberater beim Leiter der Katastrophenabwehr sehr schnell ein erstes radiologisches Lagebild erstellen.

Planmäßig vorbereitete Messungen werden entsprechend den Vorgaben der „Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen" in der Mittel- und Außenzone des Katastrophenschutzplanungsbereiches um das Kernkraftwerk Krümmel von speziell ausgebildeten und ausgerüsteten Strahlenspürtrupps von Polizei und Feuerwehr durchgeführt. Für diese Messungen sind in Abstimmung mit Schleswig-Holstein und dem Betreiber des Kernkraftwerks im Südosten Hamburgs neun Messpunkte auf drei Messrouten festgelegt worden. Es kommen planmäßig drei Spürtrupps gleichzeitig zum Einsatz. Verfügbar sind sieben vollständige Spürtruppausrüstungen. Über die besonderen Spürtruppausstattungen hinaus gibt es weitere Strahlenmessgeräte bei Polizei und Feuerwehr, die für ergänzende Messungen eingesetzt werden können. Bei Bedarf kann daher die Zahl der Messpunkte mindestens auf das Doppelte erhöht werden.

An den Messpunkten werden die Gamma-Ortsdosisleistung und die Oberflächenkontamination des Bodens gemessen. Es werden ferner Boden- und Bewuchsproben genommen und Luftfilter mit dem Schwebstaub der Luft beaufschlagt. Diese Proben müssen anschließend in einem Messlabor auf ihren Gehalt an einzelnen Radionukliden ausgewertet werden. Zwischen der Einsatzbereitschaft der Strahlenspürtrupps und dem Eingang erster Messwerte in der Hamburger Zentralen Auswerte- und Meldestelle (ZAM) vergehen etwa 90 Minuten. Bis zum Eingang erster Laborergebnisse dauert es aufgrund des Probentransports und wegen der aufwendigen Probenaufbereitung und Messung etwa vier bis fünf Stunden. Weitere Planungen legen die Probenahme für Oberflächenwasser aus der Elbe und für Trinkwasser in den Wasserwerken Glinde, Lohbrügge, Bergedorf und Curslack fest. Alle Messungen werden im Rahmen der länderübergreifenden Zusammenarbeit von der Gemeinsamen Messzentrale (GMZ) in Kiel koordiniert. Die Ergebnisse werden in einer zentralen Datenbank gesammelt und allen beteiligten Katastrophenschutzstäben zur Verfügung gestellt.

Dadurch können in Hamburg auch die Messergebnisse der Messtrupps der Betreiber und der Strahlenspürtrupps der Nachbarländer zur Lagebewertung herangezogen werden.

k. Ist sichergestellt, dass die Bevölkerung unmittelbar über die ermittelten Messwerte informiert wird?

In der Frühphase eines kerntechnischen Unfalls besteht hoher Zeitdruck bei der Beurteilung der radiologischen Lage und bei der Festlegung von Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung. Die Vielzahl der Messwerte muss fachkundig interpretiert und im

Zusammenhang mit Ausbreitungsprognosen und anlagentechnischen Informationen zu einem Lagebild verarbeitet werden, auf dessen Grundlage über die notwendigen Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung entschieden werden kann. Die Informationen über die Lagebewertung und die einzuleitenden Schutzmaßnahmen hingegen werden über Rundfunk- und Lautsprecherwagendurchsagen direkt an die Bevölkerung weitergegeben.

Die Daten der automatischen Messnetze sind zusammengefasst als Stunden- und Tagesmittelwerte für die Bevölkerung im Internet einzusehen unter http://odlinfo.bfs.de/ und http://www.kfue-sh.de/pages/messwerte.html.

Über die Veröffentlichung von Messdaten in einer späteren Phase eines Katastrophenfalls entscheidet der Leiter der Katastrophenabwehr lageabhängig.

l. Werden derzeit länderübergreifende Übungen eines atomaren Störfalls vorbereitet?

m. Nehmen alle potenziellen Einsatzkräfte in Hamburg an diesen Übungen teil?

Nein. Die letzte Übung unter Beteiligung Hamburgs fand in 2010 statt. Über eine Beteiligung Hamburgs sowie den Umfang der Beteiligung wird in Abhängigkeit von der Art der Übung anlass- und themenbezogen entschieden.

2. Evakuierungsmaßnahmen:

a. Bis zu welchen Entfernungen zu Atomanlagen und innerhalb welchen Zeitraums könnte im Falle eines nuklearen Ereignisses unter Zugrundelegung verschiedener meteorologischer Bedingungen eine Evakuierung erforderlich sein?

Die Entfernung, bis zu der nach einem Unfall in einem Kernkraftwerk Evakuierungen nötig werden können, und der Zeitraum, in dem sich diese Situation entwickelt, hängen von einer Vielzahl von Einflussfaktoren ab. Dazu gehören die Art und die Dauer des Unfallablaufs in der Anlage, der Grad der Zerstörung der Rückhaltebarrieren, der Umfang und die Wirksamkeit von anlageninternen Notfallmaßnahmen, der Freisetzungspfad, die Nuklidzusammensetzung des Quellterms, die meteorologischen Verhältnisse am Freisetzungsort und am Immissionsort, die Wahl der radiologischen Parameter und der für eine Evakuierung zugrunde zu legenden Dosisrichtwerte. Diese Faktoren und vor allem ihr Zusammenwirken hängen stark von Wahrscheinlichkeiten ab.

Die Planungsradien der „Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen" basieren ursprünglich auf dem Modell der Deutschen Risikostudie Kernkraftwerke Phase A, die im Jahr 1979 im Verlag TÜV Rheinland veröffentlicht wurde. Bereits in dieser Untersuchung wurde festgestellt, dass mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit auch seltene Freisetzungsszenarien und Wetterkonstellationen zusammentreffen können, die Evakuierungen in Entfernungen von mehr als 25 km erforderlich machen können.

Das im Auftrag Hamburgs vom Öko-Institut Darmstadt erstellte Gutachten „Folgen schwerer Unfälle im KKW Krümmel für das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg und Auswirkungen von Katastrophenschutzmaßnahmen" kam 1995 zu dem Ergebnis, dass bei einem Unfallablauf mit hohem Quellterm und Wetterverhältnissen, wie sie bei Wind aus Südosten typisch sind, der Richtwert für Evakuierungen bis zur nordwestlichen Landesgrenze (49 km) überschritten würde. Das Gutachten macht keine Aussage zur Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieser Situation.

In Fukushima lagen zwischen dem Eintritt des Unfalls und der ersten Freisetzung etwa 24 Stunden. Die Zeitspanne zwischen dem Eintritt eines Unfalls und dem Beginn schwerer Freisetzungen wird für deutsche Kernkraftwerke ohne den Einsatz von anlageninternen Notfallmaßnahmen auf zwei bis zwölf Stunden geschätzt. Die Zeit für die Ausbreitung zum Beispiel vom Kernkraftwerk Krümmel bis zur Stadtmitte beträgt bei einer typischen Windgeschwindigkeit von 5 Metern pro Sekunde etwa zwei Stunden.

Damit steht für eine Evakuierung vor Eintreffen der radioaktiven Stoffe ein Zeitfenster bis etwa 14 Stunden nach Eintritt des Unfalls zur Verfügung.

Der Einsatz von anlageninternen Notfallmaßnahmen kann die Zeitspanne bis zu einer Freisetzung verlängern und die Menge der freigesetzten radioaktiven Stoffe erheblich reduzieren oder eine Freisetzung ganz verhindern. Dann werden die Eingreifrichtwerte für Evakuierung in der Umgebung der Anlage unter Umständen überhaupt nicht erreicht.

Eine Evakuierung betroffener Gebiete nach dem Durchzug einer radioaktiven Wolke kann auch dann noch zu einer deutlichen Reduzierung der Strahlenexposition führen.

b. Entsprechen diese Ausbreitungsberechnungen dem Stand der Wissenschaft?

Ja.

c. Bis zu welchen Entfernungen zu den Atomanlagen gibt es Evakuierungspläne?

Bis zu einem Radius von 10 km ist eine Evakuierung der Bevölkerung bei einer entsprechenden Gefährdung gemäß den „Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen" vorgesehen.

d. Sind diese für die Bevölkerung einsehbar?

Hamburg (Innenstadt) liegt circa 55 Kilometer vom Atomkraftwerk Brokdorf entfernt und befindet sich somit in der Fernzone (100-Kilometer-Radius) um dieses Kraftwerk herum. In der Fernzone ist jedoch vorrangig die Ausgabe von Jodtabletten an Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Schwangere und die Warnung der Bevölkerung vor dem Verzehr frisch geernteter Lebensmittel vorzubereiten. Aufgrund der sehr geringen Wahrscheinlichkeit, dass seltene Freisetzungsszenarien und entsprechende Wetterkonstellationen zusammentreffen und somit Evakuierungen in Entfernungen von mehr als 25 km erforderlich machen können, liegen demnach auch keine diesbezüglichen Zahlen vor.

Darüber hinaus können aber weiterhin circa 1.400 Personen auf Hamburger Seite in einem 10-Kilometer-Radius um Krümmel von einer Evakuierung betroffen sein, wenn sich in dem Abklingbecken des vor der Stilllegung befindlichen Atomkraftwerks Krümmel ein radiologisches Ereignis zutragen sollte.

e. Wie hoch ist die Anzahl der Personen, die jeweils evakuiert werden müssen?

Die Planungen für die Umgebung von Kernkraftwerken sind öffentlich und werden auch mit dem Ratgeber für die Bevölkerung in der Umgebung kerntechnischer Anlagen verteilt.

Während es dem Betreiber einer Anlage obliegt, Informationen über

· Art und Zweck der Anlage und Tätigkeit,

· Grundbegriffe der Radioaktivität,

· Auswirkungen der Radioaktivität auf Mensch und Umwelt sowie

· eigene Schutzmaßnahmen zu geben, informieren die für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden über

· Warnung und Unterrichtung der Bevölkerung (Sirene, Lautsprecherwagen, Rundfunk, Fernsehen und Videotext),

· Selbsthilfe,

· Verkehrseinschränkungen,

· Jodtabletten (Funktion, Verteilung und Ausgabe) sowie

· Evakuierung (Ablauf, Verhaltensmaßnahmen, Routen sowie Aufnahmebereiche/Sammelstellen).